Die meisten Leute haben schon einmal im Auto geschlafen: Nach einer durchzechten Nacht in einer fremden Stadt, auf Musikfestivals, vielleicht noch bei übermäßig langen Urlaubsfahrten irgendwo am Autobahnrand. Dass das Auto zur Wohnung wird, kennt man eher aus amerikanischen Dokumentationen über Obdachlose. Der 20-jährige Chemie-Student Max war weder auf einem Festival noch berauscht: Er sah sich anlässlich des Semesterbeginns dazu genötigt, seine Nachtruhe – in einen Schlafsack gehüllt – auf dem Fahrersitz seines Peugeot im Uni-Parkhaus abzuhalten.
Nachrücker haben das Nachsehen
Der doppelte Abiturjahrgang und die Aussetzung der Wehrpflicht machen sich auch in Regensburg bemerkbar: An die 23.000 Studenten gibt es hier momentan. Gerade Neulinge wie Max tun sich bei der Wohnungssuche deutlich schwerer als die Jahrgänge davor: Etwa 4.000 Ersteinschreibungen verzeichnet allein die Universität, das sind knapp 20 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Dem gegenüber stehen knapp 4.000 öffentlich geförderte Wohnheimplätze, 1.500 davon unter dem Dach des Studentenwerks Niederbayern/Oberpfalz, der Rest in der Hand des Katholischen Wohnungsbau- und Siedlungswerks, des Diakonischen Werks, des BLLV, des Bezirk Oberpfalz oder der Protestantischen Alumneumsstiftung.
Rund 40 Wohnungen hat er besichtigt oder versucht zu besichtigen. Oft kehrte er angesichts der Massen an Mitbewerbern auf dem Absatz wieder um. Die Wohnungsnot trifft vor allem Nachzügler wie ihn, also Studenten, die dank eines ungünstig getakteten Vergabesystems für Studienplätze erst zu Semesterbeginn erfahren, wo sie landen.
Gemeinsam schnarchen statt schnapseln
Ihnen lassen verschiedene Anbieter Hilfe angedeihen: Das Studentenwerk richtete ein Matratzenlager im Gemeinschaftsraum des Gesslerheims ein. Bis zu 30 Studenten fanden dort vorübergehend eine Schlafstatt. Statt sich beschwipst auf den üblichen Semesteranfangspartys in diesem Raum anzutänzeln, lernten sie sich gleich richtig kennen: Zähneputzen, Eltern-Telefonate, Camping-Kochen inklusive. Das Brook Lane Hostel fror seinen Übernachtungspreis bis Ende Oktober ab fünf Übernachtungen auf 14 Euro pro Nacht ein und war so mit einer Monatsmiete von 420 Euro billiger als manches Mini-WG-Zimmer in der Altstadt.
Immobilienmakler Christian Janele zeigt sich kreativ und vermittelt Studenten und Senioren oder Familien aneinander. Der Deal: Für ungewöhnlich günstigen oder kostenlosen Wohnraum gibt es Hilfe in Form von Schnee schippen, putzen oder Gesellschaft. Etwa 15 Studenten hat Janele mit diesem Konzept bereits einen Wohnplatz vermittelt, um die 20 sind immer noch auf seiner Liste als Suchende geführt. Janele selbst betreibt diesen Service unentgeltlich, obwohl er als Immobilienmakler mit der Vermittlung von Wohnraum normalerweise sein Einkommen bestreitet. Gäbe es genügend Wohnungen, hätte er dieses Jahr etwa zwei- bis dreimal so viel vermieten können wie sonst, sagt er.
Überdurchschnittliche Versorgungsquote
Kaum noch jemand wagt es, auf ein Zimmer in einem Studentenwohnheim zu hoffen. Dabei hat Regensburg eine bayernweit überdurchschnittliche Versorgungsdichte: 15,8 Prozent der studentischen Wohnplätze in Regensburg sind öffentlich gefördert, sagt Gerlinde Dietl, Geschäftsführerin des Studentenwerks. Der Durchschnitt liegt bei elf Prozent.
Nicht zu unterschätzen ist die Tatsache, dass die Not des einen das Geschäft des anderen bedeutet: Private Anbieter drängen auf den Markt, stiften mit Begriffen wie „Studentenapartments“ Verwirrung. Um öffentlich geförderten Wohnraum im Sinne der Wohnheime in Trägerschaft von Kirchen oder des Studentenwerks handelt es dabei nicht.
Mit 1.000 Wohnplätzen in den Anlagen Unipark, Unisono, Unikato und UniThoma ist Lambert Immobilien Marktführer unter den privaten Anbietern.
Gerade frisch bezogen sind die 148 Apartments von „studiosus2“ zwischen Bahnhof- und Margaretenstraße. Die dafür verantwortliche SWI Schimpel und Winter Hausbau GmbH hat bereits 82 bunte Studentenappartements am Galgenberg hingestellt. Ihr erstes Regensburg-Quartier ist als vollständig verkaufte und komplett vermietete „Referenz vom Feinsten“ im Portofolio – nicht für potenzielle Mieter, sondern für Kapitalanleger, die in künftige Studentenapartments andernorts investieren sollen. Der Bauherr lockt vor allem mit dem Luxus der Objekte: Automatischer Sicht- und Sonnenschutz, Großbildmonitore in der „Communitiy-‚Indoor’-Lounge“, ein „kleiner und feiner Mikrokosmos“ sind laut Homepage stilprägend für die Unterkünfte.
Dietl: Keine Besenkammern für 300 Euro!
Gerade im Zusammenhang mit den frei finanzierten Studentenapartments beklagt Franziska Hilbrandt vom Sprecherinnen- und Sprecherrat der Universität eine Mietpreisexplosion. Sie wisse von einem Fall, in dem ein Student für 460 Euro im Monat ein zwölf Quadratmeter großes WG-Zimmer bezogen hätte. Der Quadratmeterpreis liegt hier etwa beim Sechsfachen des Durchschnittspreises: über 38 Euro in der WG im Vergleich zu 6,55 Euro pro Quadratmeter; Letzteres ist der Preis, den der Mietspiegel 2010 als Durchschnitt angibt. 400 Euro für 20 Quadratmeter seien ohnehin keine Seltenheit.
In dieser Größenordnung bewegen sich auch die Zahlen, die Dietl vorliegen. Die Geschäftsführerin des Studentenwerks mag aber noch nicht so recht an einen dauerhaften Engpass mit Wuchermieten glauben. Sie würde sich viel mehr für repräsentative Zahlen zum studentischen Wohnungsmarkt interessieren. Doch die werden schwer zu bekommen sein, wenn man berücksichtigt, dass von rund 23.000 Studenten nur etwa 5.000 Wohnplätze haben, die explizit als studentischer Wohnraum ausgewiesen sind – ob öffentlich gefördert oder frei finanziert.
Dietl bleibt gelassen und appelliert außerdem an die Studenten, etwas flexibler zu sein. Das Semesterticket erlaube schließlich für umgerechnet acht Euro im Monat ausgiebige Zugfahrten. Man müsse in Zeiten wie diesen eben mal „seine Bequemlichkeit überwinden und ein paar Kilometer fahren“. Außerdem möchte sie Panik und künstlich angeheizte Mieten vermeiden: „Wenn wir den Vermietern sagen, dass sie jede Besenkammer für 300 Euro vermieten können, werden die das auch tun.“
Private Bauherren: Glück für Regensburg?
Studierendenvertreterin Hilbrandt übt Kritik an der Stadt: Die pflege ihr Image als Bildungs- und Studentenstadt, tue aber nichts dafür. Das sieht Anton Sedlmair vom Amt für Stadtentwicklung anders.
Im Stadtentwicklungsplan kommen die Studenten als eigene Gruppe nicht vor; doch das Ziel, Wohnraum für
alle Bevölkerungsschichten bereitzustellen, sei klar formuliert und die Stadt komme dem auch nach. Ihre Aufgabe sei es, durch Baurecht die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Im Vergleich zu anderen Kommunen habe Regensburg laut Sedlmair sogar noch Glück: Die privaten Investoren haben rund 2.700 Wohnungsplätze für Studenten geschaffen, 560 sind im Bau.
Studenten-Ansturm heuer auf dem Höhepunkt?
Für die Zukunft rechnet Dietl nicht mit einer Verschärfung des Problems. Deshalb strebt das Studentenwerk nicht den Bau von neuen Wohnheimen an. Man plane lediglich, ein Gebäude des Gesslerheims neu zu bauen statt zu sanieren, eventuell auch mit einer höheren Anzahl an Zimmern. Der aktuelle Zustand sei die Spitze, so Dietl, größere Anlagen könnten in zehn Jahren leer stehen.
Der Markt um die „Elite von morgen“ ist umkämpft. Viele mehr oder weniger finanzkräftige Spieler drängen sich auf dem Feld, hauptsächlich aber drängen Tausende neuer Studenten in die Zimmer und Wohnungen. Wie Max. Der muss das Uni-Parkhaus nun nicht mehr zweckentfremden. Eine freundliche WG überließ ihm die Leseecke als Schlafplatz, bis er sein Zimmer in einer anderen Wohngemeinschaft beziehen konnte.
Neuromancerr
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Schöner Artikel! Wenn nur das Problem jemanden auch wirklich interessieren würde. Bedauerlicherweise scheint die Haltung meistens zu sein: Kopfschüttlen, aber es betrifft einen ja nicht selber.
Bitter Bitter Bitter
Pragmatiker
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Da rächt es sich jetzt erneut, dass die Ganghofersiedlung dem wohlhabenden Mittelstand übereignet wurde.
Früher (bis vor der Luxussanierung bzw. dem Verkauf an Reiche) konnte man in der Ganghofersiedlung in einer 3-Zimmer-Wohnung für deutlich unter 400 Euro wohnen (als Student also zu dritt für 120-130 Euro/Nase) – inklusive Wohnküche, kleinem Bad, großem Kellerabteil und eigenem Mini-Garten (in dem man sogar Gemüse anbauen konnte).
Nachteile: Heizung teils vorsintflutlich, Wanddämmung gleich null.
Aber wir hatten immerhin moderne Fenster und eine hübsch vom Vormieter sanierte Wohnung (auch das Bad war neu). Für, wie erwähnt, deutlich unter 400 Euro. In einem reinen und daher ruhigen Wohngebiet in Uninähe.
War toll.
Ist jetzt teuer.
Studentin
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Das Problem ist noch weitaus größer! Es studieren nämlich rund 28.000 zur Zeit an Uni (gut 20.000) und HS.R (knapp 8.000) und nicht “nur” 23.000!
Prosument
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Ich bin selbst Student und bedanke mich für diesen Artikel.
Studentenwohnung oder Appartment bedeutet meistens, dass die Wohnung in einem schlechten Zustand ist, dennoch aber auch kein Schnäppchen.
Die bunten Wohnungen am Galgenberg sind unfassbar teuer.
Ich meine mal gelesen zu haben, dass Regensburg nach München, die teuersten Mietwohnungen hat.
Karl-Heinz
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Wem gehört eigentlich die Papstwiese? Das müsste doch der Traumwohnort aller Medizinstudenten sein, da kann man doch ein Riesen Riesen Riesen Wohnheim drauf pluggen. Mindestens eins. So Gott will… ;-)
VonFernSeher
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Man kann aber jetzt wirklich keine Wohnheime mehr bauen. Selbst wenn die in Deutschland Ansässigen jetzt alle wie wild Kinder fabrizieren und die alle das Abitur machen, stehen die Wohnheime dann erst einmal zwanzig Jahre leer.
Man muss Übergangslösungen finden. In anderen Städten mieten die Liegenschaftsbetriebe oder auch direkt die Hochschulen Komplexe für zehn Jahre, renovieren sie und vermieten sie zu studentenwerksähnlichen Preisen.
Wenn man allerdings jetzt erst mit der Suche anfängt, dann ist die Lösung erst da, wenn die großen Jahrgänge schon wieder weg sind. In Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz z.B. hat man die Diskussion vor zehn bis fünf Jahren geführt, damit man jetzt die Lösungen zur Hand hat.
Edda
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Auch unter Studenten herrschen natürlich unterschiedliche Voraussetzungen. Extrem schlimm ist die Situation für die, die aus weniger wohlhabenden Familien kommen und schon Schwierigkeiten haben, die Studiengebühren zu bezahlen. Allerdings gibt es aber mittlerweile viele Studenten, die andere finanzielle Mittel haben und horrende Preise für Wohnungen oder WG-Zimmer bezahlen können und auch bereit sind, diese zu bezahlen (wie im Artikel beschrieben). Dies hat Auswirkungen auf den gesamten Regensburger Wohnungsmarkt, wo die Quadratmeterpreise auch dadurch ins Unermessliche steigen. So gibt es dann auch kaum mehr bezahlbare größere Wohnungen für Familien, da mittlerweile viele WG-Zimmer einzeln von Maklern vermittelt werden, damit sie pro Zimmer Provision abkassieren können und dies natürlich schön lukrativ ist! Studenten werden von Maklern (ich zitiere aus einem persönlichen Gespräch) als ihre “liebsten MIeter” bezeichnet, denn “die zahlen immer (wegen der Absicherung durch die Eltern)” und “jeden Preis” und “ziehen relativ schnell wieder aus”, sodass die Miete in absehbarem Zeitraum erhöht werden kann. Und genau hier sollte die Politik einschreiten, denn eine derartige Vorgehensweise ist sittenwidrig und mehr als unsozial. Doch das tut sie nicht. Lieber werden Häuser und Grundstücke genau an diese Investoren und spätere Vermieter veräußert. Die Studenten selbst sollten die Möglichkeit haben, Wucherpreise und derartige Ausbeutung an zentraler Stelle (evtl am Studentenwerk) zu melden. Ändert sich nämlich nicht bald etwas auf dem Regensburger Wohnungsmarkt und an der Wohnpolitik, dann verliert die Stadt ihr bisher buntes Gesicht.
frage
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Like it!
Student
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Wir haben unseren letzten Mitbewohner über die neue Wohnungsbörse http://www.wg-cast.de gefunden. Die Seite wurde von zwei Studenten ins Leben gerufen, um den Massencastings und den unzähligen Telefonaten und Mails nach dem Einstellen einer Anzeige den Kampf anzusagen. Hat bei uns super geklappt und ist auf jedenfall eine klasse Idee, um dem Castingmarathon bei der Zimmer- oder Mitbewohnersuche ein Ende zu bereiten!
StuhloderSessel
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Jap.
Auch ganz nett, weil mit politischem und völlig ohne kommerziellem Anspruch, http://www.wgcompany.de
Bisher nur in Berlin, München und Hamburg durchgesetzt/brauchbar. Aber was nicht ist, kann ja….