Zweierlei Persönlichkeitsrecht
Mittelbayerische Doppelmoral: Was für einen einflussreichen, weltweit aktiven und gesellschaftlich exponierten Unternehmer gilt, der Schutz seiner Persönlichkeitsrechte, muss für einen Oberpfälzer (Ex-)Provinzpolitiker noch lange nicht gelten. Ein Kommentar.
„Denn die Frage, ob das öffentliche Interesse an dem Thema die Persönlichkeitsrechte von Herrn Götz übertrifft, ist aus unserer Sicht sowie einer juristischen Betrachtung noch offen. Die Entscheidung über eine solche Veröffentlichung und die Belastbarkeit der zugrunde liegende Informationen muss jedes Medium selbst treffen. Gleichzeitig ist das Thema nicht von besonderer zeitlicher Brisanz gekennzeichnet.“ Mittelbayerische Zeitung, 23.01.2014
Es waren hehre Grundsätze, mit denen die Mittelbayerische Zeitung Anfang des Jahres ihre wochenlange Nichtberichterstattung zur Plagiatsaffäre um den Regensburger Putzmogul Karlheinz Götz begründete. Während das Thema überregional Wellen schlug, fühlte sich die MZ zunächst vor allem den Persönlichkeitsrechten von Herrn Götz verpflichtet.
Die MZ misst mit zweierlei Maß
Betrachtet man den Umgang der MZ mit einem anderen Fall, misst die Lokalzeitung offenkundig mit zweierlei Maß. Denn was für einen einflussreichen, weltweit aktiven und gesellschaftlich exponierten Unternehmer gilt, der Schutz seiner Persönlichkeitsrechte, muss für einen Oberpfälzer (Ex-)Provinzpolitiker noch lange nicht gelten.
Vor knapp einem Jahr verursachte Jürgen L. einen tragischen Unfall. Ein 15jähriges Mädchen kam dabei ums Leben. L. hatte laut Bluttest 0,53 Promille Alkohol im Blut und war mutmaßlich zu schnell unterwegs. Ihm steht deshalb ein Prozess wegen fahrlässiger Tötung, fahrlässiger Körperverletzung und fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs bevor.
Hauptsache der Name in der Schlagzeile
Seitdem erscheint L. in schöner Regelmäßigkeit in der Mittelbayerischen Zeitung – mit voller Namensnennung und Berufsbezeichnung. Zuletzt wurde vor drei Tagen berichtet – mit L.’s Namen in der Schlagzeile. Der Tenor: Es sei „nach wie vor völlig unklar“, wann der Prozess gegen L. eröffnet werde.
Zuvor hatte die MZ, stets mit L.s Namen in der Schlagzeile, schon mehrfach von Verfahrensverzögerungen berichtet. Und irgendwie gewinnt man dabei den Eindruck: Das dauert doch viel zu lang. Da stimmt doch etwas nicht. Tatsächlich aber ist es relativ normal, dass es ein gutes Jahr dauern kann, bis ein Verfahren, bei dem Gutachten eingeholt werden, eröffnet wird. Ärgerlich vielleicht, aber normal. Zumindest liegt die Verantwortung dabei nicht bei L..
Doch worin besteht nun das große öffentliche Interesse, L. als Person immer wieder und nach wie vor derart öffentlich zu exponieren?
Warum dieses Interesse an einem Privatmann?
Es ist mehr als ein Jahr her, dass er Oberbürgermeister-Kandidat-Kandidat der Regensburger CSU war. Zum Zeitpunkt des Unfalls war das bereits vom Tisch.
Es ist vier Monate her, seit er aus dem Kreistag in Cham ausgeschieden ist. Er hat (entgegen der aktuellen falschen Berichterstattung der MZ) keinerlei politisches oder öffentliches Amt inne. Er hat sich nicht nur aus dem politischen, sondern auch gesellschaftlichen Leben weitgehend zurückgezogen. Er ist Privatmann.
Um nicht falsch verstanden zu werden: Die Berichterstattung über einen solchen Unfall und die juristischen Folgen liegen im öffentlichen Interesse. Ebenso die Klärung von juristischer und moralischer Verantwortung. Warum es der Mittelbayerischen Zeitung aber ein derartiges Anliegen ist, Jürgen L. stets namentlich zu nennen, bleibt ein Rätsel. Juristisch mag das zulässig sein. Nimmt man aber die hochmoralischen Grundsätze, welche die MZ in der Causa Götz formuliert hat, offenbart es nichts anderes als eine heuchlerische Doppelmoral.
Veronika
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Richtig! Bravo! Sehr guter Bericht!
Ist eben nicht Wies Heu!
YOLO
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MZ ist und bleibt halt ein provinziales Schmierblatt, das nur selten über Springer Qualität liegt.
Mathilde Vietze
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Zu Yolo, dieser Kommentar ist eine Unverschämtheit und
dürfte eigentlich nicht freigeschaltet werden. Aus diesem
Grunde verstecken Sie sich wohl auch hinter einem Pseu-
donym.
Jens
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Erinnert sei an einen RD-Bericht über gebetsmühlenhaften MZ-Moralratsch. Ein Auszug:
“… unbeteiligtes Achselzucken. Sauerer blieb selbst dann gelassen, als er mit dem Fall Götz konfrontiert wurde (die MZ hatte außergewöhnlich lange damit gewartet, über die fragwürdige Doktorarbeit des Regensburger Unternehmers zu berichten) – und gab, statt einer Antwort, Auskunft über die mangelhaften Putzqualitäten des Götzschen Reinigungsdienstes. …”
Selbstherrlichkeit oder falsch berichtet? Weichen weitere Meinungsmacher der Verantwortung aus, ihre journalistischen Maßstäbe nachvollziehbar zu machen?
Stefan Aigner
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@Jens
Zum Domratsch:
So wie wir das damals berichtet haben, war es auch.
Mathilde Vietze
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Zu Jens: Man ist nicht verpflichtet, in allem, was “regens-
burg-digital” bringt, der gleichen Meinung zu sein, aber
man darf schon unterstellen, daß RD authentisch be-
richtet.
mexiclicka
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zu Yolo,
die Mittelmäßige Zeitung ( MZ ) ist eher ein Bistumsblatt!!!
Springer berichtet aktuell – MZ nur wenn es sein muß!!
Könnte man jeden Tag abbestellen.
H. Müller
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Ein weiteres Beispiel, wie rücksichtslos die Mittelbayerische auch mit dem Persönlichkeitsrecht umgeht, ist die Praxis, vermisste Personen, nach deren Auffinden, noch einmal mit Bild, Namen und oft noch dem Verweis auf psychische Probleme in die Öffentlichkeit zu zerren.
(“Mit diesem Foto suchte die Polizei nach dem vermissten…”)
Dass bei der Suche vermutlich eine angenommene Hilfebedürftigkeit noch höher zu werten ist, als der Datenschutz, mag ja meist noch plausibel sein, aber wenn die Person dann “gerettet” ist, gilt ja wohl wieder das Recht auf Privatsphäre.
Zu dieser Differenzierung ist man in den (überaus repräsentativen) Redaktionsräumen dieses banalen Provinzblättchens intellektuell wohl nicht in der Lage.
Matthias Beth
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Die “Mittelmäßige” ist und bleibt ein Blatt auf dem Niveau von Wochenblatt und Blitz. Ist mir auch nicht erklärlich wrin das öffentliche Interesse besteht in diesem Fall! Wahrscheinlich noch ein Nachtreten als Schaidingers Hausblatt in Sachen CSU-Streit.
kritischerZeitgenosse
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Offenkundig scheint die MZ L. noch den endgültig letzten Kick mitgeben zu wollen… Dabei hat sich L. doch schon vor dem Unfall aus dem politischen Leben zumindest hier in Regensburg zurück gezogen.
L. hatte in dieser Stadt nicht einmal irgendein Mandant oder Amt bekleidet, warum muss dann mit Klarnamen über ihn berichtet werden?
Als ein früherer Stadtrat in seiner Funktion als Betreuer seinen Schützling wer weiß wie betrogen hatte und dafür mit Gefängnis bestraft wurde, hatte die MZ stets den Namen nur abgekürzt. Und L. soll jetzt überregional so bekannt sein, dass man namentlich berichtet? Gar bekannter als der mit öffentlichen und akademischen Ehren überschüttete, international tätige Putzgigant ?Dr.? Götz?!
Es ist übrigens nicht so, dass das ganze halt mal an einem Tag in der Zeitung steht. Denn die MZ hat die Artikel auch in ihrer Onlineausgabe. Und das Internet vergisst ja bekanntlich nichts. Wer also in Zukunft L. Namen googelt, findet die Artikel.
Sicher, was L. zu verantworten hat ist furchtbar und tragisch. Darüber befindet aber beizeiten ein Gericht. Was die MZ jedoch macht, ist eine dauerhafte Prangerselbstjustiz. Und die wirkt im Zweifel auch noch in 10 bis 15 Jahren. Das wünscht man wiederum auch keinem.
blauäugig
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Mein Mitleid mit Herrn L. hält sich in sehr engen Grenzen, zumal ich die Familie der Fahrerin des anderen Autos schon lange kenne.
Unerträglich von den bisherigen Kommentaren finde ich allerdings nur den von Matthias Beth. Denn auch Herr S. hat sich schon weitgehend aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.
Jens
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@Stefan Aigner
Würde die MZ auf kritische Fragen und Kommentare hin gelegentlich antworten (im Domratsch wie in Online-Foren) und Fehler einräumen, würde die MZ-Redaktion verantwortungsbewusster wirken.
Ohne sachl. Gegendarstellung seitens der MZ heißt die vorläufige Bewertung “Selbstherrlicher Machtmissbrauch”. http://www.regensburg-digital.de/zweierlei-persoenlichkeitsrecht/08072014/
Franzi Ferch
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Nicht nur die Presse hat manchmal Probleme mit der Darstellung von Persönlichkeitsrechten.
Warum sind öffentliche Personen plötzlich geheim oder gibt es indirekte ‘Geschichtsklitterung’ vom Amtswegen?
>Wahlen und Abstimmungen in Regensburg
Aufgrund einer Weisung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr dürfen aus Gründen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung der Kandidaten Wahlergebnisse nur noch eingeschränkt im Internet veröffentlicht werden. So dürfen beispielsweise die Namen unterlegener Kandidaten mit dem Ablauf der aktuellen Legislaturperiode nicht mehr erscheinen. Desweiteren haben auch gewählte Kandidaten ein Recht, auf Verlangen ihren Namen entfernen zu lassen. In der Folge ist somit beispielsweise eine Dokumentation vergangener Oberbürgermeisterwahlen nicht mehr möglich. Aufgrund dieser Vorgabe sehen wir uns leider nicht mehr in der Lage unser Wahlarchiv fortführen.
Wir bitten dies zu entschuldigen.<
http://www.statistik.regensburg.de/menue/informationen_u_zahlen.php