Zwei Rentner wollen per Floß ans Schwarze Meer
Eine Reise zur Entschleunigung: Mit einem Floß haben sich Josef Reindl und Hans Peter Binder am Mittwoch Richtung Schwarzes Meer aufgemacht. Unser Reporter hat sie ein kleines Stück begleitet.
Ein wenig ist Josef Reindl die Aufregung anzusehen. Mittwochmorgen. Der 65-Jährige steht am Yachthafen nahe Bad Abbach. Auf seinem blauen T-Shirt ein Anker, passend zu den kleinen Motorbooten hinter ihm im Wasser. „Wir müssen gleich los“, sagt er zu dem Mann hinter der Fernsehkamera. Letzte Fragen werden gestellt. Dann gibt es noch einen kurzen Kaffee mit Familie und Bekannten am Hafen-Imbiss auf der anderen Straßenseite. Man verabschiedet sich und Reindl steigt endlich auf sein Floß. „Pfiadi Opa, bis später“, ruft der Enkel dem Großvater zu. Dann beginnt die Reise.
Abschied mit dem Defiliermarsch
Schon in jungen Jahren plante Josef Reindl, ein Motorrad mit auf ein Floß zu nehmen und damit auf der Donau ans Schwarze Meer zu fahren. Über 45 Jahre ist das bereits her. Aber wie das so sei, „ist die Liebe dazwischen gekommen“. Dann die Kinder. Vor allem aber habe die Arbeit den früheren LKW-Fahrer davon abgehalten, seine Reise wirklich anzutreten. Die einst mit einem guten Freund gesponnene Idee dazu ließ Reindl aber nie los, hat sich im Hinterkopf festgesetzt. „Der Freund ist mittlerweile nicht mehr am Leben“, sagt er. So spiele das Leben. Doch er ist seit diesem Mittwoch tatsächlich auf der Donau – unterwegs zum Schwarzen Meer.
Bei der Ausfahrt aus dem kleinen Hafen dreht Reindl den Bayerischen Defiliermarsch kurz laut auf. Es solle schließlich eine „zünftige Verabschiedung“ werden, sagt er mit einem breiten Grinsen. Die Zurückgebliebenen winken noch ein paar Mal. Dann verschwinden sie hinter der Uferböschung und vor dem Floß offenbart sich das Donautal.
Zwölf Wochen treiben lassen
Acht bis zwölf Wochen plant Reindl aktuell für die Fahrt ein. Begleitet wird er dabei von Hans Peter Binder. Beide wollten sich vorab möglichst wenig festlegen, sich lieber von der Donau und der Reise treiben lassen. „Wenn es uns wo gefällt, dann bleiben wir da halt länger“, sagt Binder, während Reindl das Floß an Enten vorbei lenkt.
Gekannt haben sich die beiden Rentner vorher nicht. „Lustiger Weise haben wir in der gleichen Kaserne die Sanitäterausbildung der Bundeswehr gemacht“, erzählt Binder. Über einen Zeitungsartikel wurde er auf das Vorhaben aufmerksam. Er sei „eigentlich nicht so der spontane Typ“. Doch die Floßfahrt zum Schwarzen Meer habe ihn sofort gereizt und Binder gedacht, „da will ich mit“. Zumal Reindl einen Mitstreiter suchte. „Ich habe dann meine Kinder noch gefragt, ob die sich um meinen Haushalt kümmern würden.“ Dass die ihn in seinem Unterfangen sofort unterstützten, habe ihn sehr gerührt. Galt es nur noch, Reindl zu überzeugen, dass Binder der richtige Kajüten-Partner ist.
Und manchmal auf dem Sonnendeck…
Die besteht aus einem Stockbett, ein paar Regalen, einem Kühlschrank und einer kleinen Küchenzeile sowie allerhand Gerätschaften, die man auf so einer Reise eben brauchen kann. Zwei Angeln hängen an er Decke. Konserven und Schwimmwesten sind verstaut. Auch ein Funkgerät hängt bereit. „Die Nummer ist aber noch nicht freigeschaltet“, sagt Reindl. Die Post sei zu langsam.
Die Holzkajüte bildet die Mitte des Floßes. Darauf befindet sich ein Sonnendeck mit zwei alten Liegestühlen. Außerdem sind zwei Solarmodule montiert. Die liefern bei sonnigem Wetter den Strom für Batterien und einen E-Motor. Das erste Stück fährt Reindl aber noch mit einem klassischen Benziner. Der soll während der Reise nur da zum Einsatz kommen, wo der leistungsschwächere E-Motor zum manövrieren nicht ausreicht. Offiziell ist das Floß damit als Motorboot geführt. „Die Binnenschifffahrt erfordert die permanente Manövrierbarkeit und deshalb ist ein Motor Pflicht auf der Donau“, erklärt uns Reindl.
Eine Reise zum Entschleunigen
Ein Schwan zeigt kurzzeitig Interesse, dreht dann aber ab und zieht davon. Am Ufer winken ein paar Angler. Und im Hintergrund taucht ein Spargelfeld auf, auf dem gerade gearbeitet wird. Die Reise diene auch zur eigenen Entschleunigung, sagt Reindl. „Im Alltag geht es immer darum, dass man eigentlich keine Zeit hat. Alle sind permanent im Stress.“ Selbst als Rentner ertappe er sich dabei. Dem wollen die beiden Herren entfliehen – zumindest für ein paar Wochen.
Doch noch überwiegt auf den ersten Kilometern Richtung Regensburg die Aufregung. Immer wieder wechselt Reindl die CD, blättert in seinem Donau-Ratgeber. Darin seien etwa Tipps für schöne Biergärten oder gute Übernachtungsplätze zu finden. Aber auch viele andere nützliche Infos.
Die Grundausstattung fürs Floß gab’s umsonst
Im Herbst 2021 noch war überhaupt nicht absehbar, wann und ob überhaupt Reindl seine Reise wird machen können. Damals schrieb er mehrere Ponton-Bauer an. Die hätten auch recht schnell konkrete Angebote gemacht. Nur Frank Kuks nicht. „Mein Weihnachtsmann“, wie Reindl den Unternehmer nennt. Der baut mit seiner Firma Ufloat seit 2017 im lettischen Riga Pontons. Kuks habe sich erst einmal mehr für Reindls Vorhaben interessiert.
Beide schrieben mehrfach Mails hin und her. „Irgendwann wollte ich aber mal wissen was mich das kosten würde“, sagt Reindl. Und dann kam die alles entscheidende Nachricht. „Ich dachte zuerst, der Google-Übersetzer funktioniert nicht“, berichtet der 65-Jährige heute noch gern. Denn Kuks wollte Reindl die Grundausstattung schenken. Immerhin über 6.000 Euro würde er für die Spezialanfertigung normalerweise verlangen, sagt Kuks. Der ist zum Start der Reise extra angereist und begleitet mit uns Reindl und Binder ein Stück des Weges.
Stau an der Schleuse
Die Bauteile schickte Kuks vor einigen Wochen nach Bayern und Reindl fing an zu basteln. Dass Binder bei seiner Bewerbung für die Mitfahrt sofort seine Hilfe beim Zusammenbauen des Floßes anbot, das habe imponiert. Denn die anderen rund 20 Bewerber hätten „wahrscheinlich nur die Liegen oben auf dem Sonnendeck“ im Kopf gehabt, mutmaßt Binder. Die Chemie zwischen beiden habe sofort gestimmt, betont er. Sie hätten einen ähnlichen Humor. Dennoch dürften die nächsten Wochen auch zwischenmenschlich sicher interessant werden. Herausforderungen gehören unausweichlich dazu.
Das erlebt die Crew der Frank-Donava – benannt nach dem Floß-Spender – schon wenige Kilometer nach dem Start. Während Kuks in einem alten Bürostuhl die „einfach wunderschöne“ Aussicht genießt, versucht Reindl immer wieder vergeblich die Schleuse zwischen Bad Abbach und Regensburg telefonisch zu erreichen. „Mit dem Funk wäre das leichter“, merkt der Kapitän an. Auch ein Bekannter von Reindl, der ihn auf seinem Segelboot ein paar Tage begleiten wird, hat keinen Erfolg. Als wir dann ankommen, wird gerade ein Donaukreuzfahrtschiff abgefertigt. Die beiden kleinen Schiffe werden an der Kaimauer festgezurrt und die Crew verschafft sich erst einmal einen Überblick.
Der Mast bricht
Eigentlich würden sie gerne durch die große Schleuse fahren. Denn das Segelboot habe wohl zu viel Tiefgang für die parallel laufende Sportbootschleuse. Während das Kreuzfahrtschiff imposant am Floß vorbeizieht, steht dann aber bereits ein überlanger Schleppverband bereit. Und der hat Vorfahrt. „Neben dem ist kein Platz mehr für uns“, merkt Reindl an. Kurzerhand beschließt die Schwarzmeerflotte, doch den Weg durch die kleine Schleuse zu riskieren. Wir werden angewiesen, die Sportbootschleuse per Hand zu betätigen. Während die Mittagssonne die Haut brutzelt, drücken wir den roten Knopf und schließen so das untere Tor. Kurz darauf füllt sich die Schleuse. Das Segelboot fährt ein. Wir drücken weiter den Knopf. Das Wasser sinkt und das Schiff fährt aus.
Während die Schleuse wieder geschlossen und befühlt wird, kommt der Segelmast in der Ferne dann bedenklich ins Wanken und verschwindet plötzlich. Wie sich bald herausstellt, ist der Mast beim Versuch ihn umzuklappen, um unter einer Brücke durchzukommen, abgebrochen. Gemeinsam mit Reindl und Binder wird am Schleusenausgang die Werkzeugkiste zum ersten Mal auf der langen Reise ausgepackt.
Ponton-Markt Deutschland
Wir nutzen die Zeit und plaudern ein wenig mit Frank Kuks. Die Finanzkrise ab 2008 habe er deutlich gespürt und beinahe sein Unternehmen verloren. Später habe er dann angefangen, Pontons vor allem für Flöße zu bauen. Sein größter Markt sei Deutschland, wundert sich Kuks noch heute. Woran das genau liege könne er nicht sagen. Mehrere tausend Euro kosten die Bausätze, je nach Größe. Dass er nun Reindl seinen Lebenstraum erfüllen konnte, das freue ihn sehr. „Ich habe selbst schon das eine oder andere erlebt.“ Doch so etwas sei auch für ihn neu.
Bald ist der Mast notdürftig geflickt. Allerdings hat sich die Befürchtung bestätigt. Die Donau ist an dieser Stelle für das begleitende Segelschiff zu niedrig. Der Begleiter wird doch auf die große Schleuse warten müssen.
Jetzt gibt es das erste Pils
Die ganze Aktion hat doch einiges an Zeit gekostet. Doch da es von nun an etwas gemütlicher zugeht, fällt bei Reindl die erste Anspannung langsam ab. Er lässt Binder ans Steuer und kniet sich kurz neben Kuks, seinen Weihnachtsmann. Es ist ein emotionaler Moment. Die Donau voraus, liegen sich beide halb im Arm, klatschen sich ab und Reindl verreibt ein paar Tränen. „Das ist einmalig“, sagt er. Dann wird ein Pils geöffnet und man genießt die Landschaft an Bord der Frank-Donava.
In Sinzing gehen Kuks und der Autor von Bord. Reindl holt noch ein paar gekühlte Bier vom dortigen Hafen-Café. Und dann geht sie weiter die lange Fahrt zum Schwarzen Meer. Am Abend schickt uns Reindl dann ein Bild vom ersten Übernachtungsplatz. Mit am Tisch sitzt auch der Begleiter. Man hat wieder zusammengefunden.
Popeye
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schöne Sache. hatte schon den Artikel in der MZ dazu gelesen und war danach kurzzeitig auch schon versucht “anzuheuern”, da mich die gleiche Idee auch schon vor ein paar Jahren umgetrieben hatte.. freue mich für euch und wünsch euch viel Spass und tolle Erfahrungen. Da der Mastbruch ja schon hinter euch liegt, nun nur noch Schotbruch ;-)
Rudi
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Tuk-Tuk-Floß und Binnenschifffahrt, da kommt sicherlich zwiespältige Freude auf.
Vasco da Gama
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Gute Fahrt!