„Zeichen gegen Antisemitismus und Sozialdarwinismus“: Putzaktion für beschmierte Stolpersteine in Regensburg
Die Stolpersteingruppe, mehrere antifaschistische Gruppierungen und Einzelpersonen wollen am Sonntag die Stolpersteine putzen, die von unbekannten Tätern vergangene Woche beschmiert wurden.
Die Stadt Regensburg reagiert auf Farbattacke gegen Stolpersteine im Ostenviertel. Wie eine Sprecherin unserer Redaktion bestätigt, hat man nun zusätzlich zu den bereits laufenden Ermittlungen der Kriminalpolizei Strafanzeige erstattet.
Wie berichtet, wurden im Bereich Adolf-Schmetzer-Straße/ Weißenburgstraße/ Orleanstraße mehrere der Messingsteine mit silberner Farbe beschmiert. Weil die Stolpersteine, insgesamt gibt es über 270 davon in Regensburg, zum überwiegenden Teil an jüdische Bürgerinnen und Bürger erinnern, die in die Vernichtungslager nach Ostpolen verschleppt und dort ermordet wurden, wird bislang von einem antisemitischen Motiv ausgegangen.
Ermordete Jüdinnen und Juden und Opfer der „Euthanasie“-Morde
Getroffen hat es beispielsweise den Stolperstein für Theresa Behr, ein Opfer der „Aktion T4“, in deren Rahmen zwischen 1940 und 41 insgesamt 649 Menschen mit GEKRAT-Bussen von Regensburg nach Hartheim verschleppt und meist mit Kohlenmonoxid ermordet wurden. Sie waren zuvor als „unnütze Esser“ und „lebensunwertes Leben“ eingestuft worden, weil sie beispielsweise an Schizophrenie, Depressionen, erblicher Blindheit und Taubheit oder Chorea Huntington erkrankt waren.
Die „Aktion T4“ gilt als Beginn der nationalsozialistischen Massenvernichtungsindustrie im 3. Reich. Dokumentiert sind 70.273 Männer und Frauen, die durch die „Aktion T4“ den Tod fanden. In Regensburg fungierte das ehemalige Kloster Karthaus-Prüll als „Verwahrungsort“ für Regensburgerinnen und Regensburger, die von dort aus in das zur Tötungsstätte umgebaute Schloss Hartheim gebracht wurden. Eine von ihnen: Theresa Behr.
Sie wurde 1933 in die sogenannte Heilanstalt eingewiesen, blieb dort acht Jahre eingesperrt und wurde am 6. Juni 1941 von dort nach Hartheim „verlegt“ und noch am selben Tag ermordet. Sie wurde 52 Jahre alt. Ihren Stolperstein haben nun Unbekannte irgendwann zwischen dem 10. und 13. Dezember beschmiert.
„Serie ähnlicher Vorfälle in Regensburg“
Zwischenzeitlich haben sich mehrere antifaschistischen Gruppen, die Stolpersteingruppe und Einzelpersonen zusammengetan, um die Steine am kommenden Sonntag gemeinsam zu putzen. Man wolle damit ein „Zeichen gegen Antisemitismus und Sozialdarwinismus setzen“, heißt es in dem entsprechenden Aufruf, der derzeit verbreitet wird.
In Zeiten des virulenten Antisemitismus käme die Attacke auf die Stolpersteine nicht überraschend und reihe sich ein „in eine Serie ähnlicher Vorfälle in Regensburg“.
Im Rahmen der Reinigungsaktion werden Vertreterinnen der Stolpersteingruppe aus dem Leben der Verfolgten und Ermordeten erzählen, an welche die Stolpersteine erinnern. Damit will man explizit dem mutmaßlichen Ziel der Täter entgegentreten, das Gedenken an die Opfer anzugreifen und deren Leid zu verhöhnen. Der genau Beginn und Treffpunkt für die Putzaktion kann bei der Stolpersteingruppe erfragt werden.
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joey
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eine sehr gute Aktion.
Pflegewissenschaft
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Sehr gutes Engagement! Vielen Dank für die Berichterstattung!
Kleiner Hinweis….es muss GEKRAT-Busse heissen (euphemistisch für “Gemeinnützige Krakentransport Gesellschaft”). In einer aktualisierten Studie zu den Opfern aus den Sammelanstalten hat sich übrigens für Regensburg aktuell die Opferzahl 649 ergeben. (Quelle: Bayern Projekt 2024, noch unveröffentlicht).
Ich hoffe überdies, dass die Täter gefunden und bestraft werden. An Armseligkeit ist diese Beschädigung kaum zu überbieten.
Stefan Aigner
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Danke! Wird korrigiert.
Pflegewissenschaft
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Nachtrag: es muss auch in meinem Beitrag KraNkentransportgesellschaft heissen ;-) so ist es mit den Tippfehlern. Kaum kritisiert man sie, holen sie einen ein…