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Verfahren mit epischer Dauer am Landgericht

Zahnarztpfusch: Wie faul ist dieser Gerichtsgutachter?

Es ist – allein wegen seiner Dauer – ein recht einmaliger Fall: Ins sechste Jahr geht ein Verfahren um Zahnarztpfusch vor dem Landgericht Regensburg. Zu einem Gutteil hat das der gerichtlich bestellte Gutachter zu verantworten.

Martina Sperber hat seit 20 Jahren Schmerzen, für psychisch krank erklärt und elf Zähne verloren - die erhoffte Klärung vor Gericht nimmt epische Dimensionen an.

Martina Sperber hat seit 20 Jahren Schmerzen, für psychisch krank erklärt und elf Zähne verloren – die erhoffte Klärung vor Gericht nimmt epische Dimensionen an.

24.000 Euro – diese Summe musste die Rechtsschutzversicherung von Martina Sperber (Name geändert) bislang für die Tätigkeit eines gerichtlich bestellten Sachverständigen bezahlen. Doch ein brauchbares Gutachten liegt dem Landgericht Regensburg, wo Sperbers Zivilverfahren wegen Zahnarztpfusch mittlerweile ins sechste Jahr geht, bis heute nicht vor.

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Chronische Schäden durch “eingebildete” Schmerzen…

Wir haben mehrfach über Sperbers Fall berichtet. Seitdem ihr 1995 ein Zahn gezogen wurde, litt sie unter andauernden Schmerzen und Entzündungen. Im Lauf der Jahre war sie bei mehr als zehn Zahnärzten. Ihr wurde bescheinigt, sich die Schmerzen nur einzubilden, „psychisch instabil“ zu sein, ja gar unter dem „Borderline-Syndrom“ zu leiden. Im selben Zeitraum verlor sie elf Zähne. Erst 2012 wurde an der Uniklinik festgestellt, dass sie seit langem ein Loch in der Kieferhöhle hatte und dass sie an einer chronischen Knocheneiterung leidet, die auf einen lange andauernden chronischen Prozess schließen lässt. Ebenfalls dauerhaft geschädigt ist ihr Lymphsystem – Folge der ständigen Entzündungen.

Ein Gutachter betreibt Arbeitsverweigerung

Vor Gericht soll nun geklärt werden, wer dafür die Verantwortung trägt und ob Sperber dafür angemessen entschädigt wird – ihre Gesundheit ist ohnehin auf Dauer ruiniert. Doch das Verfahren zieht sich hin. Zunächst sorgte dafür die beklagte Zahnärztin und ein nachbehandelnder Zahnarzt. Beide weigerte sich zwei Jahre lang, die Patientenunterlagen von Martina Sperber herauszugeben.

Ein erstes Gutachten musste der gerichtlich bestellte Sachverständige deshalb – so wollte es das Gericht – ohne diese Unterlagen machen. Jetzt liegen diese Unterlagen vor – es wurden zwei weitere Ergänzungsgutachten erforderlich. Und nun lässt sich der Gutachter Zeit.

Vor über einem Jahr erhielt der Erlanger Professor für Zahnmedizin den Auftrag für das zweite Ergänzungsgutachten – die Unterlagen dafür hat er seit Oktober 2013. Doch vorgelegt hat er bis heute nichts.

Professor bejammert Arbeitsüberlastung

In der Vergangenheit hatte der Sachverständige die andauernden Verzögerungen mit Arbeitsüberlastung und privaten Problemen begründet – denn schon auf das erste Ergänzungsgutachten musste Sperber über ein Jahr warten. Dieses Mal ließ er eine Anfrage, die Sperbers Rechtsanwältin Alexandra Glufke-Böhm über das Gericht stellen ließ, kurzerhand unbeantwortet.

Glufke-Böhm hat jetzt das Gericht aufgefordert, den Sachverständigen von seinem Auftrag zu entbinden und ihm die Zahlung des Honorars zu verweigern.

Martina Sperber ist derweil in Regensburg vergeblich auf der Suche nach einem Zahnarzt, der sie weiterbehandeln würde. Ihr fehlen alle Zähne im linken und drei im rechten Oberkiefer. Sie bräuchte dringend Prothesen, um weitere Folgeschäden zu vermeiden. „Aber da traut sich keiner ran, aus Angst, sie würden dann für irgendwelche Schäden haftbar gemacht“, glaubt Sperber. Je mehr Behandlungen es gebe, desto schwerer sei festzustellen, welcher Arzt wofür verantwortlich ist. „Manche behandeln mich aber auch einfach, als ob ich einen an der Klatsche hätte.“

Betroffene muss sich außerhalb behandeln lassen

Damit bewahrheitet sich eine Befürchtung, die Sperbers Rechtsanwältin Glufke-Böhm schon vor geraumer Zeit in einem Interview mit Regensburg Digital geäußert hatte: „In unserer Kanzlei haben wir die Erfahrung gemacht, dass wir Patienten oft an einen Arzt von außerhalb verweisen müssen, weil es nicht mehr möglich ist, in Regensburg einen zu finden, der ihn behandelt, weil er schon irgendeinen Ruf hat.“ Sperber will sich jetzt an eine Praxis in München wenden. Das Verfahren will sie trotz aller Verzögerungen durchziehen: “Davon werde ich nicht wieder gesund, aber ich lasse mich nicht durch ständige Verzögerungen mürbe machen. Ich habe nichts verbrochen, sondern mir wurde Schaden zugefügt und das soll geklärt werden.”  

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Kommentare (4)

  • menschenskind

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    Wer bei der Zahnbehandlung Geld sparen will, exakter, wer etwa drei Viertel, dessen, was er in Deutschland zu berappen hätte, sparen möchte, der geht nach Polen.
    Klar gibt es auch dort Pfuscher, aber die guten Ärzte, die sprechen sich rum, die leisten echte Qualitätsarbeit und ich kann einen (oder mehrere) Besuch dort nur empfehlen.

    Deutschland baut pfundige Autos, Deutsche sind Weltmeister im Organisieren und Systematisieren, Deutsche haben auch sonst noch ein paar andere Qualitäten, nur sind die deutschen Zahnärzte eben zu überlaufen, zu überarbeitet und leider auch zu sehr am Reibach interessiert.

    Polen ist ein Super-Land. Mehr als dreißig mal war ich dort, kein einziges mal wurde ich beklaut oder hatte ich mit unvorhergesehenem Ärger zu tun. Polnisch kann man mit ein wenig Mühe und Geduld so leidlich gut erlernen (VHS-Kurse, Sprach-CD’s, Lehrbücher gibt es nahezu überall), dass man verstanden wird. Die polnische Speisekarte ist üppig und bunt, nahezu ein jeder findet rasch seine Lieblingsspeise.
    Polen bietet Kultur in jedem kleineren oder größeren Ort. Oft sprechen auch noch die Steine deutsch. Nichts macht mehr Spaß als mit netten polnischen Freunden auszugehen und sich bei einem Glas Bier über Weltpolitik oder über Sinn und Unsinn des Katholizismus (Polen ist nahezu flächendeckend katholisch, aber die jungen Leute denken vielfach sehr kritisch) zu unterhalten. Polen hat etwa die Fläche der BRD bei nur halb so großer Bevölkerung. Das bedeutet, das Land ist schön weit und man kann so richtig Landschaft und Natur genießen, etwa im Osten oder Südosten des Landes.

    Warum nicht einen Zahnarztbesuch mit einem Urlaub verbinden, in Polen, hm?

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  • Blauer Saphir

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    Kaum zu glauben, dass sich ein Verfahren solange hinziehen kann, zumal es sich ja offensichtlich um ein eigenständiges Beweisverfahren handelt, welches im Normalfall eine sehr viel kürze Verfahrensdauer hat.
    Um die Gesundheit eines Menschen scheren sich diese
    Herrschaften überhaupt nichts.
    Wie wäre es denn, wenn die beklagte Zahnärztin zu ihrem fehlerhaften Behandlungsmanagement stehen würde?
    Blauer Saphir

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  • Eduardo

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    Es ist nicht nur erschreckend, sondern auch die brutale Vorgehensweise der Verantwortlichen aus dem vorliegenden Fall aufnehmen zu müssen. Einerseits die Justiz, andererseits die Medizin: Schämen die sich überhaupt nicht?
    Die Justiz, die sich ja ganz gerne in Kommunal- und sonstigen Parlamenten herumtummelt und dort ihre Arbeitszeit, trotz Überlastung, verbraucht, hat dann keine Zeit sich schwieriger Fälle anzunehmen. Die zuständige Richterin hatte doch bestimmt Zeit § 198, Abs. 1 und 3 GVG durchzusehen und eine Verzögerungsrüge anzustreben, wenn dies auch antragsgemäß von der Anwältin vorzutragen gewesen wäre. Auch wäre zu überlegen gewesen, ob nicht mit einem saftigen Ordnungsgeld die Gutachterabgabe zu beschleunigen wäre. Und auch der Entzug des Gutachterauftrages macht hin und wieder Sinn.
    Auch die Ärzteschaft, die sich im Gutachterwesen offenkundig seit langer Zeit keinen guten Ruf zu erwerben gewillt ist, sollte sich gerade vor Gericht öffentlich verantworten müssen. Überforderung heißt doch nicht, dass man um jeden Preis (bitte wörtlich nehmen) jeden Gutachterauftrag übernehmen muss. Man hört, dass manche Ärzte richtig nach Gutachten gieren; und die Justiz macht da weshalb mit?
    Jeder Arzt hat den Hippokratischen Eid geschworen……………….und wenn ich ihn aber übertrete, so geschehe mir das Gegenteil!

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  • Gwynne

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    Es ist schon sehr übel, wie sich alle Ärzte und Rechtsvertreter der Verantwortung entziehen.
    Aber symptomatisch.
    Die medizinische Versorgung in Deutschland ist genauso schlecht wie in Zentral Afrika – es kommt auf dasselbe hinaus, ob es keinen Arzt gibt, oder ob kein Arzt bereit ist, einen Menschen zu behandeln.
    Die klassische empfohlene Schmerztherapie in Deutschland sind Schmerztabletten. Ohne nach den Ursachen zu suchen. Ohne darüber nachzudenken, welche Nebenwirkungen sie haben. Sogar ein Laie weißt, dass für den Magen, die Leber und die Nieren schädlich sind. Ein Arzt sollte noch mehr wissen, und dieses Wissen auch anzuwenden.
    Dieser Gutachter – da fehlen einem die Worte. Kann es wirklich sein, dass er noch Geld bekommt, für diese Schlamperei? Man sollte ihn eher strafrechtlich belangen.
    Zu dem „Reiseprospekt“ von „menschenskind – mal darüber nachgedacht, dass eine Frau, die Jahrzehnt an großen Schmerzen leidet, vielleicht nicht in Reisestimmung ist, oder gar nicht in der Lage zu verreisen? Es geht ja nicht um eine Schönheitskrone.

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