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Attacke nach geplatztem Heroin-Deal

Zäher Prozess um Raub im Drogenmilieu

Ein schwerer Raub im Regensburger Drogenmilieu wird derzeit vor der 7. Kammer des Landgerichts verhandelt. Hatte man nach einem (Teil-)Geständnis des 26-jährigen Angeklagten zunächst Hoffnung, den Prozess zügig abschließen und den Drogenabhängigen in einer Entzugsklinik unterbringen zu können, gestaltet sich der Verlauf sehr zäh.

Amar A. (2. v.l) mit Dolmetscher und seinen Verteidigern Jan Bockemühl und Philipp Janson. Foto: om

Der Zeuge müsse die Wahrheit sagen, aussagen müsse er allerdings nicht, „wenn er sich möglicherweise in die Scheiße reitet. Auf gut Deutsch.“ Erstmals präzisiert Richter Fritz Kammerer etwas verständlicher, was er vorher über eine halbe Stunde umständlich und ausufernd einem Zeugen bis dahin erfolglos zu erklären versucht hat. „Ich habe keine Ahnung, was er uns erzählen wird,“ sagt der Kammervorsitzende bereits am Vortag im Hinblick auf die Vernehmung des Geschädigten. Am Ende wird Marcel P. sich inhaltlich gar nicht äußern. „Sie haben das jetzt so breitgetreten, ich möchte dazu nichts mehr sagen“, sagt er in Richtung Kammerer.

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Der Geschädigte schweigt

Dabei wäre die Aussage P.s am Mittwochvormittag von großer Bedeutung. Soll er doch im Juli 2020 in Regensburg zum Opfer eines Raubes und einer Körperverletzung geworden sein. Der Angeklagte Amar A. soll ihn im Bereich der Hemauer Straße mit einem Ast oder Stock geschlagen und eine Tüte mit Medikamenten entwendet haben. Angeklagt ist diese Tat als schwerer Raub mit Körperverletzung. A. sitzt deshalb bereits seit über sieben Monaten in Untersuchungshaft.

Dass P. nicht aussagen will, liegt vor allem an Verteidiger Professor Dr. Jan Bockemühl, der schon am ersten Verhandlungstag ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht des Zeugen (nach § 55 Strafprozessordnung) ins Spiel gebracht hat. Gemäß der „Mosaiktheorie“, der sich mehrmals auch schon der BGH angeschlossen hat, könne ein Zeuge bereits dann die Aussage verweigern, wenn bestimmte dargelegte Umstände ihn der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen würden. Hierzu könne auch schon gehören, zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort gewesen zu sein. Es gehe ihm um Rechtsstaatlichkeit, so Bockemühl. Den damit verbundenen Vorwurf lässt Kammerer nicht gelten: „Ich bin persönlich sehr mimosenhaft manchmal.“ Er verbitte sich die Andeutung, es ginge bei ihm nicht rechtsstaatlich zu.

Kein Geld, kein Heroin – dann wenigstens Tabletten

Der Hintergrund der ganzen Auseinandersetzung: Die angeklagte Tat spielte sich im Regensburger Drogenmilieu ab. Amar A. räumt am Dienstag per Verteidigererklärung die Vorwürfe gegen ihn weitgehend ein. Allerdings stellt er in den Raum, dass er Marcel P. Geld in Erwartung von Heroin gegeben habe. Als ihm dieser kein Heroin beschafft habe, sei er sauer geworden, habe den erfolglosen Dealer geschlagen und dessen frisch aus der Apotheke geholte Lyrica-Tabletten als „Pfand“ an sich genommen. Wenn schon kein Geld und kein Heroin, so doch wenigstens die Tabletten.

Dass der zunächst aussagebereite und zunehmend durch den juristischen Kladderadatsch eingeschüchterte und verunsicherte P. dann doch nicht aussagen muss, liegt am Vorwurf A.s vom geplatzten Heroindeal. Das würde den Zeugen zweifellos der Gefahr einer Strafverfolgung aussetzen. Auch ein vom Angeklagten ins Spiel gebrachter Angriff mit einer Glasflasche vor der späteren Raubtat. P. soll vor seinem Gang in die Apotheke A. eine Flasche über den Kopf gezogen haben. Nach knapp einer Stunde kann der Zeuge wieder gehen, ohne inhaltlich etwas zur Fallaufklärung beigetragen zu haben.

Eigentlich sah es nach kurzem Prozess aus

Überhaupt gestaltet sich der Prozess, für den ursprünglich zwei Tage angesetzt waren, sehr zäh. Dabei sah es zunächst nicht danach aus. Bereits vor der Beweisaufnahme konnten wesentliche Eckpfeiler des Verfahrens abgesteckt werden. Es gab sogar die Hoffnung von Verfahrensbeteiligten ganz ohne Zeugen auskommen zu können. Für Bockemühl reichen die (eingeräumten) Vorwürfe zu einer Verurteilung, Staatsanwältin Lisa Kroher signalisiert einen minder schweren Fall mit entsprechender Strafrahmenverschiebung anzunehmen – sie nimmt vorweg, drei bis dreieinhalb Jahre Haft zu fordern. Das Gericht erteilt einen Hinweis, dass bei Verurteilung eine Unterbringung des drogensüchtigen Angeklagten in eine Entzugsklinik in Betracht komme.

Der psychiatrische Gutachter Dr. Johannes Schwerdtner bescheinigt am Mittwoch dem einige Male bereits wegen Beschaffungskriminalität vorbestraften A. eine Drogenerkrankung und Intoxikation während der Tat, die auch zu einer verminderten Schuldfähigkeit führen. Nach § 64 Strafgesetzbuch spricht er sich für die Unterbringung in eine Entziehungsanstalt aus. Bereits der Verteidigererklärung zu Beginn ist zu entnehmen, dass auch A. diese Maßnahme – so schnell wie möglich – bevorzuge. Er habe großes Interesse an einer Therapie.

Zeugenaussagen bringen keine Aufklärung

Weil Richter Kammerer in der zeitlichen Abfolge der Tat noch Unklarheiten sieht, werden trotz eines anfänglich greifbar scheinenden raschen Verfahrensabschlusses elf Zeugen – überwiegend Polizeibeamte – vernommen. Zum eigentlichen Verlauf der Tat können alle wenig beitragen. Denn bereits die Angaben kurz nach dem Angriff sind widersprüchlich, unvollständig und nicht miteinander in Deckung zu bringen. Es ist auch nicht vollkommen klar, ob überhaupt von einem Raub auszugehen ist beziehungsweise, ob A. die Tabletten dem Geschädigten entrissen oder nur als „Zufallsprodukt“ mitgenommen hat.

Eine Zeugin, die zur Tatzeit gemeinsam mit A. unterwegs war, muss zumindest große Teile der Auseinandersetzung mitbekommen haben. Doch sie macht auch infolge ihres eigenen Drogenkonsums und Entzugs große Erinnerungslücken geltend. Mit ihrem Aussageverhalten scheint sie ihren damaligen Freund schützen zu wollen. Denn dass es bei der Auseinandersetzung zwischen A. und P. um „Sachen, die dem einen gehören und die dem anderen gehören,“ ging, sagt sie erst auf genauere Nachfrage des Gerichts. Der 26-Jährige habe P. die Lyrica-Tabletten aus der Hand genommen.

Verteidiger verpasst eine lukrative Wette

Noch bevor die Zeugin erscheint, macht Richter Kammerer deutlich, dass er sie nicht besonders ernst nehmen wird. Er stellt sogar eine Wette mit Verteidiger Bockemühl in den Raum, ob sie überhaupt erscheine. Da könne der Anwalt viel Geld gewinnen. Als die Zeugin schließlich entlassen wird, gibt ihr Kammerer auf den Weg: „Ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass Sie kommen.“

Eine verlässlichere Klarheit erhofft man sich vom einzigen „neutralen Zeugen“, der die Tat beobachtet haben soll. Doch dieser kann aufgrund einer Covid19-Erkrankung derzeit nicht vor Gericht aussagen. Man rechnet mit einer Vernehmung am Donnerstag nächste Woche. Dann könnten auch Plädoyers und das Urteil gegen den 26-Jährigen folgen.

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