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Über 200 Fälle

Wucher und Betrug im Bandenstil: Anklage gegen „Handwerker-Engel“ vor dem Landgericht Regensburg

Fast 3.000 Euro für die Reinigung einer Couch, über 2.000 Euro für den Schlüsseldienst, Handwerker, die Kunden massiv bedrängen, kassieren und keine Leistung erbringen. Vor dem Landgericht Regensburg stehen vier Angeklagte, die über ein Konglomerat an internetseiten, Telefonnummern und teils erfundenen Firmen hunderte von Verbrauchern abgezockt haben sollen.

Stabnd seit Jahren im Fokus von Verbraucherschützern, jetzt vor Gericht: “Handwerker-Engel” Thomas M. Foto: as

Im April 2019 erlebte Herr Bauer einen Albtraum: Beim Aufsperren seiner Haustür brach der Schlüssel ab. Schnell fand er über Google einen Schlüsseldienst, der zwei Monteure zu seiner Wohnung in Bremen schickte. Nach einer halben Stunde Arbeit präsentierten sie ihm eine Rechnung über schockierende 2.132,48 Euro. Da er nicht so viel Bargeld zur Hand hatte, drängten die Männer ihn, sofort zum Geldautomaten zu fahren. Als er auch dort nicht genug abheben konnte, überwies er den Betrag per Online-Banking. Ein späterer Vergleich zeigte: Ein seriöser Schlüsseldienst hätte für dieselbe Leistung nur etwa 135 Euro verlangt.

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Im Mai 2020 suchte Herr Maier aus Stadthagen über Google einen Notdienst, um einen Wasserschaden in seiner Küche zu beheben. Ein Monteur erschien zum vereinbarten Termin und erklärte, er müsse erst Material besorgen, um die Reparatur am nächsten Tag durchzuführen. Die Kosten von 1.072,78 Euro musste Herr Maier vorab bezahlen. Den Monteur sah er nie wieder, ebenso wenig sein Geld.

Ende 2021 suchte Herr Schmidt im Internet nach einer Firma in seiner Heimatstadt Kerken, die seine Couch reinigen sollte. Zum vereinbarten Termin erschien ein Monteur, der die Couch jedoch stark beschädigte. Trotzdem sollte Herr Schmidt 2.847,07 Euro bezahlen. Als er dies verweigerte und die Polizei rief, flüchtete der Handwerker. Ein später eingeholtes Vergleichsangebot einer anderen Firma ergab: Die Reinigung hätte nur 240 Euro gekostet.

„Handwerker-Engel“: Call-Center mit 10.000 Nummern, Netzwerk mit teils erfundene Firmen

Diese drei Betroffenen, bei denen wir die Namen geändert haben, sind nur ein kleiner Ausschnitt aus insgesamt 212 Fällen von versuchtem und vollendetem Betrug, mit denen sich seit Donnerstag die fünfte Strafkammer am Landgericht Regensburg beschäftigt. Im Zentrum der Ermittlungen steht der 56-jährige Regensburger Thomas M. Als „Handwerker-Engel“ soll er ein weitreichendes Netz aus teilweise erfundenen Firmen und Internetseiten zu Themen wie Rohrreinigung, Glasnotdienst, Schlüsseldienst und Schädlingsbekämpfung betrieben haben, um hunderte von Betroffenen abzuzocken. Mit überhöhten Preisen, illegalen Stornogebühren und nicht oder mangelhaft erbrachten Leistungen.

Laut Anklage ging er mit einem Call-Center auf Kundenfang, zu dem Betroffene über hunderte von Internetseiten gelockt wurden, die den Eindruck erweckten, es handle sich um lokale Handwerksbetriebe. Bis zu 10.000 Telefonnummern sollen er und seine Mitangeklagten, zwei Männer und eine Frau, dafür genutzt haben.

Ein Leitfaden soll die Callcenter-Mitarbeiter angewiesen haben, am Telefon keinerlei Preise zu nennen. Pro Tag gingen laut Anklage etwa 2.000 Anrufe ein, die zu durchschnittlich 600 Aufträgen führten. Vor diesem Hintergrund dürften die 212 angeklagten Fälle nur die Spitze des Eisbergs darstellen.

Subunternehmer aus dem Drogenmilieu

Von den oft unqualifizierten Handwerkern, die über Subunternehmen teilweise aus dem Drogenmilieu bis hin zum Remmo-Clan angeworben worden sein sollen, kassierte das Callcenter für die Auftragsvermittlung laut Anklage Provisionen von bis zu 65 Prozent. Einem Kunden, der sich im Nachhinein am Telefon beschwerte, soll ein Monteur entgegnet haben: „Es gibt kein Geld zurück. Wenn ihr Idioten uns auf den Leim geht, seid ihr selber schuld. “

Die Anklage lautet auf banden- und gewerbsmäßigen Betrug sowie Wucher. Angesichts der Vielzahl von Fällen benötigte Staatsanwalt Wolfgang Schirmbeck zweieinhalb Stunden, um sie zu verlesen. Da Gespräche zu einer Verständigung im Vorfeld gescheitert sind, müssen nach aktuellem Stand sämtliche Fälle vor Gericht behandelt werden. Einen Deal, der maximal eine Bewährungsstrafe gegen ein Geständnis beinhaltet hätte, schlug insbesondere der Hauptangeklagte aus. Vor diesem Hintergrund sind aktuell über 40 Verhandlungstage bis Oktober angesetzt.

Hauptangeklagter bestreitet alle Vorwürfe

Der Hauptangeklagte Thomas M. saß zu Beginn der Ermittlungen im Sommer 2022 drei Monate in Untersuchungshaft. Über seinen Strafverteidiger Michael Haizmann bestreitet er alle Vorwürfe. Der 56-Jährige, ehemals stellvertretender Chef der Wählervereinigung CSB, steht mit seiner Firma „Handwerker-Engel“ bereits seit Jahren bei Verbraucherschützern und seriösen Handwerkern in der Kritik.

Berichte über seine Machenschaften erschienen unter anderem in der BILD, im Focus, im ARD-Magazin plusminus und bei Kabel Eins. Dort, persönlich mit den Vorwürfen konfrontiert, ließ M. den Abzocke-Experten Peter Giesel wissen, er „labere Scheiß“.

Der nächste Verhandlungstag ist für den 13. März angesetzt. Dann will sich Thomas M. persönlich zu den Vorwürfen einlassen. Auch die Anwälte der vier anderen Angeklagten, Prof. Dr. Jan Bockemühl, Dagmar Ciccotti, Dr. Florian Münch und David Hölldobler, haben angekündigt, dass ihre Mandanten sich äußern werden.

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Kommentare (3)

  • Dieter

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    Das ist wohl einer der seltenen Fälle in dem die Drahtzieher nicht im Ausland sitzen oder sich dahin abgesetzt haben.
    Berichte über betrügerische Dach- und Einfahrtreinigung, Schlüsseldienste usw. gab es ja schon einige – mit “Gewinnspannen” im 2-3-stelligen Millionenbereich.

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  • Giovanni Bavarese

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    Es gibt einige solche Banden- viel findet man bei kleinanzeigen.de, dort agieren sie wohl aber aus dem Ausland.

    Sie benutzen Handynummern aus ganz Europa um sich damit mail-Adressen zu erstellen und damit wiederum paypal-Accounts. Außerdem nutzen sie gehackte Konten. Dann werden über mehr oder weniger gut gemachte tausendfach erstellte betrügerische Anzeigen Kunden gefangen. Die Beträge meist im dreistelligen Bereich.

    Die meisten Opfer schämen sich, machen nichts, manche erstatten Anzeige.
    Die Polizei ist ziemlich machtlos oder unengagiert, wie mir ein Polizeibeamter am Telefon erzählte- einen Kollegen von ihm habe es auch erst erwischt.

    Das ist ein riesiger unbehelligter krimineller Haufen mit Milliardenumsätzen (geschätzt). Interessant dass hier jemand erwischt wurde. Ihre Einlassungen sind sicher sehr amüsant, bitte dran bleiben.

    Ich frage mich, woher die Gangster die vielen Telefonnummern haben, das ist nicht ganz kostenlos. Und wieso die Polizei hier nicht mit mehr Mannstärke auffährt und die Gesellschaft solche Kriminalität achselzuckend hinnimmt obwohl das Internet schon lange kein rechtsfreier Raum mehr ist.

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  • Andy

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    Weil unsere Polizei lieber Kindern verfolgt und DNA Tests anordnet wegen ein paar Kreidestrichen.

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