„Schmutzkampagne gegen einen unbequemen Zeugen“
Nach der Ankündigung der Verteidiger des derzeit vor Gericht stehenden Baulöwen Volker Tretzel, ihn wegen des Verdachts einer Falschaussage anzuzeigen, schlägt CSU-Stadtrat Christian Schlegl zurück. Er spricht von einer „Schmutzkampagne“ und droht nun seinerseits damit, den Strafverteidiger Dr. Florian Ufer wegen falscher Verdächtigungen anzuzeigen. Die Verteidigung versuche, vom Offensichtlichen abzulenken.
Christian Schlegl ist sauer. In einer Erklärung, die der CSU-Stadtrat, Zeuge im Wolbergs-Prozess und selbst im Fokus von Ermittlungen wegen auffälliger Spenden, heute über seinen Rechtsanwalt Dr. Konrad Brenninger verbreiten ließ, ist von einer „Schmutzkapagne gegen unbequeme Zeugen“ die Rede, von „persönlichen Angriffen“ und davon, dass er sich eine Strafanzeige gegen Dr. Florian Ufer, der die Federführung der Verteidigung des Bauträgers Volker Tretzel inne hat, vorbehalte.
Schlegls Stellungnahme ist eine weitere Station in der Regensburger Korruptionsaffäre, die nicht nur vor Gericht geklärt werden soll, sondern bei der die Auseinandersetzung auch gezielt im politischen und öffentlichen Raum geführt wird. Diese Motivation räumt Schlegls Rechtsanwalt auf Nachfrage auch offen ein. „Mein Mandant ist durch die gezielte Weitergabe von Ermittlungsakten schon genug durchs Dorf getrieben worden“, so Konrad Brenninger zu unserer Redaktion. „Er macht jetzt öffentlich deutlich, dass man als Zeuge nicht Freiwild ist und er sich wehren wird.“
Wolbergs-Verteidigung unterstellt politische Motivation der Staatsanwaltschaft
Bislang waren es vor allem Joachim Wolbergs und dessen Verteidiger, die mit scharfen öffentlichen Erklärungen abseits juristischer Fragen nach außen gingen. Beispielhaft dafür ist die gestrige Presseerklärung von Peter Witting und Jutta Niggemeyer-Müller anlässlich der Anklage gegen Joachim Wolbergs wegen Bestechlichkeit im Fall Thomas Dietlmeier (Immobilien Zentrum Regensburg).
Darin kritisieren die beiden Rechtsanwälte nicht nur die „unerträgliche Verfahrensführung der Staatsanwaltschaft Regensburg“. Sie unterstellen den Ermittlungsbehörden zumindest implizit auch eine politische Motivation, wenn sie unter anderem schreiben, dass „dieses Vorgehen dem Ziel (dient), die vorläufige Suspendierung des Oberbürgermeisters durch bloßen Zeitablauf in eine endgültige Entfernung aus dem Amt zu überführen“.
Auch Schlegls Aussage soll politisch motiviert sein
Eine politische Motivation unterstellen die Verteidiger im aktuell laufenden Prozess um den Baumagnaten Volker Tretzel auch CSU-Stadtrat Christian Schlegl, der manchen als wichtiger Belastungszeuge gegen Wolbergs beim Komplex SSV Jahn gilt. Seine Schilderung eines Gesprächs mit SPD-Fraktionschef Norbert Hartl am Rande einer Aufsichtsratssitzung des Fußballvereins (Von Schlegl kolportierte Bemerkung Hartls: „Der Tretzel muss das Grundstück kriegen, weil der Jahn Geld braucht.“) war mit ein Auslöser für die Ermittler, Tretzels finanzielles Engagement beim Jahn genauer unter die Lupe zu nehmen und in Zusammenhang mit der Vergabe des städtischen Nibelungenareals an den Bauträger zu stellen.
Bereits bei seiner Vernehmung am 4. Oktober hatten die Verteidiger der vier Angeklagten Schlegl ordentlich in die Zange genommen, so dass er sich stellenweise in Widersprüche verstrickt und Daten durcheinandergebracht hatte. In anschließenden Erklärungen zogen vor allem Peter Witting und Tretzel-Anwalt Dr. Florian Ufer Schlegls Glaubwürdigkeit massiv in Zweifel.
Zum vorläufigen Abschluss des Themenkomplexes SSV Jahn am vergangenen Dienstag kündigten die Tretzel-Verteidiger im Rahmen eines umfangreichen Beweisantrags schließlich an, Strafanzeige gegen Christian Schlegl zu erstatten, wegen des Verdachts der Falschaussage. Es ging darum, ob Schlegl für seinen Wahlkampf Spenden vom Immobilien Zentrum Regensburg bzw. dessen Eigentümer Thomas Dietlmeier erhalten habe. Schlegl hatte dies mit den Worten „Es gab hier keine Spenden an die CSU“ verneint. Das sei falsch, heißt es in dem Antrag der Tretzel-Verteidiger, in dem unter anderem eine Spende Dietlmeiers für den Wahlkampf von CSU-Kreischef Franz Rieger und an die CSU Obertraubling als Beleg genannt wird.
“Taktisch leicht durchschaubares Manöver”
Nun schlägt Schlegl zurück. Mit Blick auf seine Zeugenaussage spricht er von „einer polemischen Vernehmungsart hochbezahlter Münchner Rechtsanwälte“. Er habe zu den Vorkommnissen rund um die Vergabe des Nibelungenareals zwar „nach besten Wissen und Gewissen“ ausgesagt, sei aber über die „teils persönlichen Angriffe des mehrköpfigen Verteidigerteams“ dennoch nicht verwundert gewesen. Die behauptete Falschaussage sei „wohl Teil einer Schmutzkampagne gegen einen unbequemen Zeugen“, die angekündigte Strafanzeige ein „taktisch leicht durchschaubares Manöver“. Schlegl:
„Ich weise dieses Verteidigergebaren ausdrücklich als unsachgerecht zurück. Ferner behalte ich mir vor, eine Strafanzeige wegen falscher Verdächtigung gem. § 164 StGB zu erstatten, sofern Herr RA Dr. Ufer in der Tat Strafanzeige gegen mich erstattete.“
Schlegl verweist darauf, dass er sich bei seiner Aussage ausschließlich auf seinen Wahlkampf bezogen habe. „Denn weder auf dem CSU-Kommunalwahlkampfkonto noch auf meinem Privatkonto gingen Spenden von Herrn Dietlmeier persönlich oder von einer Firma des Immobilienzentrums ein.“ Erst durch das Ermittlungsverfahren gegen sich selbst sei ihm der Vorwurf bekannt, „dass es mittelbare Unterstützungen des IZ gegeben haben könnte, deren konkrete Ausgestaltung mir bis zur Akteneinsicht in meine Ermittlungsakten selbst nicht bewusst waren“. Zur Erläuterung: Es geht hier um den Verdacht, dass Gelder für den Schlegl-Wahlkampf über Scheinrechungen an den Verein „Bürger für Regensburg“ geflossen sein sollen. regensburg-digital hat mehrfach darüber berichtet.
“Irreführende Agitation”
Diese Sachverhalte hätten aber mit der „Causa Wolbergs“ rein gar nichts zu tun, bekräftigt Schlegl. „Aus meiner Sicht wird daher wider besseren Wissens irreführend für die Öffentlichkeit aus Aktenteilen gegen mich persönlich agitiert, einzig um mich zu diffamieren und von der eigentlichen Hauptsache – den Tatvorwürfen gegen die Angeklagten des sog. Wolbergs-Prozesses – abzulenken und meine Glaubwürdigkeit zu erschüttern.“
Die wahre Intention der Verteidigung sei es, zu suggerieren, dass die CSU sich wegen möglicher Spenden des Immobilien Zentrums gegen die Vergabe des Nibelungenareals an Tretzel gewandt hatte. Tatsächlich hatte die CSU-Fraktion im Stadtrat damals für eine Vergabe an drei Bewerber plädiert: Tretzel, eine Baugenossenschaft und eine Bietergemeinschaft, an der auch das IZ beteiligt war. Bei Schlegls Vernehmung am 4. Oktober hatte unter anderem der Verteidiger des Mitangeklagten Franz W., Dr. Markus Birkenmaier, in den Raum gestellt, dass diese Beteiligung des IZ der eigentliche Grund für den CSU-Vorschlag und deren anschließende Rechtsaufsichtsbeschwerde gegen die Vergabe an Tretzel gewesen sein könnte.
Die Kontrahenten sehen sich bald wieder vor Gericht
Schlegl kontert dagegen, dass die CSU-Fraktion sich strikt an die Vergabe nach dem Prinzip des jeweils Bestplatzierten – niedrigste Miete bzw. niedrigster Verkaufspreis bei Eigentumswohnungen – gehalten habe. Bei der IZ-Bietergemeinschaft sei der Verkaufspreis mit 3.300 Euro pro Quadratmeter der geringste gewesen. In Schlegls Augen mache das Vorgehen der Verteidigung deren Widersprüchlichkeit deutlich, „der CSU unterstellen zu wollen, sie bevorzuge bei einer Spende einen Bewerber, während sie bei den Herren Wolbergs und Tretzel trotz immenser Spenden von ca. 500.000 € der Öffentlichkeit vorführen möchte, dass diese keinerlei Auswirkung auf die Vergabe gehabt hätten“.
Die Verteidiger von Volker Tretzel und der Zeuge Christian Schlegl werden sich bald auch wieder dort wiedersehen, wo diese Vorwürfe tatsächlich geklärt werden – vor Gericht. Am 13. November ist Schlegl zum “Komplex Spenden” erneut geladen. Der zweite Zeugen an diesem Tag: IZ-Gründer Thomas Dietlmeier.
Franz Krause
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Catch-as-catch-can à la Regensburg
Auch a Regensburger
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Bin sehr gespannt was der Prozess noch bringen wird. Hervorragend, dass hier noch sehr Verhandlungsrunden anstehen. Jetzt wird auch noch der CSU und SPD Krieg öffentlich ausgetragen.
Unabhängig ob und welche strafen ausgesprochen werden, legt der Prozess immer mehr da, welche Intrigen, Machenschaften und umfangreiche Mitwisserhschaften es gibt.
Jahn Personen die den Braten gerochen haben müssen. Verwaltung implizit leitendes Personal hat mitgemacht oder zumindest geschwiegen, SPD und CSU – warum Hinterfrägt keiner warum diese exorpitant hohen Spenden eingegangen sind, Tretzel, Immozentrum.
Und dann leiden wohl einige am Jan Ulrich Syndrom. Weil das Vorgehen (Betrug) Gang und Gebe war Gäbe war, braucht man doch kein schlechtes Gewissen haben. Weil das Umfeld seid Jahren viel schlimmeres Vorgehen betrieben hat (unsterstell ich mal einfach so bei x-tausend € pro Monat für eine Beraterfunktion)
Regensburger
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Mit steigendem Interesse verfolge ich Tag für Tag die prozessbegleitenden Protokolle von Stefan Aigner. Ab und an lese ich natürlich auch Berichte und Kommentare der örtlichen und überregionalen Medien zum gleichen Thema, um mir ein objektives Bild machen zu können.
Stefan Aigner schneidet in meiner Bewertung mit Abstand am besten ab und ich darf an dieser Stelle alle Leser von RD auffordern, ihm nicht nur ideelle Unterstützung zu gewähren.
Wäre dieser Prozessmarathon nicht auch eine einmalige Gelegenheit für die politische Bildung unserer Schüler ? Hier kann der junge Heranwachsende live mitverfolgen, wie die Judikative versucht, auf der Grundlage der von der Legislative vorgegebenen Rahmenbedingungen die Handlungsweisen der Regensburger Politik und (Bau-)Wirtschaft zu bewerten.
Schüler und Lehrer nehmt die Gelegenheit wahr, im Rahmen euerer politischen Bildung zumindest einen halben Tag den Wolbergs-Prozess im Gerichtssaal zu verfolgen.
highwayfloh
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@Regensburger:
Volle Zustimmung! Sehr gut formuliert und kund getan! Danke dafür!