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wohnen, sitzen, glauben

.Berliner Luft II – Exil-Regensburger stellen im Kunst-und Gewerbeverein ihre Werke aus. Zugegeben, die Überschrift lässt einen Regensburg/Pentling-Papst-Bezug vermuten, aber weit gefehlt. Die Verben „wohnen“, „sitzen“ und „glauben“ sind der Titel für die zweite Schau Berliner Exil-Regensburger im Kunst- und Gewerbeverein. Zeigten vor einem Monat „ältere Semester“ ihre Arbeiten, so dürfen diesmal die Jungen ran, darunter Annette Beisenherz und Philip Wiegard aus Regensburg, die mit ihren Künstlerfreunden eine Ausstellung der extremen Kontraste zusammengestellt haben. Dekoratives, Verstörendes und scheinbar Zusammenhangloses. Beim Gang über das knarrende Parkett der Schauräume in der Regensburger Ludwigstraße habe man immer die Worte „wohnen“, „sitzen“ und „glauben“ im Hinterkopf, dann eröffnet sich nicht nur für jedes gezeigte Werk eine Interpretations-Perspektive, dann erschließt sich auch in der Zusammenschau ein Sinnfälligkeit.
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„Berliner Luft“, das ist die heimliche Hymne der Hauptstadt (Schlager aus der Operette Frau Luna), „Berliner Luft“, das ist ein köstliches Dessert (fruchtige Abwandlung der Creme Bavaroise) und „Berliner Luft“, das war eine beachtenswerte Kunstausstellung von Malern und Bildhauern aus der Bundeshauptstadt in den Regensburger Räumen des Kunst- und Gewerbevereins. Wochenblatt digital hatte es schon im Februar angekündigt, dass ein neuer Schwall frischer Luft aus dem Märkischen Sand gen Oberpfalz ziehen wird, und nun ist sie das, die Kunstbriese. Annette Beisenherz zeigt mit teils monumentalen Lithografien (Madonnen des 21. Jahrhunderts) und dreckigen Großstadt-Fotos einen weiten Spagat. Weisen die Madonnen eindeutig Chagall-Duktus auf und geben sie sich – scheinbar – „User-freundlich“, so ändert Beisenherz ihre Handschrift mit „gesammelte Wünsche 2003 – 2006“ radikal. Die unglaubliche Bandbreite der jungen Künstlerin mit Theaterhintergrund, Jahrgang 1971, ist in „wohnen, sitzen, glauben“ nicht komplett zu ersehen, frühere Ausstellungen in Regensburg und ein Besuch auf www.annettebeisenherz.de machen deutlich, Annette Beisenherz’ Bildsprache ist vielfältig, reich und immer wieder überraschend. Beisenherz erfüllt nie Erwartungen, sie überrascht und verblüfft immer aufs neu. Gut so! Kunst muss unberechenbar bleiben. Der Sohn des Regensburger Wirtschaftsweisen Wiegard, Philip, 1977 in Schwetzingen geboren, hat in penibler Kleinst- und Fleißarbeit das Berliner Bode-Museum aus Fotografien im Modell nachgebaut. Der Kunstbau als Kunst, das Museum als Ort des Glaubens – der Kunsttempel. Um Kultisches geht es auch bei den anderen beiden Arbeiten Wiegards. Der Fetisch-Schuh „Nike Air“ als Plastik an der Wand versinnbildlicht den Verehrungs-Status, den Dinge genießen. Der Einkaufswagen mit „Heiligenschein“, wenn man die Installation denn so nennen will, macht auch dem Letzten (und leider auf etwas vordergründige Art) klar, Kunst ist Kommerz und Kommerz ist Kunst. Das Warhol-Zitat, „früher ging man ins Museum, um Schönes zu sehen, heute geht man ins Kaufhaus“, wird lakonisch illustriert. Wuchtig, archaisch und roh geben sich die Glas-Holz-Beton-Skulpturen von Wilken Skurk (1966 in Dresden geboren), die an Totems und Throne erinnern. Die Verbindung unterschiedlichster Materialen, kontrastreich ineinandergeschachtelt, unterstreicht die Härte der einzelnen Werkstoffe. Kompromisslosigkeit, Strenge und Starrheit kennzeichnet die Plastiken Skurks, ganz im Gegensatz zu den Papierarbeiten von der 1971 geborenen Nadja Schöllhammer, die graphische und illustrative Papierarbeiten zeigt. Zurückhaltend gibt sich der kleinformatige Bilderzyklus, fast privat Hingekritzeltes wie von Beim-Telefonieren-Herzchen-Maler, eine Bildergeschichte, spontan, verspielt, chiffriert. Raumgreifend gerät ihre Wandinstallation, bevölkert von Fabelwesen und Fantasie-Pflanzen, mit feinem Strich grafiert, saubere Scherenarbeit, ein wirkungsvoller Hingucker. Die Strenge der Werke von Ulrich Vogl (1973 in Kaufbeuren geboren) wird durch metallisch changierende Lichtreflexe gleichermaßen verstärkt wie gemildert – faszinierend wie Sternengefunkel, kalt wie die moderne Technologie. Fünf jungen Künstlerpersönlichkeiten, fünf komplett neue Ausdrucksweisen. Fünf Freunde und das Abenteuer Kunst. Die Schau der jungen Regensburger Künstler und ihrer Freunde aus dem „Berliner Exil“ ist noch bis zum 24. März 2008 geöffnet und darf (zum besseren Verstehen) mehr als nur einmal besucht werden. Wohnen, sitzen, glauben und „Berliner Luft“ atmen.

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