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Filmfestival

Wo sich gewalttätige Emus und Dämonen gute Nacht sagen – Hard:Line XI im Ostentorkino Regensburg

Trotz der deutschen Angst vor dem Phantastischen feiert das Hard:Line-Festival heuer schon zum elften Mal das extreme Kino.

Wer hat Angst vorm Mann mit dem Enterhaken? Still: In a Violent Nature

Vier Tage, 13 lange und 16 kurze Filme, 21 Premieren und zehn internationale Gäste, mit denen man auch in der Kinokneipe plaudern kann – zum elften Mal treffen sich Fans des gepflegten Extrem-Kinos ab Donnerstag beim Hard:Line-Festival im Regensburger Ostentorkino. Was vor über 14 Jahren mit einer kleinen Filmreihe im Andreasstadel begann, hat sich mittlerweile zum zweitwichtigsten Genre-Festival in Deutschland gemausert (nach dem Fantasy Filmfest, das sich auf sieben Städte verteilt).

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Seit fünf Jahren wird von einer Fachjury in Regensburg der „Méliès D’Argent“ für den besten europäischen Genre-Kurzfilm verliehen. Die Razor-Blade-Skulptur, wenn man so will der Publikums-Oscar, der für den besten Kurz- und Langfilm vergeben wird, steht auch in der Fantastic Hub in Cannes.

Einen „gewissen Respekt“ habe man sich mittlerweile erarbeitet, sagt Spiritus Rector Florian Scheuerer. Auch wenn es sie immer noch gebe, diese „deutsche Angst vor dem Phantastischen“ und eine gewisse Ablehnung des Genres, die so ab 50 plus beginne.

Stadt und Freistaat haben ihre Förderung aufgestockt, vor allem zwei Sponsoren halten dem Hard:Line seit Jahren die Stange. Ein Team aus vier Minjobbern stemmt die Organisation – für 300 Euro im Monat, bei einem Zeitaufwand, den Scheuerer für sich alleine auf „über 1.000 Stunden“ schätzt.

„Heuer haben wir zum ersten Mal jeden Film gekriegt, den wir wollten“, sagt er. Eine Mischung, die etwas biete für „geübte Zuschauer“, aber auch für Neulinge und es sei sicher wieder etwas dabei, mit dem man Genre-Fans „vor den Karren“ fahre, prophezeit Scheuerer.

Das Spektrum reicht vom australischen Trash-Reißer mit Aggro-Emus („Emu Wars“) über den Oscar-Beitrag von Luxemburg („Läif a Séil“) bis zum Sundance-Hit, vom klaustrophobischen Kammerspiel über den Western-Horror-Thriller bis zum seelenruhig mäandernden Splatter-Feuerwerk.

Idealerweise soll für jeden etwas dabei sein. Freilich könnte es trotzdem hart sein für jemanden, der zum ersten Mal in so ein Festival reinstolpert – hier wird eben nicht der zehnte Saw-Film gezeigt mit gewohnt vorhersehbarem Ablauf.

Im Genre-Bereich gebe es eine Tendenz zur Entschleunigung, konstatiert Scheuerer. Es werde sehr langsam erzählt, viel mit Kameraeinstellung, wenig Schnitte. „Das mag am Anfang befremdlich sein, weil es nicht so wild ist.“ Aber das Genre sei ja relativ erzählfreudig und müsse nicht durch viele Schnitte vom Wesentlichen ablenken. „Schneiden, scheppern und fette Musik drunter, damit niemand merkt, dass es um nichts geht“, brauche das extreme Kino nicht, denn hier werde „Essentielles erzählt“. Auch wenn oder gerade weil es manchmal weh tut – ganz nach dem Vorbild des österreichischen Klassikers „Funny Games“ von Michael Haneke.

Die Zukunft des deutschen Genre-Kinos sieht Florian Scheuerer nach den Sichtungen fürs diesjährige Festival als nicht besonders rosig an. Bei Kurzfilmen, mit Hochschulen im Hintergrund, die Budget zur Verfügung stellen und den Leuten die entsprechenden Freiheiten geben, sehe man, was möglich wäre.

„Aber bei den Langfilmen, wo man vielleicht mal 100.000 oder 150.000 Euro bräuchte – Peanuts im internationalen Vergleich – passiert nichts mehr.“ Den Filmen der letzten Jahre habe man angemerkt, „dass sie die Förderung anlügen mussten und es als Krimi oder Drama verkauft haben, aber bloß nicht als Horrorfilm“. Dafür gebe es kein Geld – und das ändere sich auch nicht. Ein ähnliches Problem habe auch Spanien.

Ein Vorbild für Scheuerer ist Frankreich, wo es schon immer eine große cineastische Tradition gegeben habe. Ein heute bekannter Hollywood-Regisseur wie Alexandre Aja wagte dort 2003 mit „High Tension“ seine ersten Gehversuche. Ein Horrorfilm, der heute Kultstatus genießt, der für eine Reihe von harten Horrorfilmen aus Frankreich wie „Martyrs“ und „Inside“ steht, die mit staatlicher Förderung gedreht wurden – trotz drastischer Gewaltdarstellungen.

Von Zensur, davon, dass solche Filme in Deutschland auf dem Index gelandet sind, zum Teil bis heute, hält Scheuerer nichts. Diese seien entstanden, als in Frankreich Banlieus mit Bulldozern geräumt und Sinti und Roma stigmatisiert und vertrieben wurden. Genau deshalb beschäftigten sich die Filmemacher mit Motiven einer gewalttätigen Gesellschaft, ungewissen Perspektiven, einer aggressiven Obrigkeit. „Das ist hochpolitisch. Diese Filme entstammen einer gewissen Zeit und Gesellschaft und spiegeln das auch wider.“

Florian Scheuerer begründet seine Leidenschaft fürs extreme Kino mit der „perfekten Verschmelzung von Unterhaltung und Intelektuellem“, damit, dass es kein anderes Genre gebe, das so viel Freiheit und Experimentierfreudigkeit an den Tag lege. In der Literatur, bei Kafka zum Beispiel, schätze man doch auch, dass etwas doppelbödig sein könne, das Spiel mit Metaphern wie die Verwandlung in einen Käfer.

Beim Hard:Line kann es dann eben sein, dass der Käfer auf dem Rücken liegt, vielleicht mal etwas ekelhaft aussieht und sich auf einem Emu reitend gegen einen Hünen mit Enterhaken verteidigt.

Hier geht es zur Festival-Homepage.

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