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Plastikwelten im Untergrund

Willkommen im Zeitalter des Plastik

Bevor Mitte November die Winterpause im Art Lab am Gleis 1 des Hauptbahnhofs Einzug hält, lädt der Donumenta e.V. zu einer Weltpremiere der bekannten Künstlerin Thamiko Thiel und ihres oberpfälzer Partners „/p”. „Enter the Plastocene” lädt ein zu einer Reise in eine sonderbar wirkende virtuelle Welt, die doch ganz nah an der Realität ist. 

Nach der 3G-Einlasskontrolle geht es in den dunkel gehaltenen Bahnhofstunnel.

„Life in Plastic. It’s fantastic.“ Glaubt man den „philosophischen Worten“ der Eurodance-Musikgruppe Aqua aus dem Jahr 1997, dann gibt es wohl kaum etwas besseres, als ein Leben in Plastik. Was die dänisch-norwegische Combo eher als Hommage an die damals berühmte Barbie-Puppe gedacht hatte, schien lange Zeit auch auf die reale Welt zuzutreffen. Der menschliche Alltag wird dominiert von Kunststoffprodukten. Die Folge: Plastikmüll sorgt nicht nur in den Meeren zunehmend für ökologische Probleme. Was hierzulande aber oft weit entfernt erscheint, holt ein Künstlerduo nun im Rahmen einer „DigitalArt“-Ausstellung in den Regensburger Untergrund.

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Digitales Abbild einer bedrohlichen Ralität

„Enter the Plastocene“ steht auffordernd und zugleich warnend über dem Eingang zum Art Lab des Donumenta e.V. Wir hatten bereits über andere Kunstausstellungen „an der Borderline“ zu eher unkonventionellen Ansätzen berichtet. Das Kunstlabor im ehemaligen Gleiszubringer am Gleis 1 des Hauptbahnhofs hat sich mittlerweile in der Stadt etabliert, zahlreiche Kunstliebhaber begeistert und ein ums andere Mal die Gedanken angeregt. Unpolitisch geht es hier nie zu. Zuletzt spielte das Thema Umweltzerstörung bereits mehrfach eine wichtige Rolle, wie bei „Kukuruz”. Auch die vergangenen Donnerstag eröffnete Ausstellung von Tamiko Thiel und /p (gesprochen Slash Pi) „Enter the Plastocene“ greift die Umweltzerstörung durch den Menschen auf, will aufrütteln und zum Handeln animieren.

Zwar lassen sich viele Elemente auch schon in den 2D-Projektionen an den Tunnelwänden entdecken. Doch erst mit der App taucht die Besucherin in die „Virtual Reality” ein.

Nach erfolgter 3G-Kontrolle lädt das Künstlerpaar zu einer virtuellen Reise ein. Per QR-Code lädt man sich zunächst eine kostenlose und von /p selbst entwickelte App herunter und schon kann die Besucherin in das Plastozän, das Zeitalter des Plastiks, eintauchen. Plastozän als Wortschöpfung spielt dabei auf die prägende Rolle von Kunststoffen für moderne Gesellschaften an und ergänzt den wissenschaftlich bereits etablierten Begriff des Anthropozäns: „Dem Zeitalter, in dem der Mensch zum bestimmenden Faktor für das globale Ökosystem geworden ist“, so die Donumenta-Vorsitzende Regina Hellwig-Schmidt.

Beim Betreten des Art Lab begegnet einem aber zunächst eine farbenfrohe, bunte Unterwasserwelt, voller Leben. Über sechs Beamer werden digitale Bildsequenzen von Fischschwärmen, Korallen und anderen Unterwasserlebewesen an die Wände des 60 Meter langen Bahnhoftunnels projiziert. Und auch wenn die aktuelle Ausstellung eine Weltpremiere ist, so verwendet die „weltbekannte deutsch-amerikanische Pionierin der digitalen Kunst“ wie Hellwig-Schmidt Thamiko Thiel am Donnerstag vorstellt auch Teile früherer Installationen.

Der Blick „durch” das Smart Phone enthüllt die Welt des Plastozäns. Jedwedes  Leben ist hier verschwunden.

Thiel und /p, zwei Hochkaräter der virtuellen Kunstszene

Thiel absolvierte in den 1980er Jahren ein Design-Studium an der Stanford University und hatte damals bereits erste Erfahrungen mit Computergrafik und Programmierung gesammelt. Mitte der 1990er begann sie mit ersten Arbeiten der sogenannten „Virtual Reality“, also der digitalen Realität. Eine Pionierin sei sie auf dem Gebiet, betont Hellwig-Schmidt und freut sich, wieder einmal „Hochkaräter“ der weltweiten Kunstszene in Regensburg begrüßen zu dürfen. Thiel hat unter anderem schon mit Steven Spielberg zusammengearbeitet.

Seit vielen Jahren arbeitet Thiel auch mit dem Weidener Software Ingenieur /p alias Peter Graf zusammen. Beide leben derzeit in München und haben für „Enter the Plastocene“ nun frühere gemeinsame Projekte wie eine Installation im Whitney Museum in New York mit neuen Elementen kombiniert. Auch bei Open Source-Quellcodes etwa für die digitalen Bewegungsmuster von Gabeln hat sich Graf bedient und alles in einer eigenen „Virtual Reality“-App verpackt.

Thamiko Thiel, aufgrund einer Beinverletzung derzeit im Rollstuhl und Peter Graf erklären den Besuchern die Hintergründe der Installation.

Nachdem die Blicke über die Szenerie im Bahnhofstunnel eine Zeit lang schweifen, wird diese App gestartet und plötzlich steht der Besucher mittendrin im Ozean aus Plastik. Dutzende gelbe Quietscheenten haben sich zu einer Art Unterwasserrose verbunden und kreisen durch das Wasser. Ineinander verflochtene Flip Flops geben sich als Bodenpflanze aus. Und zwischen ein paar echten Fischen ziehen grüne Plastikflaschen einsam ihre endlosen Bahnen durch das Meer.

Von der „genialen Erfindung” zum Umweltproblem

Auch echtes Plastik hat den Weg in den Tunnel geschafft und sorgt im dunklen Gewölbe für passendes Ambiente.

Auf das scheinbar Endlose dieser Plastikflaschen spielt auch die Leiterin des Regensburger Kulturamts Maria Lang an. Besucht hat sie das Art Lab schon mehrmals. Doch die Weltpremiere von „Enter the Plastocene“ nutzt Lang, um erstmals selber ein paar Worte zur Eröffnung zu verlieren. Noch in den 1950er-Jahren sei Plastik als „geniale Erfindung – der Stoff, aus dem Wunschmaschinen sind“ gefeiert worden. „Universell formbar, vielseitig einsetzbar und dabei leicht verfügbar und preiswert“, greift Lang einen etwas überkommenen Zeitgeist auf. Was damals bejubelt wurde – „Plastik vermodert nicht, es verrottet nicht, es zerfällt nur sehr, sehr langsam“ – werde heute immer mehr zum zentralen Problem: „Plastik hält eine Ewigkeit und wird – etwa als Verpackung – nur für Sekunden genutzt.“

Während in den westlichen Regionen das Problem jedoch kaum sichtbar ist, würden andernorts ganze Regionen unter dem endlosen Stoff Plastik ersticken, meint Thamiko Thiel. Eine Erfahrung, die sie und ihr Partner selbst auf einer Tour durch Südostasien gemacht haben. „Je unbewohnter eine kleine Insel war, desto mehr Müll lag herum“, sagt Thiel am Donnerstag. Doch anders als ein verbreitetes Klischee sei es gar nicht mal der Müll der Menschen vor Ort. So hätten sie viele PET-Flaschen mit deutschem Aufdruck gefunden. Die Flaschen mussten offenbar Jahre lang durch das Meer getrieben sein.

Den Einfluss des Menschen reflektieren 

Die Botschaft von „Enter the Plastocene“ ist zugleich simpel wie drängend. Mit der virtuellen Ausstellung soll auf die durch Plastik verursachte Problematik hingewiesen und angeregt werden, den Einfluss des Menschen auf seine Umwelt zu reflektieren. Denn sonst steht der Mensch eines Tages womöglich wirklich in einem Meer aus Plastikwesen.

Bis zum 16. November allerdings lässt sich diese Welt aber auch in Regensburg erkunden. Die Videoinstallation hat Mittwoch bis Sonntag geöffnet, jeweils von 14 bis 19 Uhr. Der Eintritt ist kostenlos. Am 16. Oktober um 16 Uhr lädt Thiel zudem zum Künstlerinnengespräch ein. Wer kein eigenes Smart Phone besitzt kann ein Leihgerät vor Ort nutzen, um selbst in die virtuelle Welt des Plastozäns einzutauchen.

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Kommentare (2)

  • Joachim Datko

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    Moderne Welt!

    Zitat: “Wer kein eigenes Smart Phone besitzt kann ein Leihgerät vor Ort nutzen, um selbst in die virtuelle Welt des Plastozäns einzutauchen.”

    Auch das Smartphone selbst ist ohne Plastik (Kunststoffe) nicht denkbar.

    Wir sind in der Welt der Kunststoffe wie in einem goldenen Käfig gefangen:

    Hier die Yacht „Malizia II“, ein technisches Wunderwerk aus künstlichen Stoffen, mit dem die aktuelle Ikone des Umweltschutzes angeblich umweltschonend den Atlantik überquert hat:

    https://elcomercio.pe/resizer/mkFYc-sNwilG7RM9CcXZ6mLtpyE=/980×0/smart/filters:format(jpeg):quality(75)/arc-anglerfish-arc2-prod-elcomercio.s3.amazonaws.com/public/BZ6IPOPQDZB4PCQFFHGESVS5RA.jpg

    Hier ein Windrad mit 10 MW Leistung, ein technisches Wunderwerk aus künstlichen Stoffen:

    https://3ohkdk3zdzcq1dul50oqjvvf-wpengine.netdna-ssl.com/wp-content/uploads/2019/01/SGRE-NEW-10-MW-OFFSHORE-TURBINE.jpg

    Rotorblätter mit über 80 m Länge kann man nicht aus Holz fertigen.

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  • Pfui Deibel

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