Wie überflüssig ist der Stadtrat?
Vertreter der großen Koalition wurden am Freitag schmerzlich vermisst. Die Globalisierungskritiker von attac hatten ins L.E.D.E.R.E.R. geladen. Das umstrittene Finanzierungsmodell PPP (Public Private Partnership) stand zur Diskussion. PPP, so wie es derzeit in Regensburg in der Diskussion ist, bedeutet: Ein Privatinvestor setzt für die Stadt ein Bauvorhaben um, die Kommune mietet das Gebäude zurück.
Der von Moderator Dr. Harald Klimenta angemahnte „große Aufklärungsbedarf“ zu diesem Thema konnte nur zum Teil befriedigt werden; die PPP-Befürworter fehlten auf dem Podium. Die CSU hatte abgesagt (lediglich der aus der Fraktion „verbannte“ Hans Renter war anwesend), ebenso die SPD. Wohl mit als Folge dieses Fernbleibens entwickelte sich die Diskussion rasch weg vom ursprünglichen Thema, hin zu einer Kritik an der städtischen Informationspolitik gegenüber dem Stadtrat.
Nicht zwangsläufig ein Regensburger Phänomen. Der pensionierte Richter Hermann Striedl, als Diskutant mit am Podium, spitzte die in Verwaltungskreisen herrschende Einstellung zu: „Den Stadtrat lässt man ein bisschen mitreden, aber nicht beim Wesentlichen.“ Doch von Anfang an. In ihrer Ablehnung von PPP-Projekten ist sich die Opposition weitgehend einig. Lediglich Horst Meierhofer (FDP) gibt zu bedenken, dass ein solches Finanzierungsmodell „weder besonders gut, noch besonders schlecht“ sei. Ein Privater müsse nicht zwangsläufig teurer sein als die öffentliche Hand. Allerdings zeigt sich auch Meierhofer „manchmal verärgert darüber, dass die demokratische Kontrolle nicht mehr gegeben ist“.
Das derzeit in Bau befindliche neue städtische Verwaltungszentrum ist ein solches PPP-Projekt. Stadthalle, Bürgerheim Kumpfmühl und neues Fußballstadion sollen ebenfalls als PPP-Projekte realisiert werden. Beim Neubau der Berufsoberschule hat Oberbürgermeister Hans Schaidinger PPP empfohlen. Die SPD hat dem unter dem Vorbehalt zugestimmt, den Neubau gegebenenfalls „konventionell“, also – mit transparent aufgeschlüsselten Kosten – aus dem städtischen Haushalt zu finanzieren.
Stadtrat: „PPP ist Betrug im Haushalt“
Genau diese fehlende Transparenz bei PPP ist es, die den anwesenden Stadträten sauer aufstößt. Richard Spieß (Linke) bezeichnet PPP als „Betrug im Haushalt“. Wie hoch die Miete sein wird, die von der Stadt an den Bauherrn des neuen Verwaltungszentrums gezahlt werden muss, wusste von den anwesenden Stadträten niemand zu sagen. Bauherr des Gebäudes im Innenhof des Neuen Rathauses ist die MFS GmbH, Tochter der Ferdinand Schmack jun. GmbH. „Überall, wo Private das Sagen haben, gilt Datenschutz“, so Joachim Graf (ödp). „Der Stadtrat erfährt nix.“ Wie das Geschäft zustande kam, weiß der Stadtrat hingegen schon. Das Areal befand sich in Besitz der Ferdinand Schmack jr. GmbH und ging per Grundstückstausch an die Stadt Regensburg.
Dazu Günther Riepl (Freie Wähler): „Wenn der Investor das Grundstück hergibt, will er auch etwas verdienen.“ Über das ausgehandelte PPP- sprich Miet-Modell, dem seinerzeit auch Riepl zugestimmt hat. „Es gab keine andere Möglichkeit.“ Über die Höhe der Miete, die über 30 Jahre gezahlt werden muss, wurde der Stadtrat laut Graf bis heute nicht informiert. SPD-Fraktionschef Norbert Hartl bestreitet das, als wir bei ihm nachfragen. „In nichtöffentlicher Sitzung wurden wir detailliert über die entsprechenden Verträge informiert.“ So oder so. Die Opposition hat kein Vertrauen in künftige PPP-Projekte. Riepl kündigte im L.E.D.E.R.E.R. an, dem Bau der Stadthalle an seinem Lieblingsstandort Ernst-Reuter-Platz nicht zuzustimmen, sollte dieses Finanzierungsmodell gewählt werden.
Verwaltung an Stadträtin: „Sie haben kein Auskunftsrecht“
Die mangelhafte Information der Stadträte ist allerdings kein ausschließliches PPP-Phänomen. Jurist Hermann Striedl: „Für wesentliche Entscheidungen ist der Stadtrat nicht mehr zuständig. Er hat sich quasi selbst entmachtet.“ Viele Belange sind mittlerweile in städtische Tochtergesellschaften ausgelagert worden. In Regensburg sind es über 30. In den Verwaltungs- und Aufsichtsräten dieser Töchter – wie REWAG oder Stadtbau – sitzen Stadträte. Diese sind bei ihren Entscheidungen allerdings den Interessen der Unternehmen verpflichtet. Die müssen nicht zwangsläufig mit denen der Stadt übereinstimmen. Im Übrigen gilt für die meisten Entscheidungen in den Aufsichtsräten Verschwiegenheitspflicht. Einiges gibt es aber doch, worüber der Stadtrat entscheidet. Und das auch öffentlich. Auf Basis von Verwaltungsvorlagen.
Ein Recht auf Akteneinsicht besteht nach herrschender Meinung (wenigstens in Bayern) nicht. Und es wird in Regensburg offenbar auch dementsprechend gehandhabt. Die Erfahrung von Stadträtin Margit Kunc (Grüne): „Wenn ich bei der Verwaltung anrufe, wird mir bei jeder Gelegenheit gesagt: ‘Sie haben als Einzelstadtrat kein Auskunftsrecht.’“ Ein Beispiel ist auch die artenschutzrechtliche Prüfung zu einer Brücke über den Gries. Richard Spieß, der mehr darüber erfahren wollte, erhielt von Verwaltungschef Schaidinger eine Abfuhr.
Nach langem Hin und Her gab es schließlich ein kurzes Statement des Oberbürgermeisters. Das Gutachterpapier selbst wurde den Stadträten aber bis heute nicht vorgelegt. Spieß: „Das macht es schwierig, über Sachthemen wirklich zu diskutieren.“ Und auch, darüber abzustimmen. Die Möglichkeit, sich zu enthalten, gibt es im Stadtrat nicht. Den Eindruck, der nach all diesen Schilderungen entstand, brachte ein Zuhörer so auf den Punkt: „Wenn Sie keine vernünftige Basis für Ihre Entscheidungen haben, sind Sie als Stadtrat eigentlich überflüssig.“ Insofern wäre PPP eine konsequente Weiterentwicklung.
Joachim Datko
| #
Sind die SPD und die CSU von allen guten Geistern verlassen?
Mittlerweile dürfte es sich doch rumgesprochen haben, dass die Kosten durch PPP nicht weggezaubert werden können. Im Gegenteil, die Gefahr ist groß, dass es ein teurer Reinfall wird.
seppl
| #
Der Kommentar wurde wegen Verstoß gegen die Netiquette gelöscht.
Die Redaktion
Veits M.
| #
“Die Flucht in die private Rechtsform schützt Unternehmen in öffentlicher Hand nicht vor der Auskunftspflicht gegenüber Journalisten.”
Ergänzungsbedürftig sind die Ausführungen zu den städtischen Töchtern. Diese sind gegenüber Journalisten als Mittler der Bürgerschaft auskunftspflichtig, ein Anspruch der in Durchbrechung der Geheimhaltungsvorschriften des GmbH-Gesetzes gerichtlich durchgesetzt werden kann.
Das gilt insbesondere dann, wenn die Tochter zu 100 % in städtischer Hand ist und für ein Geschäft obendrein eine Bürgschaft durch den Stadtrat abgegeben wurde.
Wenn der Qualitätsjournalismus in R. an der Spitze “breiter” wäre, hätte der “Super-Deal” am Donaumarkt aus dem Jahre 2005 nicht längst umfänglich aufgeklärt werden können?
“Mut zur Wahrheit” (OB Schaidinger) bewies z.B. ein einzelner Journalist, als er in diesem Sinne erfolgreich gegenüber der Olympiapark München GmbH auf Auskunft klagte. Hierzu 2 Links:
1.
http://www.medienhandbuch.de/news/auskunftspflicht-ueber-sponsorengelder-br-journalist-gewinnt-rechtsstreit-11702.html
2.
http://www.rundfunkfreiheit.de/upload/m467b8e5172200_verweis1.pdf