Wie die Universitätsleitung ihre Verantwortung abwälzt
In einer zweiseitigen Stellungnahme reagiert die Leitung der Universität Regensburg auf die Kritik an ihrer Beschäftigungspraxis und die Entlassung studentischer Hilfskräfte. Doch auf das Wesentliche geht man trotz wortreicher Erklärungen nicht ein, lenkt vom eigentlichen Sachverhalt ab und leugnet die Verantwortung für die selbstverschuldete Situation. Ein Kommentar.
Es ist eine bemerkenswerte Reaktion der Universität Regensburg. Nach der Kritik an der Beschäftigung studentischer Hilfskräfte als Aufsicht in den Bibliotheken und Kritik, die selbst aus Landes- und Bundespolitik kam (unser Bericht vom 15. November), dauerte es zwei Wochen, ehe die Universitätsleitung mit einer zweiseitigen Stellungnahme reagiert hat. Diese Stellungnahme wurde trotz breiter Berichterstattung im Vorfeld bezeichnenderweise nicht an Medien verschickt, sondern lediglich auf der Homepage der Universität veröffentlicht und trotz weitläufiger Erklärungsversuche für die offenkundigen Gesetzesverstöße bei den Beschäftigungsverhältnissen wird darin auf das Wesentliche nicht eingegangen.
Das Problem war offenkundig und seit Jahren bekannt
Wie berichtet wurden rund 100 studentische Hilfskräfte (SHK) in der Vergangenheit zum Mindestlohn als Bibliotheksaufsichten beschäftigt. Das Problem: Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz, in dem auch die Beschäftigung von SHK geregelt ist, erlaubt dies nicht. Der Universität Regensburg ist dieses Problem seit mindestens acht Jahren bekannt. Das geht aus einem ministeriellen Schreiben an die Universitätsleitung aus dem Jahr 2010 hervor, in dem ausdrücklich festgehalten wird, dass eine „ausschließliche Beschäftigung in nicht akademischen Tätigkeitsfeldern, etwa als Aufsicht in Bibliotheken“ für SHK nicht in Frage kommt. Für solche Tätigkeiten müsse „ein Arbeitsvertrag nach TV-L abgeschlossen werden“, der neben einer höheren Entlohnung – etwa zwölf Euro die Stunden – auch einen Anspruch auf zusätzliche Leistungen wie zum Beispiel Weihnachts- und Krankengeld mit sich bringt.
Ein weiterer Beleg dafür, dass die Verantwortlichen um dieses Problem wussten, ist die Tatsache, dass bei den ersten SHK, die dies Anfang des Jahres eingefordert hatten, sofort nachgegeben und entsprechende Arbeitsverträge zugestanden wurden. Erst nachdem Vertreter der Gewerkschaft GEW die Angelegenheit öffentlich machten und die Forderungen lauter wurden, zog die Universität die Reißleine und kündigte an, künftig keine SHK mehr zu beschäftigen. Ihre Aufgaben soll nun vorläufig ein externer Sicherheitsdienst übernehmen.
Längliche Stellungnahme mit vielen Nebelkerzen
In der Stellungnahme vom 29. November ist von alledem keine Rede. Stattdessen lässt sich die Universitätsleitung länglich darüber aus, dass es sich bei den Stellen als Bibliotheksaufsichten um eine Beschäftigung gehandelt habe, die für alle Beteiligten „hoch attraktiv“ und dass der gesetzlich vorgegebene Mindestlohn „angemessen“ gewesen sei. Anschließend schiebt man „einigen Studierendenvertretern“ die Verantwortung dafür zu, dass die Situation nun eskaliert sei und man keine SHK mehr in den Bibliotheken beschäftigen könne.
Zusätzlich verweist die Universitätsleitung auf zwei Schreiben, die ihr vorlägen. Demnach habe das Staatliche Rechnungsprüfungsamt Bayreuth die Universität in einer Prüfmitteilung noch 2009 „ausdrücklich aufgefordert (…), bestehende dauerhafte Angestelltenverhältnisse im Aufsichtsbereich der Bibliothek abzubauen und stattdessen vermehrt studentische Hilfskräfte einzusetzen“. 2012 habe zudem der Bayerische Oberste Rechnungshof (ORH) „die Beschäftigung studentischer Hilfskräfte in der Universitätsbibliothek überprüft und sogar Vorschläge für Mindeststandards bei der Auswahl von Studierenden (…) übermittelt“.
Zeit für Lösungen gab es genug
Die Tatsache, dass es nicht in der Kompetenz dieser beide Stellen liegt, sich zu arbeitsrechtlichen Vorschriften zu äußern und diese Schreiben insofern keinerlei Bedeutung haben, wird in der Stellungnahme der Universitätsleitung geflissentlich übergangen. So wie auch das ministerielle Schreiben aus dem Jahr 2010, in dem diese Rechtslage eindeutig klargestellt wird – offenbar wohlweislich – keinerlei Erwähnung findet. Bemerkenswert angesichts der Tatsache, dass es sich beim Kanzler Christian Blomeyer um einen promovierten Juristen handelt.
Dass die Leitung von Universität und Bibliothek die Verantwortung nun den Studierendenvertretern zuschieben, ist vor diesem Hintergrund ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver. Dafür, dass der Universität das Geld fehlt, um angemessene Beschäftigungsverhältnise zu garantieren, tragen nicht Studenten die Verantwortung. Insofern würde sich eine mutige Kritik an der Situation zuvorderst an den Freistaat richten und nicht an diejenigen, die am Ende der Nahrungskette stehen.
Zum anderen hätten die Verantwortlichen schon lange genug Zeit – acht Jahre – gehabt, um für rechtssichere Beschäftigungsverhältnisse – auch unter Einsatz von SHK – zu sorgen, so wie es beispielsweise die Universität Würzburg gemacht hat. Und schließlich datieren erste Beschwerden von SHK bereits vom Anfang dieses Jahres. Lösungsansätze der Universität gab es aber seitdem keine – bis die Situation Mitte November eskaliert ist und nun zulasten der Studentinnen und Studenten aufgelöst wurde.
Taxifahrer
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Das ist kein Skandal, wenn das nur auf der HP der Uni veröffentlicht wird.
Lothgaßler
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Eigentlich könnte die Unileitung sich locker machen und keine Kämpfe führen, die sie nicht führen muss. Kreative Mangelverwaltung bei Hilfspersonal ist kein Ruhmesblatt, deshalb sollte die Erklärung zwar veröffentlicht werden, aber bitte so, dass kaum einer sie mitbekommt.
Eine Uni muss laufen, dazu gehört auch die Zuarbeit studentischer Hilfskräfte. Die Studentenvertretung hat also weiterhin die Aufgabe der Unileitung auf die Füße zu treten, solange das gegen die Interessen der Studenten läuft. Eine Uni ist kein x-beliebiger Wirtschaftsbetrieb, schon aus dem Selbstverständnis einer Uni heraus nicht.
Werden die studentischen Hilfskräfte jetzt durch Minijober vom Dienstleister Götz ersetzt?
B. Sorgt
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Ehrlich jetzt? Studies kriegen einen Traumjob. Keine körperliche Arbeit, wirklich wenig zu tun, brutto=netto (in den meisten Fällen, weil Sozialabgaben und Steuern wegfallen). Ich halte dieses Gedöns einfach für unfassbar!
Es gibt Menschen, die mir diesem “Mindestlohn” wesentlich weniger verdienen, als die studentischen Ferienarbeiter (denen ihr Gehalt gegönnt sein soll). Die “normale” Arbeiterin zahlt Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, und muss auch noch eine Familie ernähren.
Es ist unglaublich, dass ein Studi-Job in dieser Art instumentalisiert wird. Wenn Du ohne großen Aufwand nebenher Geld verdienen kannst, ist das OK. Aber verdammt nochmal, glauben die Gewerkschaften oder Politikerinnen wirklich, dass man mit höheren Gehältern in diesem Bereich irgendwas bewirken kann?
War wohl wieder mal ein Anwalt, der die richtige Marktlücke entdeckt hat. Oder ein völlig verpeiltes Politiker/innen-Kollektiv, die noch nie im realen Leben angekommen sind.
R.G.
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Bitte Herr Honecker, stehen sie kurz auf, um einen Preis für die gelungenste Kopie der Planwirtschaft an Regensburg zu verleihen?
Danach wieder: Fröhliches R.I.P.!
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