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Bauträger verklagt Stadtbau

Wende im Rechtsstreit um „Lebensader“ für Regensburgs Trinkwasser?

Wegen unvollständiger Angaben beim Verkauf eines Grundstücks an einen Bauträger 2016 könnten auf die städtische Wohnbautochter Stadtbau GmbH erhebliche Schadenersatzzahlungen zukommen.

Besorgte sich über die Informationsfreiheitssatzung Akten, die dem Rechtsstreit mit der Stadtbau eine Wende geben dürften: Rudolf Ring junior. Foto: as

Im Rechtsstreit vor dem Landgericht Regensburg um eine „vergessene“ Hauptwasserleitung bei einem Grundstücksgeschäft der Stadtbau GmbH deutet sich eine Wende zugunsten der klagenden Bauträgerfirma an. Die städtische Wohnbautochter könnte das eine knappe Dreiviertelmillion an Schadenersatz kosten.

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Wie mehrfach berichtet, hatte die Ring Wohnbau GmbH Ende 2016 den Zuschlag für ein 1.100-Quadratmeter-Grundstück in der Wöhrdstraße erhalten, das die Stadtbau damals gegen Höchstgebot auf den Markt brachte. Der Kaufpreis: stolze 2,4 Millionen Euro. Der Kauf der Fläche, auf der mittlerweile ein Gebäude mit mehreren, entsprechend teuren Eigentumswohnungen steht, erfolgte allerdings unter falschen Voraussetzungen.

Wichtige Hauptwasserleitung wurde beim Verkauf nicht erwähnt

Kurz vor Beginn der Bauarbeiten erfuhr die Ring GmbH – eher zufällig – davon, dass sich unter dem Areal eine der wichtigsten Wasserleitungen Regensburgs befindet. Der frühere REWAG-Chef Olaf Hermes sprach bei einem ersten Gerichtstermin von einer „Lebensader“ für die städtische Trinkwasserversorgung. Etwa 80.000 Regensburgerinnen seien auf diese 1936/37 im Boden versenkte Leitung mit einem halben Meter Durchmesser angewiesen.

Beim Verkauf der Fläche an Ring war diese Leitung, deren Verlegung wohl Kosten im Millionenbereich verursacht hätte, außen vor geblieben. In der Folge musste umgeplant werden, der Baubeginn verzögerte sich, es liefen Zinsen auf – die Ring GmbH beziffert den ihr dadurch entstandenen Schaden auf 736.451 Euro.

1993 Stadt übertrug Grundstück der Stadtbau – und „vergaß“ die Leitung

Nachdem mehrere Einigungsversuche mit Stadt und Stadtbau scheiterten, zogen die Unternehmer – Rudolf Ring junior und senior – vor Gericht. Und dort hatte ihnen Richterin Winkler zuletzt wenig Aussicht auf Erfolg bescheinigt.

Das Problem: Besagtes Grundstück wurde 1993 von der Stadt Regensburg auf ihre Tochter Stadtbau übertragen – zur Aufbesserung der Kapitaldecke. Die Leitung sei auch dabei unerwähnt geblieben, hieß es bislang. Zumindest finde sich dazu nichts in den Akten, hatte der frühere Stadtbau-Geschäftsführer Joachim Becker bei einer Zeugenaussage im Mai erklärt. Im Grundbuch steht diese Leitung ebenfalls nicht. Ob dieses Versäumnis bei der damaligen Übertragung Absicht, Unwissen oder Schlamperei war, ist bis heute unklar.

Bisherige Argumentation: Stadtbau kann nichts dafür, die Stadt ist nicht zuständig

Die Argumentation der Stadtbau war denn auch bislang: Man habe nichts von der Leitung gewusst. Entsprechend könne man nicht dafür haftbar gemacht werden und zahle nicht. Schuld sei die Stadt Regensburg. Weil die Stadt, der der Fehler zuzurechnen ist, nicht Verkäuferin des Grundstücks an Ring war, sieht man auch dort keinen Grund, Schadenersatz an den Unternehmer zu zahlen.

Und nach allem, was im Rechtsstreit vorgelegt worden sei, könne die Stadtbau GmbH auch nicht für den Fehler ihrer „Mutter“, der Stadt Regensburg, verantwortlich gemacht werden, so die Position von Richterin Winkler. Bis vor kurzem jedenfalls.

Nach Anfrage: Kläger entdeckt städtische Akten mit eingezeichneter Leitung

Beim Termin am Freitag wird bekannt: Rudolf Ring junior hat ältere Bauakten zu dem Grundstück vorgelegt, die er über eine Anfrage gemäß Informationsfreiheitssatzung von der Stadt Regensburg erhalten hat. Diesen Akten liegt ein Mietvertrag zwischen der Stadt und dem THW bei, das bis Mitte der 1990er Jahre auf der Fläche angesiedelt war. Und auf einer beiliegenden Planzeichnung ist auch die beim Verkauf an Ring „vergessene“ Hauptwasserleitung eingezeichnet.

Da bei der Übertragung des Grundstücks von der Stadt auf die Stadtbau 1993 auch dieser Mietvertrag übertragen worden sein muss, müsse die Stadtbau auch von der Hauptwasserleitung gewusst haben, argumentiert Ring. Zumindest müsse sie sich dieses Wissen zurechnen lassen.

Richterin: Stadtbau kann sich wohl nicht mehr auf Unkenntnis berufen

Richterin Winkler lässt am Freitag durchblicken, dass sich diese Argumentation nicht ohne weiteres von der Hand weisen lässt. Anstatt der Verkündung eines (für Ring negativen) Urteils, womit die meisten Beobachter gerechnet hatten, eröffnet Winkler die mündliche Verhandlung erneut. Sie verweist auf die erwähnten Bauakten, die Rings Anwälte Anfang August in einem weiteren Schriftsatz eingereicht haben.

Der Ring-Bau an der Wöhrdstraße 55. Muss die Stadtbau nun doch Schadenersatz zahlen? Foto: Aigner

Angesicht dieser neuen Unterlagen sei es nun eher schwierig, wenn sich die Stadtbau auf Unkenntnis berufe. Es komme durchaus in Betracht, dass sich die städtische Tochter den Fehler – die nicht erwähnte Hauptwasserleitung – zurechnen lassen müsse und schadenersatzpflichtig sei, so die Richterin. Der Stadtbau wird nun eine neuerliche Schriftsatzfrist gewährt.

Bemerkenswert bei alledem: Wäre der Verkündungstermin am Landgericht Regensburg nicht mehrfach verschoben worden, ursprünglich war dafür der 28. Juli vorgesehen, hätte Ring die besagten Akten wohl nicht mehr innerhalb der vorgesehenen Schriftsatzfrist vorlegen können. Eine erste Anfrage des Bauträgers bei der Stadt gemäß Informationsfreiheitssatzung  datiert vom 25. April. Die angefragten Unterlagen erhielt er Ende Juli. Laut Satzung müssten die angefragten Informationen binnen eines Monats zugänglich gemacht werden.

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Kommentare (10)

  • Theodor

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    Was soll’s, Fehler sind halt menschlich.

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  • Günther Herzig

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    Was wäre die Welt ohne Rechtsanwälte. Sogar in einem Berufungsverfahren bei verlorener 1. Instanz hätten die neuen Erkenntnise verwendet werden können. Eine Präklusion wäre nicht möglich, wenn dargestellt werden kann, dass “Neue Tatsachen” während der 1. Instanz noch nicht bekannt waren.

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  • Spartacus

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    @Theodor

    Richtig, nur sollte man dann auch dazu stehen und die Konsequenzen tragen.

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  • Leo

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    Schuldfrage hin oder her. Aber: hat die Fam. Ring denn überhaupt einen “Schaden”? Zahlten sie drauf? Oder gingen nur Mehrerlöse flöten…

    Ich gehe eher davon aus, dass die Käufer auskömmliche Preise bezahlt haben, das Projekt immer noch genügend Gewinn abgeworfen hat.

    Die Solidarität mit armen Bauträgern ist schon grotesk.

    Bei einer Erstattung von 0,7 Mio. Euro wird Hr. Ring sicherlich die Käufer begünstigen, und am geringeren Grubdstückspreis partizipieren lassen… oder?!

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  • Wilfried Süß

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    @Leo
    Ihre Auffassung zu Rechtsgeschäften widerspricht den Grundsätzen kaufmännischen Handelns. Die Käufer der Wohnungen haben bekommen, wofür sie bezahlt haben. Allerdings könnte die aufgedeckte Wasserleitung das Eigentum abwerten und verdeckter Mangel vorliegen. Das muss man aber losgelöst von den geltend gemachten Kosten des Bauträgers verhandeln.

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  • Daniela

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    @Leo
    8. September 2023 um 19:46 | #

    Der Schaden ist Klagebestand und bis auf den letzten Cent angegeben.

    ‘Beim Verkauf der Fläche an Ring war diese Leitung, deren Verlegung wohl Kosten im Millionenbereich verursacht hätte, außen vor geblieben. In der Folge musste umgeplant werden, der Baubeginn verzögerte sich, es liefen Zinsen auf – die Ring GmbH beziffert den ihr dadurch entstandenen Schaden auf 736.451 Euro.’

    Die Kosten entstanden zusätzlich zu den ersten Planungen, sind also Mehrkosten. Wieso sollten also jetzt Käufer daran partizipieren? Die geplanten Wohnungen wurden sicherlich schon vor Baubeginn verkauft, bzw. angeboten, dies ist nicht außergewöhnlich.

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  • Ulrich Mors

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    Der Käufer hatte m.E. Anspruch auf Information über Belatungen des Grundstücks. Er muss sich auf das Grundbuch verlassen können. Dieses hat grundsätzlich entscheidende Bedeutung für Kauf, Rechte und Verpflichtungen. Ich bin daher verwundert, dass der Streifall nicht wesentlich auf dieser Grundlage behandelt wird. Irgendwer hat irgendwann beim Bau dieser wichtigen Leitung den (wahrscheinlich verpflichtenden) Eintrag versäumt und haftet. Diese Art der Sicht und juristischen Behandlung liegt im allgemeinen Interesse.

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  • xy

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    @Ulrich Mors, im Grundbuch geht es nur um Rechte an Grundstücken , nicht um deren tatsächlich Verhältnisse. Da gilt Kaufrecht und Sachmängelrecht.

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