Watschen für Gemeinde Wenzenbach: VGH erklärt Bebauungsplan für unwirksam
Das grüne Vorzeigeviertel am Roither Berg ist seit Beginn Gegenstand von Streit und gerichtlichen Auseinandersetzungen. Jetzt fing sich die Gemeinde Wenzenbach eine empfindliche Schlappe beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein.
Für Sebastian Koch ist es ein Schlag ins Kontor. Zur Zeit ist der Wenzenbacher Bürgermeister neben seiner Arbeit als Gemeindeoberhaupt zusätzlich ohnehin mit dem parteiinternen Kampf um die SPD-Landtagskandidatur beschäftigt. Doch am 1. September kam nun ein Urteil, das sich stellenweise wie eine Vollwatschen für das Verwaltungshandeln der Gemeinde Wenzenbach liest – und damit auch für ihn als deren Bürgermeister.
Gemeinde sollte Fehler heilen – und schafft es nicht
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat den Bebauungs- und Grünordnungsplan für das Neubaugebiet am Roither Berg in seiner Gesamtheit für unwirksam erklärt und damit einem Normenkontrollantrag von Grundstücksentwickler Jochen Stierstorfer vollumfänglich recht gegeben. Er hatte als Privatmann geklagt.
Noch im Februar hatte der VGH das Verfahren ruhend gestellt und den Parteien aufgegeben, eine gütliche Einigung zu finden. Doch eine solche scheint die Gemeinde Wenzenbach, folgt man der Entscheidung, anschließend nicht wirklich gesucht zu haben. Als Konsequenz folgte nun die Aufhebung des Bebauungsplans.
Der Streit um den Roither Berg, der einst als grünes Vorzeigequartier in der Regensburger Nachbargemeinde geplant war, schwelt schon länger. Rund 120 Einfamilienhäuser sind hier geplant – etwa 95 Prozent stehen mittlerweile. Doch es läuft einfach nicht rund. Regelmäßig gibt es Gerichtsverfahren (auch bezüglich der Energieversorgung mit Häuslebauern; doch das wird hier zunächst noch nicht beleuchtet) und gegenseitige Vorwürfe. Das Verhältnis zwischen dem Grundstücksentwickler und der Gemeinde ist nachhaltig zerrüttet.
Streit um eine Ausgleichsfläche
Als 2015 der Bebauungsplan nebst Grünordnung über die etwas mehr als neun Hektar große Fläche beschlossen wurde, wurde die Roither Berg Grundstücksentwicklungs GmbH, deren Geschäftsführer Stierstorfer zu diesem Zeitpunkt war, aufgegeben, knapp 19.000 Quadratmeter Ausgleichsfläche zu schaffen. Ein üblicher Vorgang, mit dessen Ausgestaltung auf Kosten der GmbH ein Planungsbüro beauftragt wurde.
Diese Ausgleichsfläche sollte auf einem Feld mit rund 30.000 Quadratmetern in der Gemeinde Wenzenbach entstehen, das Stiersdorfer gehört. Der entsprechende Grünordnungsplan sah vor, dort verschiedene Bäume zu pflanzen. Doch weil die Aufteilung der Pflanzungen dazu geführt hätte, dass Stierstorfer am Ende nicht nur die knapp 19.000 Quadratmeter hätte abgeben müssen, sondern auch den Rest der Fläche nicht mehr hätte nutzen können, also die kompletten 30.000 Quadratmeter de facto weg gewesen wären, erhob er über seinen Rechtsanwalt Robert Hankowetz Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgericht – und bekam im November 2020 recht.
VGH: Gemeinde hätte mit Stierstorfer reden sollen
Der Grünordnungsplan sei in seiner vorliegenden Form verfassungswidrig, er sei in sich widersprüchlich, verstoße gegen das Gebot der Normenklarheit und die Eigentumsgarantie, so das Verfassungsgericht. Doch damals schrammte die Gemeinde an einer Aufhebung des gesamten Bebauungsplans vorbei und erhielt die Gelegenheit nachzubessern, um den Fehler im Grünordnungsplan zu heilen. Diese Chance hat man aber, folgt man der Entscheidung des VGH, ordentlich vergeigt.
Flapsig ausgedrückt hat die Gemeinde es dem VGH zufolge schlicht versäumt, mit Stierstorfer als Eigentümer des betroffenen Feldes zu kommunizieren und die erforderlichen Veränderungen mit ihm abzustimmen. Man habe einseitig den Grünordnungsplan geändert, ohne sich mit Stierstorfer darüber auszutauschen, so der VGH. Dabei habe dieser sogar im Rahmen der entsprechenden Bürgerbeteiligung noch Einwendungen gegen die Änderungen der Gemeinde erhoben, wie die Richter herausstellen. Eine Reaktion darauf gab es von der Gemeinde Wenzenbach aber demnach nicht.
Entscheidung: Gesamter Bebauungsplan ist unwirksam
Auch scheint man bei der Gemeinde ein Problem zwischen der Unterscheidung der natürlichen Person Jochen Stierstorfer und seiner Funktion als Geschäftsführer der Roither Berg Grundstücksentwicklungs GmbH gehabt zu haben, wie die Richter anführen. Weit mehr als nur ein Lapsus im Rechtsverkehr.
Ein weiterer Punkt, den der VGH moniert: Die Gemeinde habe es versäumt, den neuen Grünordnungsplan vertraglich mit den Grundstücksentwicklern abzusichern. Insgesamt seien die Bewertungs- und Abwägungsmängel, die der Gemeinde unterlaufen seien, „beachtlich“, heißt es wörtlich in der Entscheidung.
Vor diesem Hintergrund habe man weitere, möglicherweise rechtserhebliche Mängel, zum Beispiel Schlampereien bei der Aktenführung, nicht mehr näher prüfen müssen, so die VGH-Richter. Der Bebauungsplan sei bereits angesichts der erheblichen Abwägungsfehler in seiner Gesamtheit unwirksam.
Bürgermeister: „Die Situation ist mittlerweile sehr verfahren.“
Bürgermeister Koch reagiert zerknirscht auf die Entscheidung des VGH. Selbstverständlich habe man mit Stierstorfer gesprochen, sagt er. Das habe man wohl zu wenig dokumentiert, um es auch gerichtsfest belegen zu können. Allerdings sagt Koch auch: „Die Situation ist mittlerweile sehr verfahren.“ Mit Stierstorfer könne man einfach nicht verhandeln.
Es sei richtig, dass er sich im Rahmen der öffentlichen Beteiligung zu Wort gemeldet habe, aber man konnte auch in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde dem Ansinnen des Investors nicht Rechnung tragen.
Die Bauherren am Roither Berg müssten sich keine Sorgen machen um ihre Häuser. „Das sind keine Schwarzbauten.“ Welche weiteren Folgen sich aber aus der Entscheidung ergeben, müsse man nun prüfen. In jedem Fall müsse man nun dringend nachjustieren. „Entweder wir einigen uns mit Herrn Stierstorfer.“ Das werde man nun nochmal versuchen. Oder aber die Gemeinde stelle eines ihrer Grundstücke als Ausgleichsfläche zur Verfügung – was mit einem mindestens fünfstelligen Betrag zu Buche schlage dürfte. Das sei aber als Ultima Ratio zu begreifen, sofern die weitere rechtliche Behandlung des Sachverhalts abschließend keinen Erfolg bringt.
Stierstorfer gibt sich gesprächsbereit
Jochen Stierstorfer zeigt sich auf Anfrage unserer Redaktion gesprächsbereit. „Das war ich eigentlich immer“, sagt er. „Ich hätte es mir auch anders gewünscht. Schließlich bin ich gebürtiger Wenzenbacher und hätte das alles gern sachlich und ohne solche Streitigkeiten erledigt.“ In der Vergangenheit aber hätte er sich eine vertrauenswürdigere und verlässlichere Kommunikation der Gemeinde gewünscht.
Madame
| #
Mei o mei. Wieder so ein oberpfälzer kabinettstück!!!!
joey
| #
Grob fehlerhafte Bebauungspläne (sinnlos restriktiv) und willkürliche Entscheidungen des LRA (z.B. Naturschutzbehörde) sind in Landkreis R ja eher der Normalfall.
Private sind immer noch häufig echte Untertanen, die psychisch nicht fähig sind, ihr gutes Recht und ihre Freiheit zu behaupten. Hier ist also wieder mal ein Profi mit Standfestigkeit und ein BGM der dummen Art.
Das Güteverfahren ist ja vorgeschrieben und eine gute Gelegenheit des Richters für einen wirksamen Schuß vor den Bug. Gemeinden können locker Prozesse verlieren, die Politiker und Beamten zahlen es ja nicht selbst. Aber das Zuckerl ist die Verschwiegenheit, die meist bei einer gütlichen Einigung vereinbart wird.
Es lebe Recht und Freiheit.
Dieter
| #
Gab es bei dem Bebauungsplan nicht von Anfang an Ungereimtheiten? ich meine mich zu erinnern, dass man deutlich mehr Grundstücksparzellen eingezeichnet hatte als erlaubt waren
Lutherer
| #
Das schlimme ist doch, dass selbst die Richter gesagt haben: rauft euch zusammen! Aber offenbar konnten oder wollten die Nicht miteinander. Ich würde den Titel daher mit Gnackwatschn etwas zuspitzen. P.S. Hat sich da jemand einen neuen Wolbergs gekocht oder warum schreibt die Mittelbayersiche nichts dazu? Ich brüte seit langem über einem Paradoxon wie man einen Meineid schwört.
Mr. B.
| #
Zu Lutherer:
Vielleicht muss erst noch genau “abgestimmt” werden, was dann berichtet wird?
-siehe die ersten Verhandlungstage im Wolbergsprozess?