Warnungen im Vorfeld eines Hammerangriffs in Regensburg ignoriert? Staatsanwaltschaft prüft mögliches Fehlverhalten bei der Polizei
Hätte der brutale Hammerangriff auf eine Seniorin am Silvestertag verhindert werden können? Der Ex-Mann der Tatverdächtigen hatte am Vorabend der Tat versucht, die Polizei zu warnen, wurde aber nicht ernst genommen. Nun laufen Vorermittlungen zu einem möglichen Fehlverhalten.
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Die Polizeiinspektion Regensburg Süd im Minoritenweg. Wie liefen die Telefonate mit den dortigen Beamten ab? Foto: Archiv/as
Einen Tag nach unserem Bericht über die Warnungen im Vorfeld eines brutalen Angriffs auf eine über 80-jährige Frau hat die Staatsanwaltschaft Regensburg Vorermittlungen eingeleitet, um ein mögliches Fehlverhalten der Polizeibehörden zu untersuchen. Das bestätigt Oberstaatsanwalt Thomas Rauscher auf Nachfrage.
Wie berichtet, verletzte eine psychisch kranke 41-Jährige am Vormittag des Silvestertages die Seniorin durch mehrere Schläge auf den Kopf schwer, jedoch nicht lebensgefährlich. Die Täterin wurde kurz darauf festgenommen und befindet sich mittlerweile in einer psychiatrischen Einrichtung. Bereits Stunden zuvor, um 5.43 Uhr, soll sie an einer nahegelegenen Tankstelle in der Kirchmeierstraße einen Mann mit einem unbekannten Gegenstand im Gesicht verletzt haben. Nun steht die Frage im Raum, ob diese beiden Taten hätten verhindert werden können.
Wie liefen die Telefonate mit der Polizei ab?
Der Ex-Mann der mutmaßlichen Täterin schilderte unserer Redaktion ausführlich mehrere Telefonate, unter anderem mit der Polizeiinspektion Regensburg Süd, die er am Vorabend der Tat führte. Er berichtet, dass er die Beamten am Telefon auf die zunehmend bizarren und aggressiven Postings seiner Ex-Frau in den sozialen Medien sowie auf deren psychische Erkrankung hingewiesen habe. Ebenso erwähnte er eine Morddrohung gegen ihn. Wir haben über die verstörenden Einträge in ihrem Social-Media-Profil berichtet.
„Ich habe daraus zitiert und angeboten, alles per E-Mail zu schicken“, sagt der Ex-Mann. Auch habe er erzählt, dass die Frau damit drohe, das Kind aus der Pflegefamilie zu entführen. „Ich wollte Strafanzeige erstatten. “ Doch die Polizei habe abgelehnt. Eine Strafanzeige sei nur persönlich möglich, habe es unter anderem geheißen. Er könne auch nichts per E-Mail schicken. Irgendwann habe sein Gegenüber einfach aufgelegt. Am nächsten Tag wandte er sich schließlich ans BKA, wo man auch reagierte – allerdings war es da schon zu spät und die Tat geschehen.
Staatsanwaltschaft erfuhr erst in der zweiten Kalenderwoche von den Vorwürfen
Im Nachhinein erfuhr der Mann durch Presseberichte von dem Angriff und macht sich nun auch selbst Vorwürfe. Hätte er anders vorgehen sollen? Hat er sich nicht klar genug ausgedrückt? Hätte er sich woanders hinwenden sollen? „Das sind Fragen, die ich mir stelle. Aber trotz allem verstehe ich nicht, warum sich die Polizei so überhaupt nicht für meine Warnung interessiert hat. “ In den Akten der Staatsanwaltschaft fanden sich diese Anrufe des Ex-Mannes der Tatverdächtigen, bei denen sein Mitbewohner dabei war, bislang nicht.
Dies sei erst „im Lauf der zweiten Kalenderwoche“ bekannt geworden, so die Staatsanwaltschaft in einer aktuellen Auskunft gegenüber unserer Redaktion. Von der zweiten Kalenderwoche, vom 8. und 9. Januar, datieren auch unsere erste Anfrage an Polizei und Staatsanwaltschaft. Am 9. Januar wurde der Ex-Mann auch von der Kriminalpolizei kontaktiert und um eine Aussage gebeten. „Hier teilte er nur in einem kleinen Teil der Vernehmung mit, dass er am 30.12. die PI Süd und PI Geisenfeld angerufen habe, mit der Bitte ‘reinzuschauen, was sie schreibt und irgendwie zu reagieren’“, so die Staatsanwaltschaft.
Bislang kein konkreter Verdacht
Am 16. Januar, einen Tag nach Veröffentlichung unseres Berichts, der detaillierte Schilderungen des Mannes zu den Telefonaten mit der Polizei wiedergibt, entschied die Staatsanwaltschaft, diesen Sachverhalt von dem Ermittlungsverfahren gegen die mutmaßliche Angreiferin zu trennen. Seitdem laufen die Vorermittlungen. Einen konkreten Verdacht gegen Polizeibeamte gebe es nicht, betont Oberstaatsanwalt Thomas Rauscher.
Ziel sei es zunächst, zusammenzutragen, „welche Polizeidienststelle wann über welche Verdachtsmomente in Kenntnis gesetzt wurde und wie die Kommunikation ablief“, so Rauscher. „Erst wenn dies objektiv gesichert ist, werden wir beurteilen, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist. “
Fragen zum Umgang mit Hinweisen auf psychische Ausnahmesituationen
Auch der bayerische Landtag muss sich mit dem Thema befassen. Wie berichtet, hat die Abgeordnete Christiane Feichtmeier, Polizeihauptkommissarin a.D. und innenpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, einen Fragenkatalog an Innenminister Joachim Herrmann eingereicht. Sie will wissen, wie die Polizei üblicherweise mit solchen Hinweisen umgeht und ob die kontaktierten Polizeidienststellen möglicherweise überlastet waren. Ein zentraler Komplex ist aber auch, inwieweit die Polizei nach dem Anschlag von Magdeburg sensibilisiert ist für Hinweise, die in Zusammenhang mit Personen in psychischen Ausnahmesituation stehen.
Eine Frage, die nach dem tödlichen Messerangriff in Aschaffenburg am Mittwoch, bei dem zwei Menschen starben und mehrere schwer verletzt wurden, neuerliche traurige Aktualität erlangt hat. Nach bisherigen Angaben war der dortige Angreifer, ein 28-jähriger Afghane, im Vorfeld des Messerangriffs mindestens drei Mal durch Gewalttaten aufgefallen, jeweils in psychiatrische Behandlung gekommen und wieder entlassen worden. Die Tatverdächtige in Regensburg war wegen ihrer Erkrankung zumindest beim Betreuungs- und Jugendamt bekannt und auch beim Familiengericht, das ihr erst im November jedweden Umgang mit ihrem Kind untersagt hatte.
Manfred Martin
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Und wieder hat die Polizei und die Behörden versagt!
Die sollten endlich gute Arbeit leisten, statt mit unnötiger Bürokratie Aktenordner und Festplatten füllen!
Alex
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@Manfred Martin
Die “Behörden” denke ich können hierbei sehr wenig dafür. Das Problem liegt eher darin wie man mit psychisch erkrankten umgehen darf oder müsste. Da niemand (und das aus gutem Grund) gegen seinen Willen festgehalten oder eingesperrt werden darf solange dieser sich nichts zu schulden kommen lässt, ergibt es sich das Leute die eine ernsthafte psychische Erkrankung aufweisen, auch wenn sie vielleicht für ihr Umfeld als Bedrohnung wahrgenommen werden, nicht einfach eingesperrt werden dürfen. Auch kann man in Deutschland (ebenfalls aus gutem Grund) niemanden zu einer Behandlung zwingen. Somit ergibt es sich das den “Behörden” oftmals die Hände gebunden sind auch wenn sie darüber in Kenntnis sind, dass da irgendwo jemand herumläuft der aufgrund seiner unbehandelten psychischen Erkrankung ggf für seine Umwelt eine tickende Zeitbombe sein könnte. Das Thema ist halt schwierig…. inwieweit möchte man die Rechte des Einzelnen zugunsten der allgemeinen Sicherheit beschneiden? Somit ergibt sich aber auch das Behörden wie zb die Polizei oder auch psychiatrische Einrichtungen erst handeln können wenn sich selbige Person etwas konkretes zu schulden kommen lässt…..bei einer einfachen Androhung können sie im Normalfall meines Wissens nach nicht wirklich viel unternehmen.
tom lehner
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Leider bringt es in der Sache nichts ohne das nötige Hintergrundwissen voreilige Schlüsse zu ziehen oder Schuldzuweisungen auszusprechen.
Trotzdem macht es Bauchschmerzen von Fällen zu lesen in der die Polizei Hinweise auf häusliche Gewalt, Stalking, eine Selbstgefährdung oder auch eine Gefährdung anderer falsch ein- bzw. unterschätzt. Dazu gehören auch Situationen wie um den Studenten T. Eisenberg oder dem Tode eines 15 Jährigen, suizidalen Heimbewohners in Dortmund. Beide Menschen kamen durch Schußwaffeneinsatz ums Leben. Das sind nur zwei Beispiele von vielen.
Gerade im Falle von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Gewalttaten wie der obigen spielen viele Faktoren eine Rolle. Hier gibt es weder Musterlösungen noch Patentrezepte. Das Wichtigste wäre eine gute Vorbereitung auf Situationen wie diese. Ich weiß nicht ob die Ausbildung von PolizeianwärterInnen dies beinhaltet, sinnvoll wäre es. Auch für eine erste Lageeinschätzung am Telefon.
Auf der anderen Seite müssen auch wir als Gesellschaft verstehen das es keinen 100%igen Schutz vor diesen Situationen gibt, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen schwere Straftaten begehen. Leider werden diese Fälle sehr oft wie die sprichwörtliche “Sau durchs Dorf” getrieben, medial wochenlang ausgequetscht und wie derzeit, auch als Wahlkampfthema von den Parteien mißbraucht.
Das ist der Sache nicht dienlich und verhindert einen nötigen und objektiven Aufarbeitungsprozess der vermeintliche Fehler aufzeigt und Änderungen ermöglicht. Auch die stigmatisierende Haltung zu psychischen Erkrankungen ist dabei wenig hilfreich. Wichtiger wäre es die frühzeitige Erkennung durch Forschung und Behandlung weiter voranzutreiben um das Risiko weiter zu minimieren.
Wer Menschen aus Krisen- und Kriegsgebieten aufnimmt muß sich darüber klar sein dass diese Menschen traumatische Situationen durchlebt haben können. Von Todesangst bis sexuellem Mißbrauch ist dabei alles denkbar. Auch das kann Grund für eine schwere psychische Krise sein.
Darum ist es wichtig einen offenen Dialog zu führen. Schuldzuweisungen und scheinheilige Versuche die Verantwortung abzuschieben werden uns dabei nicht helfen.
Roche-Dirac
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“….
Somit ergibt sich aber auch das Behörden wie zb die Polizei oder auch psychiatrische Einrichtungen erst handeln können wenn sich selbige Person etwas konkretes zu schulden kommen lässt…..bei einer einfachen Androhung können sie im Normalfall meines Wissens nach nicht wirklich viel unternehmen …”
So ist es. Zustimmung zum Kommentar von Alex.
Man sollte auch immer bedenken, wohin erleichterte “Zugriffsmöglichkeiten” von Polizei und oder psychiatrischen Einrichtungen hier führen könnten.
Solche Möglichkeiten könnten einem Missbrauch Tür und Tor öffnen. Da ärgert sich jemand über den Nachbarn X und behauptet gegenüber der Polizei, dass der X wahrscheinlich verrückt oder sonstwie gefährlich wäre, und schwupps landet der X für ein zwei Tage zur Beobachtung in irgendeiner Zelle im BKH.
Ich möchte sowas nicht persönlich erleben …
Mr. T.
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Alex, tom lehner und Roche-Dirac haben die Problematik ja ganz gut beschrieben 👍
Das Problem im vorliegenden Fall ist wohl auch die Herkunft der Täterin. Wäre sie nach Deutschland emigriert, hätten die lautesten Schreihälse schon die besten Lösungen parat. Man müsste nur sofort die Grenzen hermetisch abriegeln (wie auch immer das gelingen soll), auf ein freies Europa scheißen (mit allen negativen Konsequenzen) und könnte das Versagen (oder unglückliche Agieren) von einer schwarzbraunen Landesregierung auf eine rotgrüne Bundesregierung schieben. Man könnte alle Landsleute (und vielleicht Konfessionskolleg*innen) der Täterin mit in den Sack und ins nächste Abschiebeflugzeug stecken und deutsche Rentnerinnen wären zumindest vor Täterinnen dieser Provenienz sicher.
Manfred Martin
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@Alex
Ich denke, dass die Behörden, Berater und auch die Exekutive auch die Aufgabe hat, Straftaten zu verhindern, mit einer offener Beratung kranker Mitbürger.
tom lehner
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@ Manfred Martin
ohne es zu verharmlosen ist es im Zweifel immer leicht vom Staat, Behörden und Institutionen deren “Aufgaben” einzufordern. Leider gibt es Situationen im Leben wo ein Restrisiko bestehen bleibt. Das ist manchmal tragisch, ist aber so.
100%ige Sicherheit wird es nie geben. Das zu glauben ist illusorisch.
Christian Huber
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Mr. T versucht wieder mit seinem “wäre, dann” Sachen zu interpretieren, die so nicht zutrafen. Und tom lehner hakt die Sache auch ab und gibt zu, dass es 100%ige Sicherheit nicht geben kann.
tom lehner
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@ Christian Huber
“tom lehner hakt die Sache auch ab und gibt zu, dass es 100%ige Sicherheit nicht geben kann.”
Ich muß das gar nicht “Zugeben”. Das ist eben so..