Warnstreik am Uniklinikum Regensburg: Debatte um Lohndumping bei Service-GmbH verschärft sich
Gut 120 Beschäftigte der KDL GmbH des Uniklinikums Regensburg beteiligten sich diesen Mittwoch an einem Warnstreik. Doch dort stehen die Zeichen auf Einsparungen auf dem Rücken des Personals – dazu diente offenbar auch die intern präsentierte Horror-Prognose.
Anfang März war es noch ein Warnschuss, diese Woche machten die Beschäftigten der KDL, 2006 gegründete Service-GmbH am Universitätsklinikum Regensburg, ernst. Am Mittwochmorgen beteiligten sich etwa 120 der etwa 350 Mitarbeiterinnen an einem ersten Warnstreik. Die Forderung: ein Haus, ein Tarif. Anders als für die übrigen Beschäftigten am Uniklinikum gilt für die Angestellten dieser „Krankenhausdienstleistungsgesellschaft“ nicht der Tarifvertrag der Länder, sondern der deutlich schlechtere Rahmentarif für das Gebäudereinigerhandwerk. Je nach Beschäftigungsdauer beträgt die Lohndifferenz bis zu 45 Prozent.
Ein Beispiel: ein Beschäftigter, der 25 Jahre im Hol- und Bringdienst für die Uniklinik (UKR) arbeitet, verdient über die KDL 2.080 Euro im Monat, über den Tarifvertrag der Länder wären es mehr als 3.000 Euro. In dieser Rechnung nicht enthalten: das Urlaubsgeld ist deutlich niedriger, eine Jahressonderzahlung oder Weihnachtsgeld gibt es bei der KDL nicht.
Niedriglohn-Gesellschaft KDL: vor allem Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund betroffen
„Die Angestellten der KDL erledigen Reinigungs-, Transport- und Gärtnerarbeiten, sie arbeiten im Schneeräum- und Sicherheitsdienste am UKR“, sagt Streikleiter Heinz Neff. Bei der deutlich schlechteren Entlohnung gerade in Lohngruppen, die ohnehin im unteren Bereich angesiedelt seien, sei Altersarmut vorprogrammiert, denn: Eine Zusatzversorgung oder Betriebsrente fehle und für private Vorsorge reiche das mickrige Gehalt nicht.
Vor allem Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund arbeiten in diesem Niedriglohnsektor. „Ohne unsere Arbeit läuft nichts an den Universitätskliniken“, konstatiert Nelly Nentschuk, Betriebsratsvorsitzende der KDL GmbH. „Doch viele müssen nach ihrer anstrengenden Arbeit in der OP-Reinigung, der Spülküche, dem Hol- und Bringdienst oder dem Stationsservice noch Nebenjobs machen, um über die Runden zu kommen und ihre Familien zu ernähren.“
Lohndumping via Auslagerung: ein Modell an mehreren Unikliniken
Nicht nur das Uniklinikum Regensburg greift auf dieses Niedriglohnmodell via Auslagerung zurück Und nicht nur dort haben die Beschäftigten schon mehrfach versucht, die Arbeitgeberseite zu Verhandlungen an einen Tisch zu bekommen. Nach Angaben der Gewerkschaft ver.di habe man neben Regensburg auch an den Universitätskliniken Erlangen und Würzburg, sowie des zur TU München gehörenden Klinikums rechts der Isar Tarifverhandlungen zu den ausgelagerten Service-GmbHs gefordert – erfolglos.
Deshalb wird jetzt die Gangart verschärft, trotz – das hört man verschiedentlich von Beschäftigten – Einschüchterung und Versuchen, sie von Gewerkschaftsaktionen und Streiks fernzuhalten.
Eine zwingende Gesetzmäßigkeit sind diese Service-GmbHs nicht. „Dass es anders geht, beweist etwa die Universitätsklinik Augsburg“, sagt Dr. Robert Hinke, Landesfachbereichsleiter für Gesundheit & Bildung bei ver.di. In Augsburg habe man auf „Tarifflucht durch Ausgliederung“ verzichtet.
KDL GmbH: eine Co-Produktion von Putz-Götz und Freistaat
Das Universitätsklinikum und damit am Ende das Land Bayern hält an der KDL 51 Prozent, die übrigen 49 Prozent gehören einer Beteiligungsgesellschaft des Regensburger Putz-Imperiums Götz.
Der Geschäftsführer der KDL ist gleichzeitig – eine bemerkenswerte Kombination – als Leiter der Verwaltungsabteilung Logistik, Einkauf und Dienstleistungen direkt am Uniklinikum angestellt und verdient dort sein Geld. Die Geschäftsführertätigkeit für die KDL läuft nebenher und wird laut dem zuletzt veröffentlichten Geschäftsbericht mit lediglich 5.000 Euro jährlich entlohnt.
Internes Horror-Szenario mit Rekorddefizit: Sollte Druck auf die Beschäftigten gemacht werden?
Auf ein Entgegenkommen durch die Arbeitgeberseite stehen die Zeichen am Universitätsklinikum Regensburg derzeit nicht. Wie Mitte Februar von regensburg-digital berichtet, wurde der Führungsspitze am UKR Ende 2023 bei einer internen Sitzung ein Horror-Szenario präsentiert.
Demzufolge drohe ein Defizit in Höhe von über 45 Millionen Euro, hieß es gegenüber den Direktoren und Vorständen. Im Zuge unserer Recherchen relativierte der Ärztliche Direktor des UKR, Professor Oliver Kölbl, diese Prognose zwar. Gegenüber der Mittelbayerische Zeitung war gar von einem „Gerücht“ die Rede.
Laut einem aktuellen Bericht des Bayerischen Rundfunks hat Kölbl aber nun durchblicken lassen, dass durch die Präsentation – verantwortlich dafür war übrigens die Kaufmännische Direktorin Sabine Lange – Druck ausgeübt und hausinterne Sparmaßnahmen forciert werden sollten. Im Wesentlichen, anders kann man es kaum verstehen, auf dem Rücken des Personals.
„Ziel war natürlich auch, den Mitarbeitern zu zeigen, dass Anstrengungen von allen Berufsgruppen notwendig sind, damit es nicht zu diesem ‘Worst-Worst-Szenario’ kommt, dass sich alle anstrengen und motiviert sind und gut zusammenarbeiten“, so Kölbl gegenüber dem BR.
Schlechterer Betreuungsschlüssel als Sparmaßnahme
In dem internen Protokoll der Führungsklausur, über das unsere Redaktion zunächst exklusiv berichtet hat, drückt sich diese so umschriebene Aufforderung zu Motivation und Anstrengungen sehr konkret aus. Wörtlich heißt es dort:
„Die bisherige UKR-interne Konvention zur Definition des Pflegeschlüssels ist auf den Prüfstand zu stellen und soll an die gesetzlichen Regelungen angepasst werden.“
Anders ausgedrückt: Der Betreuungsschlüssel soll verschlechtert und dem Pflegepersonal zusätzliche Belastung und Verantwortung aufgebürdet werden.
Bessere Bezahlung als Zukunftsrisiko
Nicht viel anders sieht es mit Blick auf die KDL GmbH aus. Eine Tarifangleichung für die dort beschäftigten Menschen wird als mögliches Zukunftsrisiko für das UKR gelistet.
Angesichts der öffentlich gewordenen Debatte über die Präsentation des Minus-45-Millionen-Euro-Szenarios soll sich zwischenzeitlich auch das bayerische Wissenschaftsministerium in Regensburg eingeschaltet haben – ob das für die Beschäftigten bei UKR und KDL eine positive Entwicklung ist, bleibt abzuwarten.
Dr. Gagginger
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Hallo, seit Jahren lese ich relativ regelmässig RD, obwohl ich in Franken wohne. Anfangs wg. der Recherchen von Robert Werner, zunehmend aber auch andere Themen. Danke für Ihre tolle Arbeit. Ich wünschte, Vergleichbares gäbe es auch in Nürnberg.
Vielen Dank auch für diesen Artikel.
In Nürnberg war es nach Jahrelangem Kampf endlich möglich, die vor über 20 Jahren erfolgte Ausgliederung der Servicekräfte rückgängig zu machen.
Das sollte Mut und Ansporn für weitere Arbeitskämpfe sein.
Auch ein Uniklinikum wäre ein Fall für ein Tariftreuegesetz…
Auffällig nur, dass die sonst so diskussionsfreudige und (von außen betrachtet) zunehmend leicht erregbare RD Community hier nix beizutragen hat.
Bertl
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Die “Auslagerung” von Servicedienstleistungen geschieht auch in anderen Einrichtungen: Barmherzige Brüder, auch die AWO hat ein ähnliches System.
Es wäre gut, an der Uni- Klinik würde ein Exempel statuiert, damit grundsätzlich die Diskriminierung der im Servicebereich Tätigen nicht mehr möglich ist.
xy
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Man sollte doch aber auch berücksichtigen, dass es notwendig ist, Wege zu finden, Krankenhäuser noch irgendwie wirtschaftlich vertretbar halten und finanzieren zu können. Das Streben nach immer mehr Gehalt und „Tariftreue“ hat schon dazu geführt und wird in Zukunft verstärkt dazu führen, dass die med. Versorgung finanziell immer schwieriger wird und weitere Krankenhäuser schließen müssen. Dann hat man endlich hohe Löhne mit Anspruch Arbeitslosen- und Bürgergeld, aber keine Stellen und keine Krankenbetten mehr. Ein Ende mit Schrecken…
Informant
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@xy
| “Das Streben nach immer mehr Gehalt und „Tariftreue“ hat schon dazu
| geführt und wird in Zukunft verstärkt dazu führen, dass die med.
| Versorgung finanziell immer schwieriger wird”
Das widerspricht komplett meiner Wahrnehmung als ehem. externer Dienstleister in Krankenhäusern. Es ist sehr viele Geld für alles Mögliche da, manche Medizingeräte-Hersteller sind Quasi-Monopolisten, die fast schon Phantasiepreise für grottenschlechte Software oder veraltete Hardware verlangen können. Sobald der Stempel “medizinisch” drauf steht, kann es das fünffache des eigentlichen Preises kosten.
Ich denke nicht, dass bei diese Gruppe Mitarbeiter gespart wird, weil sie so teuer sind, sondern weil sie sich am wenigsten wehren können und als austauschbar betrachtet werden. Man spart – wie so oft – bei den Menschen, die sowieso wenig haben und wenig Optionen, sich zu wehren. Das ist einfach nur asozial.