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Kulturausschuss

Walter Boll: Unger schweigt, Dersch bleibt „ergebnisoffen“

Ein Zwischenbericht des Kulturreferenten zum weiteren Vorgehen in Sachen Walter Boll stößt im Kulturausschuss auf weitgehende Zustimmung. Eine Kontroverse beendet die OB mit einem Machtwort.

Mit dem Rücken am alten Rathaus: Walter Boll (li. mit Narrenkappe) präsentiert sich zusammen mit Nazi-Oberbürgermeister Otto Schottenheim (re. mit Bierkrug) beim Faschingsumzug der Bevölkerung (11.2.1934). Foto: Historisches Museum Regensburg.

Woher stammt sie nun – die Schote des früheren Regensburger Kulturreferenten Klemens Unger, derzufolge der Nazi-Karrierist Walter Boll „im Jahr 1943 einen Juden in einem steinernen Sarg in der Minoritenkirche vor der Gestapo versteckt und ihm so das Leben gerettet“ haben soll? Und hat sie irgendetwas mit der Realität zu tun?

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Auf eine entsprechende Anfrage unserer Redaktion reagiert der Pensionist nicht. Und auch Ungers Nachfolger Wolfgang Dersch hat darauf keine Antwort, als er am Mittwoch auf Antrag von Ribisl-Stadtrat Jakob Friedl einen Zwischenbericht zum weiteren Vorgehen in der „Causa Boll“ abgibt.

Interner Boll-„Workshop“ Ende 2022

Ende 2022 hat demnach auf Initiative des Kulturreferates ein „Workshop“ in Zusammenarbeit mit einschlägigen Institutionen stattgefunden. Rund 30 Expertinnen und Experten aus Kultur, Verwaltung und Wissenschaft diskutierten im Haus der Musik am Bismarckplatz über das Wirken von Walter Boll, der die Kulturpolitik der Stadt über weite Teile des 20. Jahrhunderts geprägt hat.

Die NS-Verstrickungen des langjährigen Regensburger Museumsdirektors und Kulturreferenten im NS-Regime stehen schon länger in der Kritik. Seit über zwölf Jahren wird im Stadtrat die ausstehende Aufarbeitung der Causa Boll moniert.

Stadt reagiert auf Recherchen

Nach den Recherchen der Autorin Waltraud Bierwirth zu Bolls Beteiligung an der sogenannten „Arisierung“ jüdischen Eigentums und dem Aufkauf abgepresster Kunstwerke sowie den Forschungen unseres Autors Robert Werner hat die Stadtverwaltung im Jahre 2019 zum wiederholten Male bekannt gegeben, Bolls Rolle wissenschaftlich aufarbeiten zu wollen.

Das Ende der Legende vom ehrenwerten Herrn Boll?

Erst konkrete Schritte unternahm die Verwaltung bereits, als sie (nach Veröffentlichung entsprechender Recherchen von regensburg-digital) mit den Regensburger Freimaurern die Rückgabe von Eigentum vereinbarte. Raubkunst, die Boll 1934 für das damalige Ostmarkmuseum erworben hatte. Die Stadt hat zwischenzeitlich eingeräumt, dass der Kauf und die Aneignung unter dem Druck der nationalsozialistischen Verfolgung geschah.

Zusammenarbeit mit der Uni geplant

Als wesentliche Ergebnisse des erwähnten Workshops nennt Dersch unter anderem eine wissenschaftliche Aufarbeitung, die man in Zusammenarbeit mit der Universität Regensburg anstreben will. Dissertationen, Magisterarbeiten und andere Formate seien möglich.

Mit den Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Institutionen, mit denen Walter Boll zu Lebzeiten verbunden war, sei vereinbart worden, die verstreuten Archivalien im Stadtarchiv zusammenzuführen – sei es das Amt für Denkmalpflege, die Staatliche Bibliothek Regensburg, der Historische Verein für Oberpfalz und Regensburg, das Kunstforum Ostdeutsche Galerie oder die Regensburger Museen.

Die zum Teil bereits eingegangenen Archivalien sollen dann digitalisiert, verzeichnet und für die interessierte Öffentlichkeit und anstehenden Forschungen zugänglich gemacht werden. Aus dem Historischen Museum sind laut Dersch bereits 50 in Stehordnern verwahrte Akteneinheiten ins Stadtarchiv verbracht worden – nachdem er „einen Brief ans Museum“ geschrieben habe.

Weiter plant die Stadt, das vergriffene Standardwerk zur Regensburger NS-Geschichte des 2017 verstorbenen Helmut Halter (Stadt unterm Hakenkreuz) zu digitalisieren und so Interessierten zur Verfügung zu stellen. Auf dem diesjährigen Regensburger Herbstsymposium für Kunst, Geschichte und Denkmalpflege soll das Thema Boll und die Denkmalpflege präsentiert, von Stadtarchivar Lorenz Baibl ein wissenschaftlicher Aufsatz zu Boll verfasst werden.

Kontroverse mit „Geschmäckle“

Während der Bericht des Kulturreferenten auf vielfach geäußerte Zustimmung stößt, wird es am Ende doch noch ein wenig kontrovers. Weil Jakob Friedl wieder einmal den Wunsch anbringt, die Stadt möge bei ihren Expertenrunden doch die seit vielen Jahren zur Stadtgeschichte ehrenamtlich Arbeitenden und Forschenden miteinbeziehen, spricht Brücke-Stadtrat Florian Rottke von einem „Geschmäckle“.

Schließlich seien unter den Personen, die Friedl da vorschlage, auch solche, die der Ribisl-Stadtrat persönlich kenne, meint Rottke zur Begründung.

Eine kurze Debatte, allerdings abseits persönlicher Aversionen, gibt es zwischen Grünen-Stadtrat Daniel Gaittet und Kulturreferent Dersch anlässlich der Frage, was den nun dran sei an der Erzählung, die Unger 2017 im Stadtrat über eine angebliche Juden-Rettung durch Boll zum Besten gab.

Kontroverse mit Sachbezug

Zwar kann Dersch, wie erwähnt, dazu noch nichts berichten. Doch als er dann mehrfach davon spricht, dass man doch die „ergebnisoffenen Forschungen“ dazu abzuwarten solle, schaltet sich Gaittet ein.  Die ständige Betonung der Ergebnisoffenheit sei etwas irritierend, so der Grünen-Stadtrat. Das sei ohnehin selbstverständlich. Man habe hier ein „sehr zweifelhaftes Erbe“, Walter Boll sei eine „problematische Figur“. Und man müsse gerade als Stadt Regensburg aufpassen, dass das Ganze jetzt „kein Projekt zur Entlastung“ werde, sondern zur Aufarbeitung.

Dersch verteidigt daraufhin seine Wortwahl und das nichtöffentliche Einberufen der bereits erwähnten Expertenrunde. Man habe sich in Sachen Boll zunächst „selbst finden“ und selber recherchieren müssen. Er habe nur auf die Ergebnisoffenheit hingewiesen, „weil uns schon unterstellt wurde, dass wir voreingenommen sind“.

Zu guter Letzt spricht Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer ein Machtwort: Es gehe in der Causa Boll selbstverständlich nicht um „Entlastung, sondern um Aufklärung und Aufarbeitung.“

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Kommentare (22)

  • Hthik

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    »Zu guter Letzt spricht Oberbürgermeisterin Maltz-Schwarzfischer ein Machtwort: Es gehe in der Causa Boll selbstverständlich nicht um „Entlastung, sondern um Aufklärung und Aufarbeitung.“«

    Ja eben, wir machen das jetzt ordentlich und dann sehen wir ja was rauskommt. Beziehungsweise sehen, was uns gesagt wird, das rausgekommen ist. Wegen Nichtöffentlichkeit und so.

    “Schließlich seien unter den Personen, die Friedl da vorschlage, auch solche, die der Ribisl-Stadtrat persönlich kenne, meint Rottke zur Begründung.”

    Das ist ja mal eine Enthüllung. Der kennt Leute, die sich damit auskennen, Experten sozusagen. Das legt schon irgendwie nahe, dass der mit diesen über das Thema gesprochen hat. Sich also sozusagen informiert hat. Dieser Friedl! Ein Stadtrat, der sich an der Verwaltung vorbei über ein Sitzungsthema im Voraus informiert. Wie konnte hier in Regensburg soetwas geschehen?

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  • Gscheidhaferl

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    @Hthik
    Sehr gut auf den Punkt gebracht ;-)

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  • Daniela

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    …’Nach den Recherchen der Autorin Waltraud Bierwirth zu Bolls Beteiligung an der sogenannten „Arisierung“ jüdischen Eigentums und dem Aufkauf abgepresster Kunstwerke sowie den Forschungen unseres Autors Robert Werner hat die Stadtverwaltung im Jahre 2019 zum wiederholten Male bekannt gegeben, Bolls Rolle wissenschaftlich aufarbeiten zu wollen.’ …

    Ja, Herrschaftszeit, dann macht es doch endlich! Das einzige, was dazu erforderlich ist, es ehrlich und offen an zu gehen. Jeder, der noch annehmen mag, dass die ‘ Causa Boll ‘ während des NS – Regime sauber und aus heutiger Sicht ‘ nicht zu beanstanden ‘ sei, dem wird man auch nicht mit Expertisen weiterhelfen können.
    Wie war es denn nach 1945, keiner wollte was gewusst haben und gewesen ist es auch keiner. Eine Nation der Unwissenheit, der Trittbrettfahrer… Und eben auch der NS – Karrieristen ….

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  • Mr. T.

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    Auf die Expertise und Vorarbeit von Personen, die schon an dem Thema gearbeitet haben, zu verzichten, nur weil der Friedl die persönlich kennt, ist schon ausgesprochen dumm. Vielleicht hat der Rottke nur Angst, die könnten daran ähnlich verdienen, wie damals die Bauträger, die sein Parteifreund persönlich kannte. Aber beim Friedl kann das sicher nicht passieren.

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  • joey

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    wenn die Untersuchung voreingenommen ist, kann man sie sich gleich sparen. Das wäre ja dann sowas wie eine Hexenjagd. Aber Hexen waren ja auch mal wissenschaftlich anerkannt ebenso wie Rasselehrezeugs.
    Es hilft der Glaubwürdigkeit nicht, wenn man eine umgekehrte Entnazifizierung betreibt.

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  • F. Müller

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    Für den Brücke-Stadtrat Florian Rottke hat es ein „Geschmäckle“, wenn sein Kollege Friedl anregt, „die Stadt möge bei ihren Expertenrunden doch die seit vielen Jahren zur Stadtgeschichte ehrenamtlich Arbeitenden und Forschenden miteinbeziehen“, da Friedl diese kenne.

    Ich weiß nicht wen Friedl „persönlich“ kennt, aber es doch wohl so, dass diese ehrenamtlichen Arbeitenden die Aufarbeitung der Causa Boll überhaupt erst ins Laufen gebracht haben! Von daher läge es doch nahe, deren Expertise abzurufen, falls diese überhaupt dazu bereit wären!

    Herr Rottke möge sich um die Aufarbeitung des Regensburger Bestechungsskandals kümmern, gerne kann er dafür ihm „persönlich“ bekannte Experten heranziehen: um die Causa Wolbergs aufzuarbeiten, der wegen Bestechung rechtskräftig verurteilt wurde und als Fraktionschef der BRÜCKE immer noch den zu Unrecht verfolgten Saubermann und kommunalpolitischen Experten gibt.

    Es ist längst überfällig, dass Joachim Wolbergs als Politiker resigniert und der Stadtrat sich mit dem Regensburger Bestechungsskandal politisch auseinandersetzt, der ja auch die CSU und Teile der Verwaltung betrifft.

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  • Jakob Friedl

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    Es ist ein wichtiger Schritt, dass die Stadtverwaltung unter Federführung des Kulturreferats verbliebene Aktenbestände zu Walter Boll in das Stadtarchiv überführt und dort auch in digitalisierter Form der Forschung und einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich macht.

    Der im Rahmen des Kunstprojekts “Re-represent Walter Boll” und der Vorbereitungen zum “Boll-Hype” im Neuen Kunstverein entstandene “Bücher-Boll” nimmt eine tragende Rolle ein: Für den auch von der Stadt Regensburg mit geförderten Band 14 aus der Reihe “Täter Helfer Trittbrettfahrer. NS-Belastete aus der Oberpfalz” (Hrsg. Wolfgang Proske, erschienen im Kugelberg Verlag, 2022), in dem auch der Aufsatz “Die ganze Stadt ist wie ein Kind von mir” von Robert Werner enthalten ist.
    Die Dienstleitungsskulptur bietet sich dazu an den Band z.B. in öffentlichen Bibliotheken, Museen, städtischen Wartebereichen, im Rathaus und in Buchläden zu präsentieren. Es fallen 10 € Materialkosten an.
    https://ribisl.org/re-represent-walter-boll/#Buecher_Boll_Preview

    Zurück zur Sache:
    Ziel des Kunstprojektes ist es u.a. das Thema Stadtverwaltung im NS und in der Nachkriegszeit exemplarisch an der vielfach verstrickten Person des langjährigen Spitzenfunktionsträgers Walter Boll aufzugreifen und an dem Umgang damit zu arbeiten, nicht zuletzt um vielfältige Zugänge zu den (anlaufenden) historischen Forschungen zu schaffen.
    Wir wollen mit dem Thema in die Breite gehen und möglichst viele Menschen erreichen. Spätestens mit dem eigens gebrauten “Boll-Bier” dürfte dies gelingen.

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  • joey

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    Fast alle haben mitgemacht. Auch die (Ur-)Großeltern der Foristen hier. Die meisten waren kleine Lichter ohne Gelegenheit für besonders profitable Sachen. Das heißt aber nicht, daß sie im Widerstand waren. Wer eine schöne Kommode (von enteigneten Vorbesitzern) günstig kaufen konnte, hat es getan.

    Ehrungen von Personen aus dieser Zeit sind grundsätzlich zu unterlassen, von besonderen Helden wie Elser abgesehen. Boll war selbstverständlich ein Nazi wie sonst auch jede höhere Person. Sich jetzt auf solche Leute zu stürzen finde ich aber scheinheilig.

    Forscht doch selber. Seht der Wahrheit über Eure Familien ins Gesicht! Das Bundesarchiv Reinickendorf steht kostenlos (!) zur Verfügung, eine e-mail reicht. Man (z.B. ich) kriegt viel Unterstützung bei der Forschung, wenn man sich ein wenig geduldet. Deutschland tut viel zur Aufarbeitung, aber die meisten wollen (!) es nicht wissen, obwohl es heute gefahrlos ist.

    Ja, es war der liebe Opa. Und die Oma hat auch mitgeschrien bei der öffentlichen Versammlung. Auf den Fotos stehen die Frauen in Reih und Glied, den Arm hoch…
    Dann erst werft Steine auf Boll, wenn Ihr zuhause nachgesehen habt. Oder Ihr werft danach eben nicht mehr Steine… sondern seid wirklich entsetzt über dieses Verbrechen und erkennt, daß es heute genau so passieren könnte, daß wir heute keine besseren Menschen sind und erst recht durch Zeigefinger auch nicht werden.

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  • Daniela

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    joey
    17. März 2023 um 12:18 | #

    Sie haben in vielen Recht. Es gab Menschen, die sich nicht gegen das Regime und das was mindestens erahnbar war offen zu stellen, teils auch, aus Angst, selbst Hab und Gut zu verlieren. Natürlich sind sich diese Menschen auch dessen bewusst und schämen, genieren sich deshalb. Es gab viele derer, die nicht aktiv waren, sie haben geschwiegen. Dies war eine grausame Zeit.
    Und ja Sie haben auch Recht, dass wir uns bewusst machen müssen, dass es wieder geschehen kann.
    Eigentlich bedarf es der stetigen Aufklärung, insbesondere auch junger Menschen, damit diese wissen worum es geht, wie man erkennen kann, dass man nicht in einen Strudel gerät, der derartiges entstehen lässt.
    Aber lassen wir unseren Großeltern doch ihre eigene Geschichte für sich selbst aufarbeiten. Krieg bedeutet in aller Regel Greultaten, menschliches Leid, menschliche Verluste. Ich glaube dies ist uns in diesen Tagen wieder sehr vor Augen geführt.
    Aber bitte verlangen Sie nie, dass wir gegen unsere eigenen Großeltern, Eltern Recherche betreiben. Dies ist genauso menschenunwürdig, wie das, was die Stasi in der DDR tat.

    Und bitte vergessen Sie auch nicht, erst waren die Deutschen Kriegsführer und später Kriegsverlierer. Sie waren einst Mitläufer, Trittbrettfahrer oder auch Täter, oder sie ließen geschehen. Aber es gab auch eine Zeit danach und auch da gab es damals dann Greultaten gegen Zivilisten auf deutscher Seite.

    Ich habe genauso deutsche Großmütter kennen lernen müssen, die während und nach Kriegsende vergewaltigt wurden, zu sehen mussten, wie auch ihre noch sehr junge Söhne, aus nicht nachvollziehbaren Grund erschossen wurden.

    Bitte nicht falsch verstehen, ich nehme Nichts in Schutz, aber es gibt auch hier Material zur Aufarbeitung.

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  • Mr. T.

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    joey will mal wieder jegliche Diskussion unterdrücken mit dem ewiggestrigen Argument, erst mal vor der eigenen Tür zu kehren bevor man jemand anderem was vorwirft.
    Wie die Klimaaktivisten, die nicht mehr in den Urlaub dürfen, nicht mehr Autofahren dürfen, sich am besten klimafreundlich umbringen sollen, um kein CO2 mehr zu erzeugen, bevor sie von anderen Einschränkungen verlangen dürfen.
    Dabei muss man hier sehr wohl unterscheiden, dass jede Person auf der Ebene aufgeabrietet werden muss, auf der sie agiert hat. Mit dem eigenen Opa, der Hitler gewählt und für gut befunden, sonst aber nicht weiter agiert hat, muss man in der Familie aufräumen, mit Walter Boll als prägender Figur in der Regensburger Kulturgeschichte vor und nach dem Krieg muss man auf Regensburger Ebene aufräumen.
    Was soll die unverschämte Unterstellung, jede*r die/der hier diskutiert, würde die Geschichte der eigenen Vorfahren im NS ignorieren?
    Ich weiß durchaus, wer von meinen Ahnen die Augen zugemacht hat, mitgelaufen ist oder gar das System mitgetragen hat.
    Und genau weil es heute wieder passieren kann, müssen solche Themen bei jeder Gelegenheit und auf allen Ebenen immer wieder auf den Tisch. Nichts darf unaufgeklärt bleiben, vom Genickschuss auf einen politischen Gefangenen bis hin zum Kaffeekochen in der Parteizentrale.

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  • Hthik

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    @joey 16. März 2023 um 20:58

    “Aber Hexen waren ja auch mal wissenschaftlich anerkannt ebenso wie Rasselehrezeugs.”

    Da war nix anerkannt, denn die Wisenschaft war nicht frei. Es war lebensgefährlich offen anderer Meinung zu sein.

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  • Fr. Streng

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    @Joey hat Recht wenn er auf die Selbstgerechten zeigt, die sich nicht mit den Vorteilen und Nutznießern des NS-Regimes auseinandergesetzt haben. Er ist aber peinlich platt mit seinem “fast alle haben mitgemacht”. Wo bleiben die Verfolgten und ihre Nachkommen…

    Ich habe neulich eine Laudatio für einen NS-Verfolgten gehört, der trotz hohes Alter von seinen leidvollen Erfahrungen berichtet. Der Laudator hat sich als Sohn eines Mitläufers bezeichnet und so seinen sozialen Hintergrund bzgl. NS benannt. Das fände ich auch für das Forum gut.
    Meine (Groß-)Eltern lebten ärmlich aufm Dorf, waren keine Gegener, keine (politisch, religiös, “rassisch” oder sonstwie Verfolgtenund keine Nutznießer des NS-Regimes, 6 Onkels wollten in der Hitlerarme die Welt erorbern und dabei gestorben. Eine gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit ihrem “Deutsch-Sein” haben sie nie geführt. Über die Juden darf man nix sagen, das glauben sie als “Lektion” gelernt zu haben.

    Mr. T hat völlig Recht, dass NS-Funktionäre wie Boll, der die Stadtkultur wie kaum ein anderer über Jahrzehnte, längst von der Stadtverwaltung, bzw – gesellschaft hätte kritisch aufgearbeitet werden müssen.

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  • joey

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    @Mr. T.
    Ihnen traue ich es zu, daß Sie nachgeforscht haben. Man glaubt ja nicht alles, was erzählt wird, sondern prüft kritisch. Die Anzahl der Rechercheanträge ist aber gering. Es will auch heute “keiner” wissen.
    Boll war ein Nazi und jeder weiß das ohne 50 Ordner. Da kann ein Unger sagen was er will, wer glaubt ihm das?
    Werft die Boll Büste in einen Keller und deckt das Ding mit einem braunen Tuch ab. Wäre ein kurzes (und billiges) Verfahren ganz ohne die “wirklich relevante” Frage, wer Friedl kennt.

    @Daniela
    ja, es gab auch Kriegsverbrechen an Deutschen, die man zu Recht aufarbeiten muß – auch weil es unklug ist, das Thema den Rechtsradikalen als Revisionismus zu überlassen.

    Meine Großeltern waren wirklich “liebe Leute”. Ich wollte trotzdem wissen, was los war. Denn es ist passiert. Am Ende kommt die Erkenntnis, daß die Welt ziemlich grau ist und eben nicht schwarz weiß. Grau hilft gegen Selbstgerechtigkeit.

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  • joey

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    @Fr. Streng
    auch in vielen Häusern in Dörfern werden bei Abbrucharbeiten a) Waffen und b) Parteiabzeichen gefunden (Bau ist mein Beruf). Die Waffen machen dann hier in RD Karriere als Polizeibericht, die Abzeichen verschwinden lautlos, weil sonst ein Anwalt der früheren Besitzer wegen Rufschädigung…
    Das ganze Land war NS organisiert, keine Dorfkanzlei kam ohne Führerbild und Hakenkreuz Briefbeschwerer aus.
    Jeder Bursch vom Land in irgendeinem Fronteinsatz hat die zerlumpten KZler als Bombenräumer am Bahnhof gesehen. Hätten die Burschen als Soldaten was dagegen tun können? Meistens (dann) nicht (mehr). Das Grau. Das Grauen.

    Forschen Sie. Im Bundesarchiv finden Sie z.B. die Einheiten, bei denen Ihre Vorfahren waren. Es kostet nichts außer etwas Mut zur Wahrheit.

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  • Gscheidhaferl

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    @joey
    Sie haben in Vielem Recht. Aber hinsichtlich der Schlussfolgerungen halte ich es dann doch lieber mit Mr. T.: Die eigene Verstrickung (bzw. die Verstrickungen von Angehörigen) sollten nicht dazu führen, dass Unrecht/Unhaltbares nicht mehr klar als solches benannt wird. Der Selbstgerechtigkeit/Selbstgefälligkeit sollten wir uns dabei natürlich enthalten und uns nicht einbilden, über vergleichbares menschliches Versagen grundsätzlich erhaben zu sein. Vielleicht wäre das ja auch eine brauchbare Synthese in dieser Diskussion.

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  • Daniela

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    @joey
    17. März 2023 um 15:54 | #

    Sie schrieben:..’Meine Großeltern waren wirklich “liebe Leute”. Ich wollte trotzdem wissen, was los war. Denn es ist passiert. ‘…

    Sehen Sie, ich habe meine Großeltern, Großonkel, Großtanten… persönlich gefragt, solange sie lebten. Und ich habe durchaus höchst unterschiedliche Reaktionen erlebt. Da war alles dabei, von… Ich bin froh, dass es jemand gibt, den es interessiert…. bis… Das verstehst du nicht… und… Es geht Dich Nichts an. …

    Auch mancher Nachlass musste irgendwann sortiert werden. Und da erlebten wir auch manche Überraschung.

    Und ich kann Ihnen versichern, es gab weiß, schwarz, grau und jede Menge Schattierungen in grau.

    Aber eines habe ich dabei gelernt, ich habe es nicht nötig, irgendwem hinterher zu recherchieren. Und selbst wenn ich mir bekannte Menschen auf alten Fotos in Archiven entdecken würde, in Wehrmachtsuniform, beim HH – Gruß, in der Zeit von 1933 bis 1945, es würde nicht bezeugen, welcher Gesinnung sie wirklich waren.

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  • joey

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    “Es war Hitler, aber nicht die Wehrmacht”. Nein, es war nicht nur Hitler. Auch eine Hexenverbrennung hilft nicht gegen das Böse.
    Ja liebe Daniela, ein Foto mit Hakenkreuzbinde ist kein Beweis für einen Nazi. Ist dann ein Hitlergruß 1939 einer? Ein NS Text aus der Feder eines Kulturfunktionärs? Die Grenze zwischen “Mitläufer” und “Belasteter” ist schwer zu ziehen.

    Helmut Schmidt (Kanzler SPD) war Offizier bei der Belagerung Leningrads zur Vernichtung der Zivilbevölkerung durch Hungertod. Beurteilung: „Steht auf dem Boden der nat. soz. Weltanschauung und versteht es, dieses Gedankengut weiterzugeben.“ Müssen wir seine Büsten jetzt entfernen?

    Startpunkt war: die offizielle Untersuchung muß ergebnisoffen sein. Aber das Urteil ist doch längst gesprochen: keiner will ihn mehr haben.

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  • Jakob Friedl

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    @Joey
    Der Spitzen- und Multifunktionär Walter Boll prägte so lange wie kein anderer in übergeordneten und leitenden Positionen die Stadt Regensburg. Seine Portraitbüste wacht gewissermaßen seit 1970 unkommentiert über das historische Museum.
    Eine Auseinandersetzung mit einer so einflußreichen Person wie Walter Boll ist untrennbar mit einer Auseinandersetzung um die Strukturen der Stadtverwaltung und den (Kultur-)Seilschaften im NS und der Nachkriegszeit verbunden. Wir leisten hier einen künstlerischen Beitrag. Für eine (permanenten?) Neukonzeption des historisches Museums ist es notwendig in einer öffentlichen Auseinandersetzung Möglichkeiten des Umgangs zu erproben und Spielregeln zu verhandeln. Hierzu ein interessanter Hör-Beitrag zum Thema Museum als Ort der Demokratie und damit des zwanglosen Zwangs des besseren Arguments: https://www.deutschlandfunkkultur.de/denkfabrAra-sternfeld-ueber-das-laboratorium-der-zukunft-dlf-kultur-410e8e66-100.html

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  • joey

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    @Jakob Friedl
    im Museum war ich selbstverständlich oft. Nie aber habe ich den Boll auch nur angesehen. Der interessiert einfach nicht.
    Eine durchgreifende Entnazifizierung nach heutigen Maßstäben (vgl. neuere Gerichtsurteile) hätte 90% der männlichen Bevölkerung hinter Gitter gebracht. Da wären die Gitter ausgegangen…Das ändert nichts an der Schuld.

    Ins Museum gehört eine Statue von Marc Aurel (Sklavenjäger), weil ohne ihn kein Regensburg da wäre. Gut, daß er so lange tot ist. Jede sonstige Verehrung von irgendwelchen Schaidingern, Jungfrau Greta oder sogar ein Selbstbildnis von Jakob Friedl * sollte 2000 Jahre warten. Ok, mit einer Ermäßigung für Ortskräfte gehts auch mit 100 Jahren, bis der nötige Diskussionsraum erreicht ist.

    * Humorversuch.

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  • Jakob Friedl

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    Hier zwei weitere Boll-Skizzen der vergangenen Tage zur weiteren Bearbeitung für den “Boll-Hype”, ab 1. Juni im Neuen Kunstverein:
    Boll stolpert aus dem Museum in den öffentlichen Raum:
    https://ribisl.org/re-represent-walter-boll/#Stolperboll-Museum
    Inszenierung von Authentizität im Herzogsaal: 1940 Kreative Denkmalpflege – 2023 selektive Geschichtserzählung: “Fürstlich Feiern und Tagen mit historischem Flair.”
    https://ribisl.org/re-represent-walter-boll/#Herzogsaal

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  • Schröck

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    @joey
    In Anbetracht der einmonatigen Karenzzeit des selbsternannten Gender-Beauftragten möchte ich doch hiermit auf den gründlich mißglückten “Humorversuch” in Bezug auf eine sogenannte “Jungfrau Greta” hingewiesen haben und stellvertretend auf die Nettikette (Rechtschreibung bewußt fehlerhaft) verweisen!

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  • joey

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    @Schröck
    Greta ist das beste Beispiel für eine Person, die zu Lebzeiten auf Sockel gehoben wird. Was, wenn sie sich als Judenhasserin offenbart? (Gab ja schon einige aus dieser Bewegung und Greta ist ja noch jung). Was, wenn sie sich in eine Atomlobbyistin entwickelt?

    Deshalb: wartet ruhig ein paar oder vielleicht noch weit mehr Jahre, bis jemand als Säulenheiliger verehrt wird. Mutter Theresa wird vorgeworfen, sich mit Franco recht gut verstanden zu haben. Stauffenberg… gehen Sie mal beliebige Heldengeschichten durch und Sie werden Menschen finden.

    Sie müssen nicht gut finden, was ich schreibe. Sie sollten aber gut finden, daß hier Kontroverse möglich ist. Meine Freiheit ist auch Ihre Freiheit und eine Lehre aus Monarchie und NS Zeit. Einer der Gründe, warum man Boll loswerden möchte und von mir aus auch sollte.

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