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Urteile im Drogenprozess

Walhalla-Connection: Achteinhalb Jahre für den Hauptangeklagten

Drei Monate lang hatte sich das Regensburger Landgericht mit vier 23 und 24 Jahre alten Männern aus Regensburg zu beschäftigen. Die sogenannte Walhalla-Connection soll unter anderem über Kryptohandys mit rund 400 Kilo Marihuana gedealt haben.

Am Freitag folgte der Schlussakt im Prozess gegen vier junge Regensburger. Der Hauptangeklagte – zwischen den Rechtsanwälten Carolin Schal und Tim Fischer – bekam achteinhalb Jahre. Foto: Bothner

Vier Angeklagte. Vier Verurteilungen. Ein grundsätzlich bestätigter Sachverhalt. Aber auch einige Änderungen gegenüber der Anklageschrift. Nach rund drei Monaten endete diesen Freitag ein nicht ganz alltäglicher Drogenprozess vor der 5. Strafkammer des Landgericht Regensburg. Vieles hatte sich nach mehreren Rechtsgesprächen an den ersten Verhandlungstagen und einigen Hinweisen des Gerichts bereits angebahnt. Manches, wie etwa der Vorwurf einer Bandenstruktur, war bereits wegbeschränkt worden. Die Angeklagten hatten sich umfangreich zu den meisten Anklagepunkten bekannt und durch ihre Geständnisse ein womöglich noch längeres Verfahren verhindert.

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Gewerbsmäßiger Drogenhandel

Und so herrscht Freitagvormittag, kurz vor 9 Uhr, zwar keine Freudenstimmung, aber eben auch keine große Anspannung im Sitzungssaal 104. Der ist bis auf wenige Plätze auch im Zuschauerraum gut gefühlt. Die Familien der vier Beschuldigten waren schon vergangenen Dienstag zu den Plädoyers von Staatsanwalt Tobias Schüßler sowie der Verteidigerriege erschienen. Diesmal sind zudem einige Freunde anwesend. Die nicken beim Betreten den jeweiligen Angeklagten zu, man winkt und zwinkert.

Kurz nach 9 Uhr zieht dann aber unausweichlich die Realität ein. In rund zwei Stunden führt Richter Thomas Zenger aus, wie die Kammer zu ihren Entscheidungen gekommen ist. Warum die Angeklagten nur knapp nicht als Bande anzusehen seien, sich drei von ihnen gleichwohl aber unter anderem des gewerbsmäßigen Handeltreibens in nicht geringer Menge schuldig gemacht haben.

 „Wir sind die Macher in der Stadt.“

Ab dem Frühjahr 2020, bis zur Verhaftung im März 2021 hatten die Angeklagten mit Kryptohandys über die Messengerdienste EncroChat und SkyECC regelmäßig in Bonn und Berlin große Mengen Marihuana bestellt und diese zum Teil weiter verkauft. Gegenüber den Geschäftspartnern hatte der Hauptangeklagte in den Chats geprahlt: „Wir sind die Macher in der Stadt. Will nicht großkotzig klingen, aber überall in der Stadt ist mein Zeug.“ (hier ein erster ausführlicher Bericht zum Prozess)

Inwieweit dies wirklich der Realität entsprach, ist vor Gericht kein Thema. Es seien aber ohne Zweifel „massivste Mengen“ Marihuana gewesen, wie der Richter immer wieder anführt. Rund 430 Kilo sind es laut Anklage gewesen – ein geschätzter Wert von 2,3 Millionen Euro. Ebenso oft betont er: Die Angeklagten hätten „hier wirklich die Hosen heruntergelassen“.

Kammer mit Staatsanwalt nicht in allen Punkten einig

Damit begegnet Zenger auch einigen Ausführungen des Staatsanwalts. Denn gegenüber Schüßler kommt die Kammer in mehreren angeklagten Fällen zu einer etwas anderen Einschätzung. Warum, habe sich die Kammer gefragt, sollten die Angeklagten die meisten Vorwürfe einräumen, sich teilweise selbst schwer belasten, um dann bei vermeintlich kleinen Posten aber falsche Angaben zu machen?

Eine Lieferung von 250 Gramm Kokain etwa könne sehr wohl für den Eigengebrauch bestimmt gewesen sein, meint Zenger. Jedenfalls dann, wenn die Einlassung des Hauptangeklagten Jamal S. (alle Namen geändert) stimme. Der hatte angegeben, einen Teil des weißen Stoffs selbst weggeschnupft, einiges an Freunde verschenkt oder lediglich zum Einkaufspreis weitergegeben zu haben. Gedealt habe er mit Kokain nicht. Für die Kammer durchaus plausibel, betrachte man das Gesamtpaket.

Messer ja. Aber kein Handeltreiben.

Auch beim Vorwurf des bewaffneten Handeltreibens gegen den Mitangeklagten Ismail T. weicht das Gericht von der Anklageseite ab. Im Auto des 23-Jährigen hatte die Polizei neben Marihuana auch ein Messer sichergestellt. Weil die Kammer aber dem Angeklagten Glauben schenkt, die Drogen seien rein für den eigenen Konsum bestimmt gewesen, spielt das Messer für die juristische Verfolgung keine Rolle mehr.

Zu Beginn des Verfahrens standen für T. einmal bis zu viereinhalb Jahre im Raum. Staatsanwalt Schüßler beantragte letztlich vier Jahre und die Rechtsanwälte Michael Haizmann und Philip Roth eine bewährungsfähige Strafe von zwei Jahren. Am Freitag wird Ismail T. zu zweieinhalb Jahren unter anderem wegen Handeltreibens sowie der Anstiftung zur Einfuhr verbotener Substanzen verurteilt. Er hatte mit einem der Mitangeklagten aus Spanien und den USA per Post mehrere Bestellungen getätigt. Diese wurden allerdings allesamt abgefangen. Auch hier folgt die Kammer den Einlassungen und bewertet die Bestellungen als Eigenbedarf. 

Kronzeuge soll zeitnah in Therapie

Der 23-jährige T. hatte sich bereits früh gegenüber den Ermittlungsbeamten geständig gezeigt und so zur Aufklärung beigetragen. Bei ihm fand daher mit §31 Betäubungsmittelgesetz die sogenannte Kronzeugenregelung Anwendung. Er befand sich damit als einziger zuletzt auf freiem Fuß. Soald das Urteil rechtskräftig ist soll er zeitnah eine stationäre Therapie nach §64 StGB zur Behandlung seiner Drogenproblematik antreten.

Auch der Hauptangeklagte Jamal S. (24) und der 23-jährige Sebastian P. werden einen Teil ihrer Strafe in einer Entziehungsanstalt (§64) verbringen müssen. Bei allen drei Angeklagten soll die eigene Drogenproblematik und deren Finanzierung mit ursächlich für die begangenen Taten gewesen sein.

1,7 Millionen Euro Wertersatz

Jamals S. verurteilt das Gericht insgesamt zu achteinhalb Jahren. Schüssler hatte neun Jahre und vier Monate gefordert. Die Verteidiger Carolin Schal und Tim Fischer wollten bei sieben Jahren und sechs Monaten landen. Vor seiner Therapie muss S. zunächst einen Teil der Strafe als Vorwegvollzug absitzen.

Unter Anrechnung der seit April 2021 bereits verbüßten Untersuchungshaft und nach der wohl rund zweijährigen Therapiedauer könnte der 24-Jährige dann unter Bewährung bereits in einigen Jahren freikommen. Ob er den angeordneten Einzug von knapp 1,7 Millionen Euro – der vom Gericht geschätzte Verkaufserlös aus den Drogengeschäften – einmal wird entrichten können, wird sich zeigen. Ob davon noch Geld vorhanden ist, ist nicht bekannt.

Zäsurwirkung führt zu zwei Verurteilungen

Auch bei Sebastian P. ordnet das Gericht eine Einziehung von 11.050 Euro an. Weil er im Zeitraum der Tatbegehungen bereits in einem anderen Fall einschlägig verurteilt wurde, findet eine Zäsurregelung Anwendung. Die einzelnen nun verhandelten Taten werden dabei in die Zeiträume vor und nach der Vorverurteilung unterteilt und daher mit zwei eigenen Strafen belegt.

P. muss daher zwei Jahre acht Monate unter anderem wegen zwei Fällen sowie dreieinhalb Jahre wegen drei Fällen des Drogenhandels und der Anstiftung zur Einführung von Drogen (Postsendungen) absitzen. Auch er wird aber einen Teil der Strafe im Entzug verbringen und dürfte somit ebenfalls vorzeitig unter Bewährung freikommen.

Bunkerhalter muss im Gefängnis bleiben

Das Nachsehen hat damit der letzte im Bunde. Zwar bleibt das Urteil gegen Martin W. mit knapp über drei Jahren Gesamtstrafe deutlich unter den sechs Jahren, die zu Prozessbeginn einmal genannt wurden. Auch bei dem 23-Jährigen verhängt das Gericht aufgrund einer Zäsurwirkung durch ein vorheriges Urteil zwei Strafen – 16 Monate und ein Jahr zehn Monate. Er hatte sich in drei Fällen der Beihilfe schuldig gemacht, weil er unter anderem sein Auto als Bunker zur Verfügung gestellt hatte. Zenger spricht am Donnerstag von einer „falschverstandenen Freundschaft“ dem Hauptangeklagten gegenüber.

Jörg Meyer forderte in seinem Plädoyer ein Jahr und vier Monate, sah von einem Antrag auf Bewährung aber ab. Sein Mandant hatte bereits zwei Bewährungen aus früheren Verfahren. Foto: Bothner

Weil bei Martin W. aber keine Drogenproblematik vorliegt, muss er seine Strafe im Gefängnis absitzen. Eine Bewährung hatte auch sein Verteidiger Jörg Meyer nicht beantragt, da sein Mandant zur Tatzeit bereits unter offener Bewährung stand. Die zehn Monate aus dem früheren Urteil dürften somit noch oben drauf kommen.

Der Vorwurf der Bande war bereits vom Tisch

Ausführlich geht der Richter in der Urteilsbegründung noch einmal auf die Frage ein, inwieweit bei den Angeklagten von einer Bande die Rede hätte sein können. Gegen Mitte des Verfahrens hatten sich die Beteiligten darauf geeinigt, diesen Vorwurf nicht länger zu verfolgen. Dennoch, erklärt Zenger, habe die ursprüngliche Anklage der Staatsanwaltschaft sehr wohl ihre Berechtigung gehabt. Die Angeklagten hatten diesen Punkt stets bestritten. Zudem hatten die Ermittlungsakten hierzu mehr Fragen hinterlassen als klären können.

Am Ende sei es aber „nur ein gradueller Unterschied“ und eher eine Frage der juristischen Bewertung, so Zenger. Mit Verweis auf die geltende Rechtssprechung brauche es für eine Bande „keine mafiösen Strukturen“. Auch eine Jugendbande könne juristisch so bewertet werden, wenn gewisse Voraussetzungen bestehen. Weil im Fall der Walhalla-Connection die Banden-Frage nur unter großem prozessualem Aufwand wirklich hätte geklärt werden können, habe man aus „prozessökonomischen Gesichtspunkten“ davon abgesehen.

Aus Sicht der Kammer könne das „eingespielte, verfestigte Bezugs- und Absatzsystem“ der Angeklagten „noch knapp unterhalb einer Bandenstruktur“ angesetzt werden. Mit Blick auf die verhängten Strafen betont Zenger dabe: „Es war also keineswegs so, dass hier ein großer Batzen weggewischt wurde.“

Urteile dürften „nicht vernichtend wirken“

Das Gericht sei sich aber auch „bewusst, dass wir am heutigen Tag keine unerhebliche Weiche Ihres Lebens gestellt haben“. Schließlich werde den vier Angeklagten, neben der bereits erlittenen U-Haft, mit den Strafen ein ordentliches Paket auf den weiteren Lebensweg mitgegeben. Strafen müssten aber immer auch den Weg einer Resozialisierung eröffnen, dürften „nicht vernichtend wirken auf einen Menschen“. Auch das sei bei der Urteilsfindung mit eingeflossen, sagt Zenger.

Mit den Entscheidungen dürften die vier Angeklagten grundsätzlich gut leben können. Ob sie dennoch Rechtsmittel einlegen werden, wollten die Anwälte direkt im Nachgang der Verhandlung noch nicht sagen.


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Kommentare (2)

  • Spartacus

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    Dachte schon beim Namen an ein weiteres Politiker*innen- Immobilien-Geflecht und dann war’s doch quasi nur ein Prozess denn man in einem Jahr in der Form wohl nicht mehr geführt hätte.

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  • Mr. B.

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    Zu Spartacus
    18. Juli 2022 um 17:45 |

    Ich hoffe, dass wir weiterhin und unendlich solche Prozesse führen, nämlich unserer jungen Leute wegen! Sie haben wahrscheinlich keine Kinder und sind ggf. selbst Konsument!
    Warum kriegen die meisten nicht nur eine Haftstrafe, sondern auch eine Therapie?
    Man könnte ja beispielsweise das Land Berlin ausnehmen? Hier hat man es mit Ihrer Meinung ja über viele Jahre geschafft, das Land fast in d. Versenkung verschwinden zu lassen? Jedes Jahr werden viele Milliarden zur Unterstützung zugeschossen! Also, Koffer packen und los geht’s, wer will? Bayern ist da, Gott sei Dank, noch nicht so tief gesunken!

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