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„Von mir ist nie ein kriminelles Potential ausgegangen. Ich habe Waffen einfach nur gemocht. Schon als Kind.“ Am Donnerstag begann die juristische Aufarbeitung einer schlagzeilenträchtigen Waffenrazzia. Verantworten musste sich ein 46jähriger, bei dem die Ermittler ein beträchtliches Arsenal sichergestellt hatten.
Ein Tel der bei der Razzia im Februar sichergestellten Waffen. Foto: Polizei
„Ein empfindlicher Schlag gegen illegalen Waffenbesitz auch im rechtsextremen Milieu“: Mit dieser Aussage des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) machte Ende Februar eine bundesweite Waffenrazzia Schlagzeilen. Die „Lebensbeichte“ eines Waffenhändlers aus dem Landkreis Regensburg hatte den Großeinsatz ausgelöst, bei dem 1.500 Polizeibeamte im Einsatz waren, rund 60 Objekte durchsucht und elf Personen festgenommen wurden und an dessen Ende sieben Haftbefehle standen. 186 Schusswaffen, Munition, Messer und Wurfsterne wurden sichergestellt. Vom vermeintlichen Schlag gegen Rechts indes blieb nichts übrig, außer ein paar hysterischer Schlagzeilen. Auch das Innenministerium ruderte nach einem Bericht von regensburg-digital.de zurück.
Ein Häufchen Elend und ein Haufen Waffen
Am Donnerstag begann nun die juristische Aufarbeitung der Waffenfunde. Vor dem Regensburger Amtsgericht musste sich der 46jährige Lackierer Konrad W. verantworten, bei dem die Beamten unter anderem eine Pumpgun, mehrere Gewehre und Pistolen sowie rund 6.000 Schuss Munition sichergestellt hatten. Was sich spektakulär und gefährlich anhört, mochte aber so gar nicht zu dem Häufchen Elend, einem kleinen, korpulenten Mann mit leiser, zurückhaltender Stimme, passen, der da vor Richter Norbert Brem saß.
„Er habe einen Riesenfehler gemacht“, erklärte der von acht Monaten Untersuchungshaft sichtlich mitgenommene Angeklagte. „Aber“, so W., fast ein wenig liebevoll in breitem Dialekt, „ich war einfach vernarrt in das Zeug“. Er habe Waffen „schon als kleines Kind gemocht“.
Doch wozu dann die Munition? „So etwas ist doch nicht nur Liebhaberei“, so Richter Brem. „Damit zieht man in den Krieg.“ Mei, das wisse er jetzt auch nicht so genau, meinte da der Angeklagte, der oft lange überlegte und sich immer wieder mit der Hand übers Gesicht strich. „Vielleicht aus Angst.“ Im Mai 1996 war W. von Mitgliedern des Motorradclubs Trust mit fünf Messerstichen in die Brust schwer verletzt worden. Bei der anschließenden Gerichtsverhandlung habe es dann Morddrohungen gegen ihn gegeben.
„Von mir ist nie ein kriminelles Potential ausgegangen“
„Ich hätte mir nie gedacht, dass mich mein Spleen mal in so eine Lage bringt. Von mir ist doch nie ein kriminelles Potential ausgegangen.“ Von dem Waffenhändler, dessen Beichte seine Festnahme ausgelöst hatte, habe er sich 2008 distanziert. „Das ist mir alles zu kriminell geworden.“
Dass er selbst nicht gewusst haben will, dass er sich mit seinen Besitztümern im Bereich der Schwerkriminalität bewegt, ist eine Naivität, die man dem 46jährigen fast abnehmen mochte. Bei seinem Arbeitgeber BMW gilt er als fleißig und zuverlässig. Mit Unterstützung seines Rechtsanwalts hat W. es gar geschafft, dass ihm sein Arbeitsplatz für die Dauer der Untersuchungshaft freigehalten wurde. Familie, einige Freunde und Nachbarn waren am Donnerstag im Gerichtssaal zugegen. Und immer wieder gab es Kopfschütteln auf der Zuschauerbank bei der Aufzählung all dessen, was W. da gehortet hatte. Sie beschreiben W. als „herzensguten Menschen“, eigentlich. Wäre da nicht „dieser Spleen“. Und dass er bereits 1996 wegen illegalem Waffenbesitz zu einer zehnmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden war, scheint für den ledigen Mann kein ausreichender Schuss vor den Bug gewesen zu sein.
Schießübungen bei Sinzinger Motorradclub
Das Arsenal, dass die Staatsanwaltschaft da auf den Gerichtstischen ausgebreitet hatte, bestand abgesehen von zwei „Liebhaberstücken“ aus durchweg schussfähigen Waffen, die W. zum Teil geladen zuhause aufbewahrt hatte: unter anderem besagte Pumpgun, mehrere Repetierbüchsen und Perkussionsrevolver (Revolver, die mit Schwarzpulver abgefeuert werden), eine Smith & Wesson-Pistole, eine Walter PPK.
Nachdem es 2008 eine erste Durchsuchung bei besagtem Waffenhändler gegeben hatte, lagerte der 46jährige einen Teil davon in den Schweinestall eines Freundes im Nachbarort aus – ebenfalls ein Waffennarr, dem W. auch die eine oder andere davon verkauft hat und der ebenfalls in U-Haft sitzt. Laut Staatsanwaltschaft wurde mit den Waffen unter anderem auf dem Gelände des Motorradclubs „Born Free Bavaria“ in Oberalling bei Sinzing (Landkreis Regensburg) geschossen. „Das war einer, der sehr, sehr viel gehabt hat“, so ein Kriminalbeamter über W..
Tränen beim Schlusswort
Immer wieder hatte der Lackierer Erinnerungslücken, wenn der Staatsanwalt wissen wollte, wann genau oder zu welchem Preis er nun Waffen ge- oder verkauft habe. „Man hat mir schon lange hinbetteln müssen, damit ich etwas hergebe und wenn dann wollte ich daran auch nicht wirklich etwas verdienen.“ Konrad W. selbst investierte mehrere tausend Euro in seine Leidenschaft. Weil er daneben auch eine Leidenschaft für neue Autos zu haben scheint, ist der Mann mit rund 30.000 Euro verschuldet.
„Ich bitte Sie, mir die Chance zu geben, mein Leben wieder in den Griff zu bekommen und in mein soziales Umfeld zurückzukehren. Ich bin geläutert, was Waffen angeht“, so der Angeklagte, der in seinem Schlusswort unter Tränen um eine Bewährungsstrafe bat.
Dieser Bitte entsprach das Gericht nicht und verurteilte W. zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis. Damit blieb es zwar noch ein gutes halbes Jahr unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, allerdings kann nur eine Strafe bis zu zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, bleibt der Mann wegen Fluchtgefahr weiter in Haft.
„Verhängnisvolle Leidenschaft“
Bereits die erste Vorstrafe hätte dem Angeklagten Warnung genug sein müssen, um seine „verhängnisvolle Leidenschaft“ zu beenden, so Richter Norbert Brem in der Urteilsbegründung. Von den Waffen sei ein erhebliches Bedrohungspotential ausgegangen. Das umso mehr, weil W. diese mit anderen Personen getauscht oder sie an diese weiterverkauft habe. Auch wenn die Strafe für W. erhebliche Härten – insbesondere den Verlust des Arbeitsplatzes – bedeute, könne die Strafe nicht auf zwei Jahre abgekürzt werden. „Das wäre nicht mit dem vereinbar, was man als gerecht empfindet.“