Von der Freiheit, Dummes zu tun
Am Dienstag war in Regensburg eine lebende Legende zu Gast – wenn auch eine, die hierzulande nicht allzu bekannt ist. Im benachbarten Tschechien sieht das freilich ganz anders aus. Hier kennen nicht nur die älteren Semester Jaroslav Hutka.
Der tschechische Liedermacher gilt als Ikone der kulturellen Protestszene gegen das realsozialistische System in der Tschechoslowakei und der sogenannten „Samtenen Revolution“, also der Demokratisierung des Landes im Jahr 1989. Hier spielte er seine Lieder auf Massendemonstrationen, sang von Menschlichkeit und Liebe, prägte Hymnen wie „Náměšť“. Hutka war auch Mitzeichner der Charta 77, eine 1977 vornehmlich von Künstlern und Intellektuellen veröffentlichte Petition, die die Menschenrechtsverletzungen des kommunistischen Regimes anprangerte.
„Ein cooler Typ“
Auf Einladung des Bohemicums spielte Jaroslav Hutka am Dienstagabend im vollbesetzten Leeren Beutel ein Konzert. Die Gastgeber wurden durch das Sudetendeutsche Musikinstitut des Bezirks Oberpfalz und das Tschechische Zentrum unterstützt. Der rüstige 67-jährige, dessen lange Locken und Rauschebart mittlerweile vollständig ergraut sind, reiste mit dem eigenen Auto aus Prag an. Mit modischem Pullover, Bluejeans und Sneakers betritt Hutka die Bühne, in einer kleinen Gürteltasche hat er sein Mobiltelefon immer dabei. „Ein cooler Typ“, findet einer der Veranstalter.
Das vornehmlich tschechischsprachige Publikum würde sich dieser Meinung wohl anschließen. Hutka spielt alte mährische Volksweisen und eigene Kompositionen auf seiner Akustikgitarre. Mal singt er von einem Dachs mit Rückenschmerzen, mal von politischen Missständen. Zu Beginn entschuldigt sich Hutka für sein „rostiges Deutsch“ – er habe seit 25 Jahren nicht mehr deutsch gesprochen. Als kleine Entschädigung singt er eine Passage auf Holländisch. Bis 1989 lebte der Musiker und Menschenrechtler in den Niederlanden im Exil.
Launige Anekdoten über Václav Havel
So sind die meisten Pointen und Erzählungen Hutkas in der ersten Hälfte seines Konzerts für die vereinzelten rein deutschsprachigen Zuschauer im Leeren Beutel nur bedingt nachvollziehbar. Eine lange Passage auf Tschechisch paraphrasiert er auf Deutsch etwa knapp mit „Ich habe etwas dabei, was Sie kaufen können.“ Erst nach der Pause entschuldigt sich Hutka, er habe gar nicht realisiert, wie viele Gäste kein Tschechisch sprechen – daraufhin erzählt er von sich und seinem Leben auch in deutscher Sprache.
So erfährt das Publikum zum Beispiel von einer launigen Anekdote, die Hutka mit dem tschechischen Dichter, Politiker und späteren Staatspräsidenten Václav Havel verbindet. Als Havel nach einem Gefängnisaufenthalt 1977 nach Hause kam, erwarteten ihn Jaroslav Hutka und einige Freunde. Hutka spielte Havel das ihm gewidmete Lied „Havlíčku Havle“. Weil Havel fand, dass er in der letzten Strophe des Songs zu gut wegkam, wollte er Hutka verbieten, diese zu spielen. Dagegen wehrte sich wiederum Hutka – kämpften er, Havel und ihre Mitstreiter doch gemeinsam gegen die Zensur.
Die aktuelle tschechische Politik? „Dumm!“
Der Abend ist kurzweilig, lädt zum Träumen und viele auch zum Mitsingen ein. Jaroslav Hutka sei „Bestandteil vieler individueller Erinnerungen“, bemerkt Marek Nekula, Leiter des Bohemicums, bei seiner Eröffnung des Abends. „Und individuelle Erinnerungen haben immer auch eine kollektive Dimension.“
Jaroslav Hutka mischt sich auch heute verbal und durch seine Lieder noch oft in die Angelegenheiten seines Heimatlandes ein. Die aktuelle tschechische Politik findet Hutka „dumm“. Nach 1989 hätten viele gedacht, wenn das „Böse“ einmal weg sei, käme automatisch das „Gute“ zum Zuge. „Doch da entstand eine Leere“, sagt Hutka auf der Bühne, „und es wurden viele Dummheiten gemacht.“ Freiheit sei etwas ambivalentes, weil man auch frei sei, viel Unsinn zu machen.
Am Mittwochabend findet eine zweite Veranstaltung des Bohemicums statt. Um 19 Uhr wird im Andreasstadel der Film “Swingtime”, der von der tschechoslowakischen Geheimpolizei erzählt, vorgeführt.
1989
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“Nach 1989 hätten viele gedacht, wenn das „Böse“ einmal weg sei, käme automatisch das „Gute“ zum Zuge.”
Dabei musste ich – zugegeben etwas off-topic – gerade an das 1989 Deutschlands denken.
http://www.bstu.bund.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/Pressemitteilungen-2014/2014_34_PM_Regensburg.html