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Diskussion an der Uni Regensburg

Verquickung Staat-Kirche: „Mit demokratischem Ethos nicht vereinbar“

Eine Podiumsdiskussion an der Universität Regensburg lotete das Verhältnis zwischen Christentum und Politik aus und setzte sich mit dem Kooperationsmodell Staat-Kirche kritisch auseinander.

Moderatorin Belinda Hartmann wollte von Werner Veith, Diana Stachowitz, Martin Sebaldt und Josef Zimmermann wissen, was der christliche Glaube mit Politik zu tun habe (v.l.). Foto: bvg

Trotz des Mitgliederschwunds bleiben die christlichen Kirchen weiterhin privilegierte Körperschaften des öffentlichen Rechts. Vor diesem Hintergrund wurde bei einer Podiumsdiskussion, die sich an der Universität Regensburg mit dem Verhältnis von Christentum und Politik befasste, überraschend revolutionäre Forderungen laut.

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Der Politikwissenschaftler Professor Martin Sebaldt erinnert daran, dass Laizität, also die Trennung von Staat und Kirche kaum je wirklich konsequent verwirklicht worden sei. Zumal in Deutschland habe sich ein Kooperationsmodell mit Konkordaten entwickelt, in dem die Kirchen seit Weimar öffentlich-rechtliche Körperschaften seien.

Dieser privilegierte Status der großen christlichen Kirchen sei „mit einem demokratischen Ethos nicht vereinbar“, so Sebaldt. Es sei daher ein für alle Religionsgemeinschaften gleicher privatrechtlicher Status anzustreben, wie das in den USA realisiert worden sei. Sebaldt ist aber skeptisch, ob sich dies noch zu Lebzeiten der Diskutanten in Deutschland realisieren lässt.

Fördert das Kooperationsmodell demokratische Entwicklung des Glaubens?

Die ehemalige Landtagsabgeordnete Diana Stachowitz (SPD) verteidigt hingegen aus protestantischer Perspektive das Kooperationsmodell mit der öffentlich-rechtlichen Stellung Kirchen. Dieses müsse nur weiterentwickelt werden, sagt sie, und formulierte Skepsis gegenüber Sekten und Freikirchen. Auch die Erkenntnis, dass sich der öffentlich-rechtliche Status auf Muslime nicht so ohne weiteres übertragen lasse, brachte Stachowitz nicht von ihrem Standpunkt ab.

Das Christentum bringe Werte des Zusammenlebens in die Gesellschaft und ergänze und korrigiere damit das rein auf Optimierung bedachte Streben der Wirtschaft. Ausdrücklich bejaht sie, dass es ein Spannungsverhältnis zwischen Religion und Politik gebe. Das Kooperationsmodell trage dazu bei, dass sich der Glaube in Richtung der demokratischen Strukturen entwickle, in anderen Ländern wie Russland und der Türkei werde der Glaube jedoch durch die Politik instrumentalisiert. Zu den großen Baustellen der Kirchen rechnet sie die Missbrauchsproblematik, das kirchliche Strafrecht, Konkordate und Ablösungen.

Wie politisch soll das Christentum sein?

Professor Werner Veith vom Lehrstuhl für katholische Sozialethik geht der Frage nach, wie es sich begründen lässt, dass das Christentum politisch sein soll. Erstens aus dem Gebot der Gottes- und Nächstenliebe, die sich in Solidarität auch den Fremden und Armen zuzuwenden habe. Aus der Leitidee des Reichs Gottes ergebe sich sodann der Auftrag zu Mitgestaltung der sozialen Beziehungen in der Welt.

Ferner ergebe sich aus der Pastoralkonstitution Gaudium et spes die Pflicht der Kirche nach den „Zeichen der Zeit“ zu forschen, zu denen heute Gleichberechtigung von Mann und Frau, die „ökologische Krise“ und die Digitalisierung gehörten. Die Kirche müsse im Gespräch mit Gesellschaft und Wissenschaft einen politikfähigen Glauben entwickeln, so Veith. Zu den Parteien müsse die Kirche eine neutrale Äquidistanz einhalten, sofern sie die Würde des Menschen nicht in Frage stellten, wie dies die AfD tue. Die Kirche könne den öffentlichen Raum durch Einladung zum Dialog gestalten und an der Entwicklung eines gesellschaftlichen Ethos mitwirken, dabei insbesondere Position für die Armen beziehen.

Stadtrat: Christentum muss offen sein für Dialog mit der AfD

Der Regensburger Stadtrat Josef Zimmermann (CSU) meint, dass Religion eine Hilfe sei, wenn er als Kommunalpolitiker oder Kirchenpfleger Entscheidungen treffen müsse, sie gebe ihm ein Fundament und Leitlinien für den Umgang mit Mensch und Politik an die Hand. Er sehe deshalb kein Spannungsverhältnis zwischen Religion und Politik. Das Christentum müsse auch für den Dialog mit Parteien wie der AfD offen sein. Politik müsse wiederum aber für alle Religionen offen sein.

Die Podiumsdiskussion unter dem Titel „Heilige Allianz oder heillose Vermischung? Die Spannung zwischen Christentum und Politik“ war von der Fachschaft für Katholische Theologie, vom RCDS und der Juso-Hochschulgruppe organisiert worden. Als Moderatorin fungierte die Theologie-Absolventin Belinda Hartmann.

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Kommentare (10)

  • Helga

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    Mir passte, wie ist.

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  • Spartacus

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    Also mich erschreckt eher wenn es Menschen gibt die an die jungfräuliche Geburt, Geister etc. glauben, diese Menschen dann ihr politisches Handeln auch noch damit begründen und am Ende gar noch die Macht haben Entscheidungen zu treffen.
    Politik muss sich an Fakten orientieren und nicht an tausend Jahre alten Geschichten.

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  • Mr. T.

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    Mir wäre es auch lieber, Politiker würden bei politischen Entscheidungen würfeln oder ein Krakenorakel befragen, als diese auf Basis irrationaler Glaubenssysteme zu treffen.
    Scheint eine interessante Diskussion gewesen zu sein.
    Meiner bescheidenen Meinung nach gehören sich sämtliche religiösen Organisationen gleich behandelt, auch genauso wie ein Trachtenverein oder ein Shanty-Chor. Sollten die Organisationen irgendwelche Gründe liefern, unters Strafrecht zu fallen, muss dieses angewendet werden. Es herrscht Glaubensfreiheit, jede(r) darf glauben was man will, solange es nicht die Freiheit anderer einschränkt.
    Selbstverständlich sind Religionsgemeinschaften auch politisch und dürfen in ihrer überpolitischen Neutralität trotzdem nicht für Feinde der demokratischen Grundordnung offen sein.

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  • Informant

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    Der Titel ist “Verquickung Staat-Kirche”. Im Text ist dann die Rede von “Christentum”, “Sozialethik”, “Religion”. Wie selbstverständlich das immer gleich gesetzt wird. Doch kommt die Kirche überhaupt ihrer Rolle als Vermittler dieser Werte nach?

    Ich habe da meine Zweifel. Aus meiner Sicht wären kirchlich geführte Einrichtungen wie Kindergärten und Krankenhäuser unter staatlicher Führung besser aufgehoben, der Betrieb der Einrichtungen könnte ohne eine zusätzliche, zwischengeschaltete Organisation schlanker und effizienter betrieben werden.

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  • joey

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    Die Macht der Kirchen im Gesundheits- und Sozialwesen ist zu groß, besonders als Arbeitgeber. Höhepunkt die Kündigungsdrohung der ev. Kirche / Diakonisches Werk an AfD Sympathisanten. Die Drohung ist übrigens kontraproduktiv und daher einfach dumm. Das Ausschließen von Menschen führt nur zu weiterer Polarisierung. Da die AfD genau damit erfolglos bekämpft wurde, ziehen sie nun wohl bald in Regierungen ein. Na, liebe ev. Kirche: da habt Ihr Euch nun selbst ins Bein geschossen, daß Ihr Eure Privilegien einer demokratischen Wahl stellt.

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  • Jose

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    historisch gesehen haben die christlichen Kirchen kriegerische Konflikte in Europa nicht verhindert, und die Demokratisierung blockiert und den Kolonialismus getragen. im Nationalsozialismus haben sie versagt, 90% der evangelischen Pfarrer waren Anfang 1940 in der Partei, der Regensburger Bischof Buchberger hat antisemitische Bücher geschrieben und den Vernichtungskrieg wie kaum ein zweiter unterstützt. Werte des Zusammenlebens sollen sie unterstützt haben, echt jetzt.

    der Bericht liest sich seltsam unkritisch…

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  • Mr. T.

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    Joey, auch wenn Sie immer wieder gegen eine Ausgrenzung von Rechtsextremen plädieren und sich auf deren Regierungsverantwortung freuen, ist es den Kirchen positiv anzurechnen, dieses Mal Stellung zu beziehen und sich nicht von Drohungen, wie auch Sie sie äußern, einschüchtern zu lassen. Jose hat das ja auch noch mal schön rekapituliert wie sich die Kirchen zuletzt haben instrumentalisieren lassen. Die Ausgrenzung und Bekämpfung ist vollkommen richtig. Wer jetzt noch bei rechten Parteien ist oder sie wählt, ist nicht mehr zu gewinnen, indem man ihm die Hand reicht. Er nutzt die Handreichung eher noch, um weiteren Schaden anzurichten. Eher hält so eine Ausgrenzung Wankelmütige ab, ganz nach rechts abzudriften, wenn sie sehen, dass dann niemand mehr mit ihnen spielt außer den ekeligsten Schmuddelkindern. So sehr ich die Kirchen auch gering schätze, hoffe ich trotzdem, dass sie hier stabil bleiben und noch deutlich mehr Widerstand zeigen.

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  • Informant

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    “Das Ausschließen von Menschen führt nur zu weiterer Polarisierung”

    Das ist pauschal nicht richtig. Wenn diese Menschen das nicht ausgeschlossen sein dazu nutzen, das Ausschließen bei anderen zu verankern, salonfähig zu machen, *dann* polarisiert das.

    Ein Fakt, den die AfD-Versteher einfach nicht raffen: Die Rechten *wollen* andere ausgrenzen. Werden sie deswegen ausgegrenzt, spielen sie das Opfer.

    Ähnliches Paradoxon: Die Rechten nutzen die Demokratie, um sie abzuschaffen. Es sind die ersten, die “Antidemokratisch!’ und “Meinungsfreiheit” schreien, weil sie nur mittels dieser zivilisatorischen Errungenschaften genau an die Stelle gelangen, um exakt das abzuschaffen.

    Deswegen ist diese Partei so gefährlich und MUSS ausgeschlossen werden, wo immer es geht. Es geht nicht darum, ob einem deren Meinung passt. Es geht um unser demokratisches System. Ist das wirklich so schwer zu verstehen?

    Wenn ein Verbrecher vom gesellschaftlichen Leben”ausgeschlossen” wird, indem er in den Knast wandert, käme ja auch niemand auf die Idee, die Ausgrenzung anzuprangern. Die Rechten nutzen schamlos aus, dass Hetze, Homophobie, Einschüchterung bis zu einem gewissen Grad unter Meinungsfreiheit fällt und sie erstmal nicht im Gefängnis landen – wobei sie die Grenzen des sagbaren Scheibchenweise immer mehr ausweiten und bis an die Grenze austesten – siehe aktuell Höcke.

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  • joey

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    Kommentar gelöscht. Es wird abseitig.

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  • Wolfgang Theine

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    Mr. T und Informant, ich kann Ihnen dieses Mal uneingeschränkt zustimmen. Auch ich halte diejenigen, welche nach allen Informationen, die überall zugänglich sind, noch immer AFD wählen, als Demokraten für verloren, und würde mit diesen Menschen auch kein Bier mehr trinken wollen. Insofern ist Ausgrenzung und konsequentes Bekämpfen der AFD m. E. die einzig richtige Strategie. Deshalb begrüße auch ich den Abgrenzungsbeschluss der Kirchen ausdrücklich.
    Was den Glauben betrifft: mangels desselben bin ich schon vor sehr langer Zeit aus der Kirche ausgetreten und frage mich seither oft, ob Priester, Bischöfe etc. , die ja im Grunde genommen intelligente, gebildete Menschen sind, das selber wirklich glauben, was sie als Wahrheiten propagieren.
    Und was die Verflechtung von Kirche und Staat betrifft: historisch zu erklären, ist sie jedoch ein Relikt aus vergangener Zeit und gehört zumindest reformiert. Der Einfluss der Kirchen sollte fühlbar noch weiter zurückgedrängt werden. ( Kirchensteuern, Bischofsgehälter, Einfluss auf Lehrstuhlbesetzungen, kirchliches Arbeitsrecht und und und.
    Andererseits ist es auch eine Tatsache, dass die christliche Religion eine wesentliche, wenn nicht d i e Grundlage unserer abendländischen Kultur darstellt.
    Insofern bin ich angenehm überrascht, dass ein billiges “Kirchenbashing” auf RD zumindest bisher ausgeblieben ist…

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