Vergleich zwischen Stadt und Fridays for Future
Fridays for Future klagte gegen die Stadt Regensburg, weil das Ordnungsamt verbieten wollte, dass der Lappersdorfer Kreisel Ort der Raddemo am kommenden Sonntag wird. Heute einigte man sich auf einen Vergleich. Der Kreisel darf unter Auflagen als Kundgebungsort genutzt werden. Die Stadt machte es dabei mit ihrer bis zuletzt rigorosen Haltung Protestierenden nicht zum ersten Mal schwer.
Greift das Regensburger Ordnungsamt unverhältnismäßig oder sogar rechtswidrig in das Versammlungsrecht ein? In einem Fall beschäftigte sich nun das Verwaltungsgericht Regensburg mit dieser Frage. Die Klimaschutzbewegung Fridays For Future (FFF) und der Verkehrsclub Deutschland (VCD) klagten gegen die Stadt Regensburg. Es ging um eine am 19. September (Sonntag) geplante Fahrraddemo, die eigentlich vom Hauptbahnhof über das DEZ zum Lappersdorfer Kreisel und dann über Stadtamhof zück zum Domplatz verlaufen sollte.
Stadt wollte Demo am Lappersdorfer Kreisel verbieten
Doch gerade den mittleren Abschnitt lehnte die Stadt Regensburg ausdrücklich ab. Im entsprechenden Versammlungsbescheid heißt es dazu wörtlich:
„Die Untersagung der fortbewegten Versammlung (Fahrraddemo), soweit es sich um die Bundesstraße B16 (‚Lappersdorfer Kreisel‘) handelt, ist erforderlich, da die geplante Fahrraddemo in diesem Streckenabschnitt mit erheblichen Gefahren für Leib und leben und die öffentliche Sicherheit und Ordnung verbunden wäre. Zur öffentlichen Sicherheit zählt auch die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs.“
Die Organisatorinnen und Organisatoren der Demo fordern unter anderem eine „Stadtbahnüberführung über den Regen“ und das „Ende der Planungen für den Ausbau des Lappersdorfer Kreisel für eine Sallerner Regenbrücke für den motorisierten Individualverkehr“. Deshalb wählte man den Kreisel als Versammlungsort, auf dem auch die Kunstaktion „Teufelskreis der Verkehrswende stattfinden soll. Etwa 30 bis 40 Minuten wolle man sich dort aufhalten.
Vergleich bei Ortstermin
Das Ordnungsamt argumentierte für das Verbot in erster Linie mit Einschränkungen für den Rettungsdienst, die eine Versammlung im Bereich des Verkehrsknotenpunktes im Norden der Stadt bedeuten würde. Man müsste den Kreisel weiträumig sperren, wodurch sich das Verkehrsaufkommen auf den Ausweichrouten deutlich erhöhen würde. In Notfällen käme es zu erheblichen Behinderungen der medizinischen Versorgung der Bevölkerung, hieß es.
Am heutigen Donnerstag einigte man sich auf Vorschlag des Verwaltungsgerichts auf einen Vergleich. Wie das Gericht mitteilt, fand ein kurzfristig anberaumter Ortstermin statt. Das Ergebnis lautet im Wortlaut:
„Das Befahren des Lappersdorfer Kreisels und die dortige Kundgebung werden unter der Auflage gestattet, dass die äußere Fahrspur durchgängig als Rettungsweg freigehalten wird und auf der inneren Fahrspur maximal zwei Fahrräder nebeneinander in Fahrtrichtung aufgestellt werden und zwischen den Teilnehmern in jede Richtung ein Mindestabstand von 1,5 m eingehalten wird. Spätestens sobald der Platz am Kreisel ausgeschöpft ist, sind nachrückende Fahrräder am Pendlerparkplatz aufzustellen. Die Dauer der Kundgebung am Lappersdorfer Kreisel wird auf 45 Minuten beschränkt. Das Betreten der Aufschüttungen im Inneren des Kreisels ist nicht gestattet.“
Stadt schränkt auch andere FFF-Proteste deutlich ein
Doch nicht nur bei der Raddemo gab es Schwierigkeiten. Auch bei anderen Veranstaltungen hat FFF immer wieder mit den Vorgaben des Ordnungsamtes zu kämpfen. So war die genaue Durchführung eines „Klimacamps“, das heute Nachmittag auf dem Donaumarkt vor dem Museum der Bayerischen Geschichte aufgebaut wird, lange Zeit unklar. Eine abschließende Genehmigung gab es bis gestern noch nicht.
Eine Skate-, Inliner- und Rollerblade-Demo, die am 18. September hätte stattfinden sollen, wurde von Anmelder und Ribisl-Stadtrat Jakob Friedl aufgrund der zahlreichen Auflagen abgesagt. Der Versammlungszweck sei angesichts der Beschränkungen „nicht mehr erreichbar“.
Ordnungsamt: Infektionsrisiko in der Altstadt zu hoch
In einer aktuellen Pressemitteilung kritisiert FFF den städtischen Bescheid für die am 24. September – zwei Tage vor der Bundestagswahl – geplante „Laufdemo mit Schulstreik“ im Rahmen des „Globalen Klimastreiks“ scharf. Diese sollte vom Neupfarrplatz durch die Innenstadt in Richtung Donaumarkt führen.
Das Ordnungsamt ist mit dem Verlauf durch die schmalen Altstadtgassen nicht einverstanden. Im Bescheid führt die Stadt an, dass Abstände im Sinne des Infektionsschutzes in der Altstadt nicht dauerhaft eingehalten werden können. Auch eine Demo-Polonaise, die die Abstände wahren sollte, überzeugte die Stadt vor allem in verwinkelten Bereichen der Altstadt nicht.
Die vorgesehene Route wurde seitens des Ordnungsamts vom Domplatz aus um die Altstadt (Dachauplatz – Albertstraße – Fürst-Anselm-Alle) herum verlegt. Das Ordnungsamt ist darüber hinaus der Ansicht, dass die neue Route für die Protestierenden sogar besser geeignet sei, um auf Passantinnen und Passanten sowie „vermeintliche Entscheidungsträger“ (Bescheid) einzuwirken. FFF-Sprecherin Sophia Weigert wirft der Stadt vor, FFF als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darzustellen und widerspricht dem ausdrücklich.
Initiative gegen Rechts darf nicht in Hör- und Sichtweite protestieren
Versammlungen müssen grundsätzlich nicht genehmigt, sondern lediglich angemeldet werden. Ort und Zeit sind frei wählbar. Die zuständige Versammlungsbehörde darf jedoch bestimmte beschränkende Auflagen machen. Und davon macht das Regensburger Ordnungsamt (nicht erst seit Corona) regen Gebrauch.
Wie die Vergangenheit zeigt, ist nicht nur FFF Leidtragender einer strikten Haltung der Stadt Regensburg in Bezug auf Protestveranstaltungen. So schränkte das Ordnungsamt wiederholt Kundgebungen und Demonstrationen der Initiative gegen Rechts (IgR) ein. Dabei handelte sich seit der Corona-Pandemie vor allem um Gegenproteste zu Querdenken-Kundgebungen und anderen „Corona-Rebellen“ sowie Veranstaltungen der Partei die Basis oder der AfD.
Bei der AfD-Wahlkampfveranstaltung Mitte August am Dultplatz erlaubte die Stadt keinen Protest in Hör- und Sichtweite. Als Alternativorte wurden der IgR das nördliche Ufer am Europakanal oder der Platz nehmen dem Walhalla-Bockerl in Stadtamhof vorgeschlagen. Der Dultplatz Ost kam aufgrund des Test- und Impfzentrum nicht in Frage, die Grünfläche daneben wird aktuell gastronomisch genutzt.
Hauptargument: Rettungsdienst
Die von der IgR gewünschte Oberpfalzbrücke als Versammlungsort für die Gegenveranstaltung wurde ebenfalls abgelehnt. Ungeachtet dessen, dass der Dultplatz auch über Am Protzenweiher erreichbar ist, schreibt die Stadt Regensburg dazu auf Anfrage: „Die Oberpfalzbrücke kam als Versammlungsort insbesondere nicht in Betracht, weil diese ein wichtiger Zufahrts- und Rettungsweg für Polizei und Rettungsfahrzeuge ist.“
Die weiträumige Abriegelung des Dultplatzes mit Hamburger Gitter (etwa fünf Hektar) habe den Angaben zur Teilnehmerzahl der AfD „Rechnung getragen“, so eine Stadtsprecherin. Die extrem rechte Partei hatte 300 Anwesende angemeldet. Etwa 40 waren es am Ende. Diese konnten auf dem riesigen Gelände ungestört unter anderem der Pöbel-Rede von MdB Stephan Protschka lauschen. Der Gegenprotest musste einen halben Kilometer entfernt in Stadtamhof abgehalten werden. Rettungfahrzeuge hatten dabei viel Platz.
joey
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die anderen Parteien dürfen demonstrieren, ohne gestört zu werden. Vermutlich wäre fff auch nicht recht, wenn jemand z.B. mit dauerhaft gedrückter PKW Hupe ihre Demo übertönen würde.
xy
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Schön, dass das Gericht mit Erfolgf auf einen vernünftigen Vergleich hinwirken konnte. Chapeau!
Jakob
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Quer”denker” dürfen hupend durch die Stadt fahren und wichtige Verkehrsadern verstopfen, aber fff muss auf die Gnade der Gerichte vertrauen. Irgendwas läuft hier gewaltig schief im Land.
Es ist gerade zu lächerlich, dass uns eine gewisse Partei so eindringlich vor einem angeblichen Linksrutsch warnen will, wenn die Realität komplett anders ausschaut.
aucheinpapa
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Zitat : „ FFF-Sprecherin Sophia Weigert wirft der Stadt vor, FFF als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darzustellen.“
Klingt korrekt!
Schade, dass das Gericht das in diesem Fall anders sah.
Jakob
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@aucheinpapa
Sind alle friedlichen Demonstrationen eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder nur diejenigen mit denen du offensichtlich nicht d’accord gehst?
Jakob Friedl
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Als Auftakt zur großen Fahraddemo über den Lappersdorfer Kreisel am Sonntag den 19.09. ist am Samstag den 18. das Thema beim FFF-Klima-Camp vor dem Haus der Bayern “Mobilität”. Beweglichkeit ist schön.
aucheinpapa
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@Jakob: wer mit Fahrrädern über einen vielbefahrenen Autobahnzubringer klappern will, ist zumindest mal ein erhebliches Sicherheitsrisiko.
Mal abgesehen davon, dass dieser Ort nichtmal besonders symbolträchtig für eine Klimademo ist. Blanke Provokation. Als ob ein Motorradclub eine Demo auf Regensburger Radwegen anmelden würde.
Piedro
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@aucheinpapa
“…ist zumindest mal ein erhebliches Sicherheitsrisiko.”
Dass Demonstrationsstrecken entsprechend gesichert werden ist Ihnen nicht bekannt?
“Blanke Provokation.”
Tja, manch einer fühlt sich immer provoziert, egal um was es geht, von einer Fronleichnamprozession vielleicht abgesehen. Das macht aber gar nix. Soll so sein. Demokratie richtet sich nicht nach den Bedürfnissen der vorgestrigen Spießer.
KW
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@aucheinpapa
Vielleicht haben Sie es nicht mitbekommen, aber es handelt sich um eine angemeldete Veranstaltung, die selbstredend nicht vor hatte, bei laufendem Verkehr dort hinzuradlen. Keiner von denen ist lebensmüde, im Gegenteil! Was ihr Gegenbeispiel dazu beitragen soll, erschliesst sich mir auf Anhieb auch nicht. Meinen Sie vielleicht der Motorradclub könnte evtl. denken, dass zu viel Straßenraum für Fahrradfahrer:innen abgezwackt wird?
Ach übrigens, sicher, dass Sie papa sind? Haben Sie sich schon mal mit ihren Kindern unterhalten?