14 Feb2013
Verführerische Düfte – Parasitische Wespen geben Einblick in die Evolution von Sexualpheromonen
Publikation in „Nature“
Obwohl man schon lange weiß, dass Sexualpheromone im Tierreich eine bedeutende Rolle bei der Anlockung und Auswahl von Paarungspartnern spielen, ist überraschend wenig über die Evolution dieser verführerischen Botenstoffe bekannt. Ein Team von Forschern der Universität Regensburg, des Zoologischen Forschungsmuseums Alexander Koenig in Bonn, der Arizona State University in den USA und der Technischen Universität Darmstadt hat nun die Sexualpheromone parasitischer Wespen der Gattung Nasonia genauer untersucht und dabei neue Einblicke gewonnen, wie sich Sexualpheromone im Laufe der Evolution verändern.
Bei der Partnersuche verlassen sich viele Insekten auf ihren Geruchssinn. Dabei nutzen sie Sexualpheromone, um Paarungspartner anzulocken. Diese Lockstoffe bestehen meist aus mehreren chemischen Komponenten, deren spezifische Zusammensetzung den Duft einer Art ergibt. Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass Individuen, die ein Sexualpheromon abgeben, das von der bewährten – also bereits von ihren unmittelbaren Vorfahren verwendeten – Rezeptur abweicht, eine geringere Chance haben, einen Paarungspartner anzulocken und für sich zu gewinnen als solche, die an der bewährten Rezeptur festhalten. Dieser Theorie zufolge sollte die Zusammensetzung chemischer Signale über lange Zeit unverändert bleiben. Deshalb fragten sich die Forscher, wie die enorme Vielfalt von Sexualpheromonen, die sich heutzutage finden lässt, überhaupt entstehen konnte und welche genetischen Veränderungen der Evolution neuer Pheromone zugrunde liegen.
Zur Beantwortung dieser Fragen untersuchten die Forscher die Sexualpheromone verschiedener Arten der Wespengattung Nasonia. Die Männchen dieser gerade einmal 1–2 mm kleinen parasitischen Insekten locken ihre Weibchen mit einem Sexualpheromon an, das sie in ihrem Enddarm produzieren. Die Wissenschaftler fanden heraus, dass die Sexualpheromone aller bekannten Nasonia-Arten aus zwei Duftstoffkomponenten bestehen. Nur die Art Nasonia vitripennis verwendet zusätzlich eine dritte, neu hinzugekommene Komponente.
Den Forschern gelang es, die Gene zu identifizieren, die für die Bildung dieser dritten Pheromonkomponente maßgeblich verantwortlich sind. Diese kodieren bestimmte Enzyme, sogenannte Alkoholdehydrogenasen. „Diese Enzyme ermöglichen die Synthese der neuen Duftstoffkomponente, indem sie die räumliche Struktur einer der beiden bereits vorhandenen Pheromonkomponenten verändern“, erläutert Dr. Oliver Niehuis, Leiter des Molekularlabors am Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn. Schalteten die Forscher diese Gene experimentell aus, verschwand die dritte Komponente aus dem Pheromon der behandelten Männchen.
In Verhaltensversuchen fanden die Wissenschaftler zudem heraus, dass die neue Duftstoffkomponente alleine nicht attraktiv auf Nasonia-Weibchen wirkt. Worin liegt dann aber die Bedeutung der neuen Duftkomponente? „Erst in Kombination mit den anderen beiden Komponenten ermöglicht es die neue Pheromonkomponente den Weibchen von Nasonia vitripennis, arteigene Männchen von im gleichen Lebensraum vorkommenden, nahe verwandten Arten zu unterscheiden“, erklärt Prof. Dr. Joachim Ruther von der Universität Regensburg. Da Weibchen der Art Nasonia giraulti nicht zwischen dem neuen, aus drei Komponenten bestehenden Pheromon, und dem ursprünglichen Zweikomponentengemisch unterscheiden, vermuten die Forscher, dass auch die Weibchen von Nasonia vitripennis zunächst nicht auf die neue Komponente im Pheromon reagiert haben, als diese erstmals auftrat. Erst eine spätere Anpassung ihres Geruchsinns dürfte es den Weibchen erlaubt haben, bei der Erkennung arteigener Paarungspartner von der neuen Komponente zu profitieren.
Die Studie gibt neue Einblicke in die Evolution chemischer Kommunikationssysteme. Sie zeigt, wie neue Sexualpheromone durch einfache Modifikationen bereits vorhandener Komponenten entstehen können, ohne dass dabei die ursprünglich übermittelte Information verloren geht.
Die Ergebnisse ihrer jahrelangen Forschungsarbeit haben die Wissenschaftler jetzt in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“ (DOI: 10.1038/nature11838) veröffentlicht.