31 Okt.2012
Schikanen gegen Flüchtlingsprotest
Ungleich per Gesetz
Wenn es um Verwaltungsauflagen geht, müssen in Deutschland alle Menschen gleich behandelt werden. Das ist klar. Ein fester Grundsatz. Bei den Menschenrechten gilt das selbstverständlich nicht. Eine Reise von Regensburg nach Berlin.
Seit Tagen protestieren dort knapp 20 Flüchtlinge rund um die Uhr. Am 24. Oktober sind mehrere Männer in einen Hungerstreik getreten. Und von Anfang an wurden sie mit Schikanen überzogen.
Weil sie – per Auflagenbescheid – nämlich nur protestieren, aber nicht campieren dürfen, werden ihnen bei klirrender Kälte Schlafsäcke und Isomatten weggenommen. Notfalls wird bei den Beschlagnahme-Aktionen gerangelt, zugelangt und es wird auch mal der eine oder andere Unterstützer festgenommen. Die Auflagen der Behörde müssen eben durchgesetzt werden.
Das hat sich zwischenzeitlich geändert. Nun haben hunderte Menschen Briefe und E-Mails an Hanke geschrieben. Es gibt eine Online-Petition, die sich an ihn richtet und darüber hinaus auch mindestens eine Anzeige wegen fahrlässiger Körperverletzung gegen den Bezirksbürgermeister – Sozialdemokrat, Doktor der Philosophie und Unterstützer von Amnesty International, eigentlich nicht als harter Hund bekannt.
Und erinnert sich man den Umgang der Regensburger Stadtverwaltung mit diesem Camp – lediglich wegen eines Stromanschlusses gab es anfänglich ein paar Nicklichkeiten –, dann müsste man den Verantwortlichen hier schon fast ein Lob aussprechen.
„Ein Campieren auf dem Pariser Platz ist insbesondere unter Beachtung der Vorschriften und des Gleichbehandlungsgrundsatzes (…) nicht möglich.“ Presserklärung von Dr. Christian Hanke vom 31.10.2012Alle Menschen müssen gleich behandelt werden. So sei das nun mal. So begründet Bezirksbürgermeister Dr. Christian Hanke (SPD) das von ihm verantwortete Vorgehen der Berliner Polizei gegen Flüchtlinge am Brandenburger Tor, das man durchaus als Körperverletzung im Amt sehen kann.

Ließ sich mit einer Reaktion auf die Proteste Zeit: Bezirksbürgermeister Dr. Christian Hanke. Foto: pm
Ungleichbehandlung per Gesetz
Es gilt schließlich der Grundsatz der Gleichbehandlung. Auch für jene, die per Gesetz überhaupt nicht gleich behandelt werden dürfen. Deren Bewegungsfreiheit durch ein europaweit einmaliges Gesetz eingeschränkt wird (Residenzpflicht). Die in enge Unterkünfte gesteckt werden und die de facto nicht arbeiten dürfen. Denen zunächst einmal Böswilligkeit, Schmarotzertum und Lügen unterstellt werden, sobald sie deutschen Boden betreten. Denen mit einem „Was willst Du überhaupt hier? Was hast Du hier verloren?“ begegnet wird und denen – notfalls auch im Rahmen fragwürdiger Gerichtsprozesse – zu verstehen gegeben wird: Geh von selbst, sonst schieben wir Dich ab! Genau deshalb – weil sie qua Gesetz und Verwaltungsverordnungen eben nur als Menschen zweiter oder dritter Klasse gelten – campieren die Flüchtlinge seit Monaten in mehreren deutschen Städten und nun in Berlin: Um auf diese Zustände aufmerksam zu machen, von denen viele nichts wissen oder nichts wissen wollen und die einigen, gar nicht wenigen, als Normalität gelten. Zustände, die weder mit dem Grundgesetz noch mit den Allgemeinen Menschenrechten in Einklang zu bringen sind.Strafanzeige gegen den Bürgermeister
Es hat eine Weile gedauert, bis Bezirksbürgermeister Hanke auf den Protest gegen das Vorgehen der Polizei reagiert hat. Vielleicht auch deshalb, weil die großen Medien sich einer Berichterstattung lange verweigert haben (Bezeichnend dazu ist ein Kommentar von Dominik Rzepka, Redakteur im ZDF-Hauptstadtstudio).
Mahnwache am Dienstag auf dem Neupfarrplatz. Foto: as
70 Menschen protestieren in Regensburg
Am gestrigen Dienstag fanden in mehreren Städten kurzfristig angemeldete Mahnwachen statt. Etwa 70 Menschen versammelten sich in Regensburg am frühen Abend bei leichtem Nieselregen in der Kälte auf dem Neupfarrplatz und zogen anschließend in einer spontanen Demonstration durch die Regensburger Altstadt. Und die drei, vier Transparente, die entrollt werden, hat man hier in letzter Zeit öfter gesehen – hier befand sich fast drei Monate eines der quer über Deutschland verteilten Protestcamps, ehe die Flüchtlinge im September gemeinsam zu Fuß nach Berlin marschierten.
Rund 70 Menschen nahmen an einer Spontandemonstration durch die Altstadt von Regensburg teil. Foto: as
Bericht zur Soliaktion vom 30.10 | Solidarität mit den kämpfenden Flüchtlingen
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[…] Am 30.10. versammelten sich in Regensburg ca. 70 Menschen um sich mit den (zu dieser Zeit) hungerstreikenden Flüchtlingen in Berlin zu solidarisieren. Die Kundgebung war erst am selben Nachmittag organisiert worden. Bei der Kundegbung am Neupfarrplatz wurde neben der Erklärung der Hungerstreikenden auch ein Redebeitrag verlesen. Dieser kann hier nachgelsen werden. Anschließend formierte sich noch eine Spontandemonstration die lautstark durch die Regensburg Innenstadt zog. Während der gesamten Kundgebung wurden Flyer an Passant_innen verteilt um sie über den Hungerstreik zu informieren. Bei regensburg-digital findet sich ein kurzer Bericht zur Soliaktion und einige Hintergrundinfos zur Situation Berlin: Klick mich […]