14 Mai2008
Ungewöhnliche Bürgermeister und bayerische Gewöhnlichkeiten
Bodenmais ist nicht nur die schöne Heimat eines – für bayerische Verhältnisse – eher ungewöhnlichen Bürgermeisters (jung, evangelisch, schwul, SPD), aus Bodenmais kommt auch der elfjährige Johannes. Beim Seniorennachmittag am Dienstag auf der Dult im Hahn-Zelt stiehlt der Ziehharmonika spielende Bub – „Juniorwirt vom Rosserer-Wirt“ – einem anderen SPD-Bürgermeister, dem aus Regensburg, – Joachim Wolbergs – bei dessem ersten offiziellen Auftritt fast die Schau. Es freut einfach, wenn die Jugend beim Seniorennachmittag so viel Esprit an der Quetschn zeigt und wenn man sich bei „Liebe Oma, lieber Opa“ das eine oder andere Tränchen verdrücken muss.
Da kann die etwas ältere – politisch ambitionierte – Jugend nur neidvoll erblassen. Dabei macht es der neue Sozialbürgermeister doch genau so, wie man es von ihm erwartet. Die Rede ist noch etwas hölzern, hat aber alles, was man bei einem zünftigen Seniorennachmittag so sagen muss – vom „wie sehr ich mich freue“ über das „ich bin mir der Verantwortung und der Aufgabe wohl bewusst“ bis hin zum allseits beliebten „zum Glück werden die Menschen immer älter“ und der „gigantische Herausforderung“. Dazu der Dank an den stets aktiven Seniorenbeirat um dessen Vorsitzenden Josef Mös – Wolbergs’ Vorgängerin Petra Betz hätte es nicht besser machen können. Leider kann sie es nicht miterleben. Die ehemalige Sozialbürgermeisterin weilt im wohlverdienten Urlaub. Neu-Stadträtin Astrid Freudenstein erweist sich im feschen Dirndl aber durchaus als würdige Vertretung/ Nachfolgerin und legt gleich zwei Walzer aufs eigens eingerichtete Tanzparkett im Hahn-Zelt. Jetzt muss „Magic’s Duo“ keinen Senior mehr mit Biermarken zum Tanze locken. Ab sofort wird freiwillig die Sohle aufs Parkett gelegt.
Dort hat Joachim Wolbergs seine Bürgermeister-zapft-Fass-im-Bierzelt-an-Premiere ohne größere Probleme über die Bühne gebracht. Sechs Schläge fürs Bier, sechs Jahre fürs Regieren und wenn’s ein bisserl tröpfelt – das wird sich geben. Irgendwann darf Wolli auch auf die große Bühne. Aber nicht heute. Heute zapft er unten an an. Oben wird für den Abend aufgebaut. Nachher darf Wolbergs sich mit den Bierköniginnen zieren. Schöne Aufgabe. Schönes Foto. Endlich ein entspanntes Lächeln des – offenbar einzigen – Hoffnungsträgers der Regensburger Genossen. Von denen hat es bedauerlicherweise keiner mitbekommen. Sie haben ihren Bürgermeister bei seiner Premiere allein gelassen. Dafür sind CSU-Granden sonder Zahl im Zelt. Nicht alle im Seniorenalter. Axel Reutter zum Beispiel, den seine offensive, medial aufbereitete Tierliebe erneut in den Stadtrat befördert hat, Helgit Kadlez, die am Mikrofon mit schriller Stimme den Verbraucherschutz beschwört, oder Hannelore Goppel, die ihren Stadtratssitz aufgegeben hat und sich (vermutlich) ausschließlich zu Vergnügungszwecken auf die Dult begeben hat. Astrid Freudenstein, die Walzer tanzt. Die CSU-Landtagsabgeordnete Sylvia Stierstorfer, bekannt für ihr sonniges Gemüt, lässt es sich nicht nehemen, jedem anwesenden Senior die Hand zu schütteln (wenn’s Gespräch zu lange dauert, ist ein Ersatzmann als Ablösung bei der Hand). Immerhin sind bald Landtagswahlen. Da zählt jede Stimme. Vor allem jede Stimme der letzten glücklichen Rentner-Generation. Man kennt ja die Demographie-Diskussion. Senioren-Stimmen sind viel wert. Und die erobert man – im Bierzelt – mit Händeschütteln, Beharrlichkeit und Frohsinn. Nicht mit Sachwissen, Ehrlichkeit und Kompetenz. Nach der Wahl ist vor der Wahl. Manchmal kommt es aber zu – für die unermüdlich wahlkämpfenden Profis – uvorhersehbaren Ereignissen. Wie in Bodenmais. Oder zu einem „Weiter so“. Wie in Regensburg. Zm Glück weiß der „Juniorwirt vom Rossererwirt“ noch nichts von solch unschönen bayerischen Gewöhnlichkeiten. Er spielt flott auf seiner Quetschn. Die nächste Band drückt sich zum Aufbauen zwischen ein paar Rollstühlen und Gehwägen hindurch.
Mathilde Vietze
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Ich kenne den jungen Genossen, der jetzt Bür-
germeister von Bodenmais ist (noch) nicht, weiß
jedoch von den Jungsozialisten, daß er mensch-
lich ein ganz feiner Kerl ist. Und ich finde
es auch gut, daß er offen zu seiner Homosexua-
lität steht. Damit tut er anderen “Betroffenen”
einen großen Gefallen. Homosexualität muß zur
Alltäglichkeit werden, auch wenn das den reak-
tionären Scharfmachern in Gesellschaft und Kir-
che nicht gefällt. Letztgenannte dürfen in einer liberalen Gesellschaft keinen Einfluß
mehr haben. Sollen sie doch zu “opus dei” gehen, dort können sie ihre kruden “Wertvor-
stellungen” ausleben.