Ungers späte Niederlage im antinapoleonischen Krieg
Vor 13 Jahren ließ der damalige Kulturreferent Klemens Unger eine geschichtsklitternde Inschrift ins denkmalgeschützte Pylonentor hämmern. Die wurde unter seinem Nachfolger Wolfgang Dersch entfernt.
„Inakzeptabel und nicht tragbar“, „in Stein gehauene Geschichtsfälschung“, „manischer Franzosenhass“, „Geschichtsklitterung“ oder einfach nur „falsch“. Das sind nur einige Urteile, die eine Reihe von Fachleuten und Historikern über eine Inschrift gefällt hatten, die der frühere Kulturreferent Klemens Unger im Jahre 2009 in aller Heimlichkeit und ohne Genehmigung ins denkmalgeschützte Gestein hämmern ließ.
Ungers Alleingang 2009
„1809 Schreckenstage durch Napoleon – Zum Gedenken an die Opfer 2009“ prangte seitdem vom Gestein des Pylonentors in Stadtamhof. Eine Erinnerung an den Brand in Stadtamhof am 23. April 1809 sollte das sein, bei dem fast 90 Prozent der Häuser zerstört wurden, 95 Bewohner ihr Leben verloren und rund 3.000 Menschen obdachlos wurden. Doch ausgelöst wurde dieser Brand nicht durch Napoleon, sondern durch den Beschuss österreichischer Truppen.
Und insofern verwundert es nicht, dass die Inschrift auf einhellige Kritik und Ablehnung stieß – vom Historischen Verein, dem Napoleon-Experten Dr. Marcus Junkelmann, dem damaligen Generalkonservator Egon Greipl und nicht zuletzt vom Heimatverein „Statt am Hoff“, der sich zwar eine Erinnerung an den Brand und dessen Opfer gewünscht hatte, aber eben nicht so.
Doch für Klemens Unger blieb diese fragwürdige Aktion – eine von so vielen – wieder einmal folgenlos.
Narrenfreiheit unter Schaidinger und Wolbergs
Er wurde geschützt vom damaligen Oberbürgermeister Hans Schaidinger. Der erteilte seinerzeit sogar Almanach-Herausgeber Konrad Färber Hausverbot in städtischen Räumen, weil der es gewagt hatte, mit Junkelmann einen der prominenteren Kritiker zum Vortrag einzuladen. Der damalige Bürgermeister Joachim Wolbergs gab pflichtschuldig zu Protokoll: „Die Inschrift bringt uns nicht um.“
Auch der damaligen Chef des Stadtarchivs Dr. Heinrich Wanderwitz, selbst verantwortlich für manch fragwürdigen Text zur Regensburger Stadtgeschichte und willfährig mit einem Gutachten zu Diensten, als OB Schaidinger versuchte, die Umbenennung der Florian-Seidl-Straße zu verhindern, schwang sich ebenfalls zum wortgewaltigen Verteidiger seines Chefs auf, der ihm – Wanderwitz – ebensolche Narrenfreiheit gewährte wie er – Unger – sie von den Oberbürgermeistern Schaidinger und Wolbergs bis zum Ende seiner Dienstzeit genießen durfte.
Nach zwölf Jahren in aller Stille entfernt
Die Debatte wurde ausgesessen und das Ungersche Machwerk witterte vor sich hin – und wenn schon für sonst nichts gut, so zumindest als Ausweis für dessen Geschichtsverständnis.
Doch seit geraumer Zeit ist besagte Inschrift aus dem Pylonentor in Stadtamhof verschwunden. Es war kein offizieller Akt, ja nicht einmal einer städtischen Mitteilung wert, dass sie irgendwann 2021 schließlich doch noch vom Pylonentor entfernt wurde.
„Die ungenau formulierte und immer wieder kritisierte Inschrift im Pylonentor wurde in Abstimmung zwischen Kulturreferat, Stadtarchiv, Denkmalpflege und dem Heimatverein ‘Statt am Hoff’ rückgängig gemacht“, heißt es dazu auf Nachfrage von der städtischen Pressestelle.
Kein Einzelfall: Historischer Quatsch aus Ungers Kulturreferat
Heimlich, still und leise verschwand sie – ebenso wie jene Gedenktafel, die 2011 vor dem ehemaligen KZ-Außenlager Colosseum in Stadtamhof in aller Stille verlegt wurde, ebenfalls für scharfe Kritik und den Vorwurf der Geschichtsklitterung sorgte und ähnlich sachkundig wie die Napoleon-Inschrift von der Bürgermeister-Riege verteidigt wurde („Nicht falsch, sondern nur belanglos“, hieß es beispielsweise von Joachim Wolbergs.).
Jene Co-Produktion aus dem Hause Unger-Wanderwitz, der ein Gutachten zur Regensburger Erinnerungskultur bescheinigte, dass sie „in fast grotesker Weise am Kern der Sache vorbei“ gehe, überlebte zumindest nur fünf Jahre. Sie wurde 2016 entfernt und durch zwei Gedenkstelen und eine Tafel am Gebäude ersetzt.
Bei Ungers Napoleon-Posse, die wohl seiner Verehrung für König Ludwig I. geschuldet sein durfte, der nach den Befreiungskriegen 1813 ebenfalls versuchte, die Geschichte entsprechend umzudeuten (und dessen Denkmal-Versetzung der Kulturreferent zusammen mit Bischofshof-Kumpel Hermann Goß 2010 ins Werk setzte), dauerte es nun knappe zwölf Jahre.
Entfernung der Ungeriade kostet 1.270,92 Euro
Doch auch hier gibt es dank des Einsatzes des Heimatvereins „Statt am Hoff“ würdigen Ersatz. Am ehemaligen Rathaus vom Stadtamhof wurde eine „textlich abgestimmte“ Gedenktafel angebracht, gesponsert von der Raiffeisenbank, die in diesem Gebäude residiert.
Für die Entfernung von Ungers Sachbeschädigung am Pylonentor wurden laut Auskunft der Stadt Regensburg 1.270,92 Euro fällig. Die trägt, ebenso wie Ungers Pension, der Steuerzahler.
Mr. T.
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Auch wieder so ein peinliches Kapitel der jüngeren Regensburger Stadtgeschichte, das am Ende wieder keiner ins Buch geschrieben haben will.
Unger wäre schon länger weg vm Fenster gewesen, wenn er nicht in einer konzertierten Aktion von Schaidinger und Wolbergs im Amt gehalten wurde, denen es nicht einmal zu blöd war, einen frisch operierten Stadtrat in die Sitzung zu schleppen.
https://www.regensburg-digital.de/unger-wahl-war-rechtlich-korrekt/22022011/
Spartacus
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„Für die Entfernung von Ungers Sachbeschädigung am Pylonentor wurden laut Auskunft der Stadt Regensburg 1.270,92 Euro fällig. Die trägt, ebenso wie Ungers Pension, der Steuerzahler.“
Wie kann das sein? Gibt es da keine juristische Handhabe dass Menschen in öffentlichen Ämtern und ihre Vorgesetzten die ihrer Kontrollpflicht nicht nachgekommen sind Verantwortung für ihr Handeln übernehmen? Wäre nett wenn die Jurist*innen hier kurz Infos geben könnten.
R.G.
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Sozusagen Graffiti der Regensburger Weisen.
R.G.
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Machen Sie weiter so! Bei jeder tragenden Säule eines alten Tores 100 sture Inschriften und Abtragungen. Macht auf die Dauer Platz in der Stadt.
(Haben Sie heute schon über das Wort Säu-le nachgedacht?)
joey
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Gerade für Historiker muß klar sein, daß Wissenschaft sehr unterschiedliche Sichtweisen haben muß und sich im Lauf der Zeiten schon oft geändert hat. Somit erübrigen sich alle Einmeißelungen an öffentlichen Denkmälern. Wahrscheinlich hat es eh keiner gelesen.
Ach wenn doch sonst aller Blödsinn für nur 1.270,92 Euro entfernt werden könnte…
Rumpelstilzchen
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Schaidinger hielt an Unger fest, weil er sich nicht vorschreiben lassen wollte, wen er zum Referenten macht. Für Unger war die öffentliche Kritik an seiner Amtsführung die Beschäftigungsgarantie. Wolbergs war ihm im Zusammenhang mit den von Kittel ausgelösten Ermittlungen in Sachen Alte Mälze verpflichtet, deshalb stand er in Nibelungentreue zu ihm, obwohl weite Teile der SPD sich einen anderen Kulturreferenten wünschten. Die lange Zeit des Kulturreferenten Unger war für Regensburg sehr teuer und letztlich leider eine verlorene Zeit für die Entwicklung des Kulturstandortes.
Ratisboo!ner
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Über der Donau schaut’s wieder anders aus: Dass die Armee Napoleons einen nicht unbeträchtlichen Teil Regensburg bei der Erstürmung zu Asche und Staub zusammengeschossen haben, sollte bei den Auslassungen des Napoleon-Fanboys Dr. Junkelmann nicht unerwähnt bleiben.
Im Übrigen bin ich bei joey – Ungers Inschrift kam einfach ein Jahrhundert zu spät. ;)
Pattirift
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@Rumpelstilzchen
Auf den Punkt gebracht.
Nebenbei bemerkt, ist die Verbindung Unger-Wolbergs ein weiteres tragisches Kapitel der Korruptionsaffaire, nur hat sie niemand richtig wahrgenommen.
Welchen Knaller die CSU mit Unger landete, zeigte sich bereits ein oder zwei Tage nach seiner Ernennung zum Kulturreferenten. Da trat er eine Wallfahrt nach Mariaort an und stellte das Ganze noch als halboffiziellen Akt dar. Entsprechend gestaltete sich seine weitere Karriere im Rathaus. Für Regensburg ein Desaster, aber passend zur gesamten Ära Schaidinger, dem die Kultur schnurz und piep war. Völlig. Dass aber die SPD da mitspielte, ging nur, weil die Partei sich schon lange von jedweder kulturpolitischen Ambition verabschiedet hatte.
Hthik
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@joey 14. November 2022 um 18:52
“Wahrscheinlich hat es eh keiner gelesen.”
Ich kenne zumindest einen, der das ganz explizit gemacht hat, weil er mit eigenen Augen sehen wollte, dass das tatsächlich geschah. Wer vertraut schon der Presse. Eine Idee? Ja genau Der Unterzeichnende.