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Tschechische Zwangsarbeiter treffen junge Regensburger

Ankunft in Regensburg: Beim Empfang im Alten Rathaus. Fotos: Aigner

Als gegen 19 Uhr der „offizielle“ Teil beginnt, haben die tschechischen Gäste bereits erhebliches Durchhaltevermögen bewiesen. Im Rahmen einer Gedenkfahrt besuchten am vergangenen Dienstag zehn ehemalige NS-Zwangsarbeiter – fünf Frauen, fünf Männer – Regensburg. Zwischen 83 und 90 Jahre alt sind die Gäste, die auf Initiative der VVN-BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/ Bund der Antifaschisten), der DGB-Jugend und der Organisation „Arbeit und Leben“ hierher gekommen sind, um mit jungen Menschen zusammenzutreffen und von ihren Erlebnissen während der Besetzung Tschechiens durch die Nazis zu berichten.

Die jüngste im Empfangskomitee: Die 13jährige Janine Breedlove bei der Stadtführung.

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Regensburg kennenlernen wollen sie aber auch. Ein Empfang im Alten Rathaus steht auf dem Programm, ein Rundgang durch die Stadt und ein Besuch im document am Neupfarrplatz. Schüler und Studentinnen haben dafür im Vorfeld eine Stadtführung vorbereitet, sich um die Übersetzung gekümmert und die Besucher während ihres Aufenthalts in Regensburg betreut. Ehrenamtlich. Die jüngste von ihnen: die 13jährige Janine Breedlove von der Albert-Schweitzer-Realschule, die sogar schulfrei bekommen hatte, um beim Besuch der tschechischen Gäste dabei zu sein. Ihr Referat über das Schicksal der Regensburger Sinti und Roma und der Zeugen Jehovas im Dritten Reich bildet den Auftakt zum Gespräch zwischen den betagten Zeitzeugen und rund 30 – größtenteils jungen – Gästen am Abend im Karmeliten-Hotel. Nicht alle kommen dabei zu Wort. Jede(r) hätte viel zu erzählen.

Viktor Pisk und Luise Gutmann von der VVN.

Viktor Pisk zum Beispiel. Er ist der Reiseleiter der Gruppe und spricht von einem „sonderbaren Glück“, das er hatte. Pisk, 87 Jahre alt, war, wie alle anderen Männer und Frauen seines Jahrgangs von den Nazis zur Zwangsarbeit in Deutschland vorgesehen. Von den 400 Menschen, die im November 1943 am Bahnhof in Eglau auf ihren Abtransport nach Deutschland warteten, gehörte er zu vieren, die nicht zur Abrbeit in eine Munitionsfabrik nach Dessau mussten. Sie kamen nach Falkenstein, im Vogtland, wo sie in einer Weberei arbeiten mussten, aber von Bombardements und rigider Kontrolle durch die SS verschont blieben. „Ich bin, wenn Sie so wollen, ein Gegenbeispiel“, sagt er nach seiner Erzählung, die ihm doch mit einer gewissen Leichtigkeit von den Lippen geht. „Wir waren damals jung und haben uns um vieles nicht so viele Sorgen gemacht.“

Milanda Linhartova.

Jung, gerade 18 Jahre alt, war auch Milanda Linhartova, als sie Weihnachten 1943 ihren „Arbeitsbefehl“ von den Nazis bekam. Sie wurde ins thüringische Altenburg verschleppt, wo sie in der Rüstungsproduktion – bei der ehemaligen Nähmaschinenfabrik Herrmann Heller – arbeiten musste. Woran sie sich erinnert? An die Angst im Luftschutzkeller, der direkt unter der Fabrik war. An das Essen, „schrecklichen Eintöpfe, die den Namen nicht verdienten“, ihre Eltern schickten Lebensmittel aus dem damaligen Protektorat Böhmen und Mähren nach Deutschland. Daran, dass sie – gegen die Todesangst – „Heimat, Deine Sterne“ im Luftschutzkeller sangen. „Wir waren jung und haben die Sache leicht genommen“, erzählt auch sie. „Ich bin froh, das wir mit heiler Haut davon gekommen sind.“ Und später: „Das ist vorbei.“

Václav Zănda.

Václav Zănda fällt es dagegen schwerer, zu erzählen. Immer wieder stockt seine Stimme; einmal kommen ihm kurz die Tränen. „Das ist alles sehr trist. Ich erinnere mich nicht gerne daran.“ Zur „Außenarbeit“ bei einer Waffenschmiede in Berlin-Schöneweide wurde er gezwungen. Von Beobachtungshäuschen auf dem Dach aus mussten er und 30 andere Männer nach Bombern Ausschau halten. 76 Flugzeugangriffe erlebte Václav Zănda dabei mit; drei seiner „Kameraden“ kamen dabei ums leben. Die Narben seiner Verletzungen sieht man noch heute.

Ruhig erzählt er davon, wie sie nach Bomben suchen mussten, die sich ins sandige Gelände rund um die Fabrik gebohrt hatten, davon, wie sie Flugblätter der Alliierten einsammeln und sich vor der SS nackt ausziehen mussten, damit sie keines dieser Flugblätter bei sich behielten. Über den „kleinen Triumph“ – dass er die Deutschen überlisten konnte und noch eine kleine Sammlung dieser Flugblätter besitzt – kann er „heute lächeln“. Das seien die interessanten Dinge. „Weniger interessant ist, wie es uns ging.“ Dass die Deutschen keine Rücksicht darauf nahmen, wenn er nach zwölf Stunden Arbeit Bomben räumen musste, weil es gerade einen Angriff gegeben hatte. Dass er auf 52 Kilo abmagert und schließlich mit Magengeschwüren im Krankenhaus landete. 40 Jahre später erhielt Václav Zănda 5.000 DM als Entschädigung.

Maria Cheejlavova.

An dieser Stelle unterbricht Maria Cheejlavova seine Erzählung. „In einer so traurigen Situation möchte ich etwas Positives sagen“, beginnt die 86jährige. Verschmitzt lächelnd berichtet sie von einem vulgären tschechischen Lied, das sie mit ihren Mitgefangenen gesungen habe, weil die deutschen Arbeiterinnen Organgen bekamen, die tschechischen Zwangsarbeiterinnen nicht. Davon, dass sie die Unterschrift ihres Vorarbeiters gefälscht hat, um einer Mitgefangenen ein „Stelldichein“ mit ihrem Liebsten zu ermöglichen und davon, dass sie in ihrem Büstenhalter Liebesbriefe geschmuggelt hat. Es geht ihr darum, die Situation an diesem Abend zu entspannen. Dass sie zusammen mit 800 anderen Zwangsarbeiterinnen in einem Rüstungsbetrieb der Quandt-Gruppe in Holleischen schuften musste, erzählt sie jetzt nicht. Ebensowenig, dass sie ihr Leben aufs Spiel setzte, um Lebensmittel und Nachrichten für KZ-Gefangene zu schmuggeln. Von einer Gefangenen, die durch ihre Hilfe überlebte, hat sie nach dem Krieg einen Brief bekommen, in Erinnerung an „schreckliche, aber auch schöne Tage“.

Mittlerweile sind über zwei Stunden vergangen. Der Abend geht zu Ende. Viktor Pisk steht auf, bedankt sich bei den Besuchern und stimmt schließlich ein Lied an. „Als wir jüngst in Regensburg waren“. Diejenigen der tschechischen Gäste, die Deutsch sprechen, singen mit. Es folgt ein tschechisches Lied, gesungen von den deutschen Besuchern. „Das Leben war wie eine Blume in unseren früheren Jahren.“ Es ist ein Besuch, bei dem es darum geht, sich besser kennenzulernen.

Wie schwer das Verzeihen fällt, das dieses Kennenlernen und gegenseitige Verständnis erst ermöglicht, erzählt – im Zwiegespräch – eine 82jährige Mitreisende. Sie war 16, als sie nach Deutschland verschleppt wurde. Was ihr hier passiert ist, erzählt sie nicht. Aber eines doch: „Ich habe den Deutschen nichts Böses gewünscht, aber ich wollte nichts mit ihnen zu tun haben.“ 30 Jahre habe sie gebraucht, um diese Antipathie abzulegen.

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