Trotz Warnung vor Risiken: Bayerische Wirtschaft fordert CO2-Pipeline – auch durch Regensburg
Bei den Plänen für ein 1.100 langes Pipeline-Netz, mit dem die Speicherung von CO2 im Untergrund vorangetrieben werden soll, verläuft eine der zentralen Hauptleitungen laut einer Studie der vbw direkt durch Regensburg. Unter anderem Greenpeace warnt vor Risiken.
Die Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) macht Druck für ein 1.100 Kilometer langes Netz an Kohlendioxid-Pipelines quer durch Bayern. Mit einer im Oktober 2023 erstmals vorgestellten und kürzlich aktualisierten Studie der „Forschungsstelle für Energiewirtschaft“ wirbt der Verband für Investitionen in das Projekt. Diese werden – auf Basis von Zahlen des Fernleitungsbetreibers Bayernnetz – auf 1,3 bis knapp drei Milliarden Euro geschätzt. Die Spannbreite der jährlichen Betriebskosten liegt demnach zwischen 34 und 80 Millionen Euro.
Ohne den „zügigen Aufbau einer bayerischen CO“-Infrastruktur“, dazu werden neben den Pipelines CO2-Abscheidung, -Nutzung und -Speicherung gezählt, könne „ein Industrieland wie Bayern seine Klimaziele nicht erreichen“, heißt es im Vorwort der Studie. „Sie ist eine notwendige Bedingung dafür, dass der Freistaat ohne De-Industrialisierung klimaneutral wird.“
Kaum eine öffentliche Debatte über sehr konkrete Pläne
Die vorgeschlagenen Trassenverläufe orientieren sich am bestehenden Erdgas-Fernleitungsnetz in Bayern. Ein Hauptstrang der Pipeline in Nord-Süd-Richtung wird laut allen vorgelegten Szenarien der vbw direkt „durch Regensburg“ verlaufen. Abgesehen von punktuellen Protestkundgebungen werden diese Pipeline-Pläne in der Öffentlichkeit, vor allem der lokalen, wenig diskutiert.
Dabei sind sie den Kinderschuhen längst entwachsen. Deutschlandweit sind 4.600 Kilometer CO2-Pipeline geplant. Betreiber werden im wesentlichen Gasleitungsnetzbetreiber wie etwa Open Grid Europe (OGE) sein. Es gibt bereits einen Gesetzesentwurf im Bundestag, mit dem rechtliche Unsicherheiten „bereinigt und klare Verfahrensregelungen für Kohlendioxidleitungen“ zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von CO2 – kurz: CCS – festgelegt werden sollen. Insbesondere soll dadurch die „Errichtung von Kohlendioxidspeichern zum kommerziellen Einsatz im industriellen Maßstab“ ermöglicht werden.
CO2 soll in tiefeliegenden Gesteinsschichten endgelagert werden
Am 27. September wurde dieser Entwurf in erster Lesung im Bundestag diskutiert und weiter an die zuständigen Ausschüsse verwiesen. „Die Bundesregierung hält zur Erreichung der Klimaziele Technologien zur Abscheidung, zum Transport und zur dauerhaften Speicherung von Kohlendioxid in tiefen geologischen Gesteinsschichten (…) für unverzichtbar“, heißt es in einem entsprechenden Bericht. Die Union fordert in einem eigenen Antrag eine schnelle und noch weitergehende Umsetzung.
Nach den bisherigen Plänen soll neben der Infrastruktur für die industrielle Nutzung von CO2, etwa in der Getränkeindustrie, eine Entsorgungsinfrastruktur für Kohlendioxidemissionen aufgebaut werden. Bei der Produktion in Industriebetrieben entstandenes soll CO2 abgeschieden, in großen Speichern gesammelt und schließlich über Pipelines an die Küsten transportiert wird, wo es in tiefliegende Gesteinsschichten, insbesondere am Meeresboden, endgelagert werden soll. Bis zu 40 Prozent der industriell verursachten CO2-Emissionen sollen so gespeichert werden – zwischen 34 und 73 Millionen Tonnen. So der Plan.
„Tatsachen schaffen ohne Risikoabwägung“
Nicht nur bei Umweltverbänden gibt es allerdings erhebliche Bedenken. Es wird befürchtet, dass sich dadurch die Umstellung auf erneuerbare Energien verlangsamt – weil fossile Brennstoffe weiterhin verwendet werden können und der Betrieb der Pipelines umso profitabler sei, je mehr CO2 entstehe. Eine Gefährdung der Meere durch Lecks in den unterirdischen Speichern wird prophezeit. Zudem wird wird vor möglichen Sicherheitsrisiken in besiedelten Gebieten wie Regensburg gewarnt, durch welche die Pipelines verlaufen sollen.
Greenpeace bemängelt beispielsweise, dass bei dem deutschlandweit geplanten Vorhaben „keine Sicherheitskonzepte vorgesehen“ seien. CO2 ist schwerer als Luft und geruchlos. Gebe es ein Leck an den Pipelines, reichere es sich in Senken an. Dies sei dies „gesundheits- und lebensgefährlich“, so der Umweltingenieur Karsten Smid von Greenpeace Hamburg bei einer Diskussion Mitte September im Evangelischen Bildungswerk in Regensburg. „Es ist erschreckend, dass die Bundesregierung diese Gefahren schlichtweg verschweigt und mit dem Gesetz Tatsachen schaffen will, ohne eine Risikoabwägung vorzunehmen.“
Kleinere Protestkundgebungen ohne Wirkung
Ministerpräsident Markus Söder müsse die Bevölkerung darüber aufklären, was auf Bayern zukomme, sagt auch Frank Gesche von Greenpeace Regensburg. „Wir fordern, dass Sicherheitskonzepte erstellt werden, bevor die Pipelines gebaut werden“, sagt er. „Im aktuellen Gesetzentwurf fehlen klare Regelungen für Notfallpläne, und es ist unklar, wer letztlich die Verantwortung für deren Erstellung tragen soll.“
Unter anderem in Regensburg gibt es vor diesem Hintergrund regelmäßige Protestkundgebungen. „Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, vollständig über die Pläne informiert zu werden, die tiefgreifende Auswirkungen auf die Sicherheit und Lebensqualität in unserer Stadt haben könnten“, so Gesche.
Gesetzesvorhaben soll noch vor der Neuwahl durch den Bundestag
Die Politik zeigt sich davon bislang unbeeindruckt. Der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger begrüßt ein entsprechendes Pipeline-Vorhaben des Netzbetreibers baynets zwischen Oberösterreich und Bayern auf dessen Webseite mit wohlwollenden Worten.
Eine Ebene darüber, im Bundestag, gehört das Kohlendioxidspeicherungsgesetz zu den wenigen Gesetzesvorhaben, bei denen sich die Unionsfraktion bereit erklärt hat, sie noch vor den anstehenden Neuwahlen „in gemeinsamer staatspolitischer Verantwortung gemeinsam zu verabschieden“. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck treibt diese Novelle voran – trotz viel Kritik aus den eigenen Reihen.
„Profitieren wird vor allem die fossile Industrie.“
Derweil warnen über 70 Organisationen – Umweltverbände, Bürgerinitiativen, Gemeinden und Unternehmen – in einem Offenen Brief vor einem „fossilen Irrweg“, den man mit dem Gesetz und dem darauffolgenden Bau der Pipelines beschreite. „Bisherige Erfahrungen zeigen: Weltweit sind CCS-Projekte gescheitert“, heißt es darin. Der Weltklimarat halte CCS für den teuersten Versuch, den CO2-Ausstoß zu reduzieren. Er bezeichne die Wirkung als unsicher. Weltweit seien CCS-Projekte gescheitert.
„Der hohe Energieverbrauch, hohe verbleibende Restemissionen und der überwiegende Einsatz in der Erdöl- und Erdgasförderung sorgen dafür, dass CCS dem Klima und der Umwelt schadet.“ Der „CCS-Irrweg“ verschlimmere die Klimakrise, belaste die Meere und gefährde die Energiewende. „Profitieren wird vor allem die fossile Industrie. Die Kosten in Milliardenhöhe muss die Gesellschaft tragen.“
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Robert Fischer ÖDP
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Es ist teurer als den CO2*-Ausstoß zu verhindern und es gibt noch keine großartige Erfahrung mit der Speicherung von CO2.
Man könnte an unvermeidlichen CO2-Quellen wie dem Müllkraftwerk oder Kalkwerken auch CO2-Abschneider hinbauen und mittels Power2Gas überschüssige Solarenergie in die Gasnetze einspeisen. Infos dazu bei Prof. Dr. Sterner.
Aber nein, man baut neue Rohre quer durch Deutschland, was ziemlich sicher unwirtschaftlich ist und unseren Wettbewerbsvorteil noch mehr schwächt. Und wenn uns das in 10 Jahren auf die Füße fällt, waren wir dummen Ökos wieder schuld, weil wir wollten ja die CO2-Neutralität.
Wenn das durchgeht, wärs vielleicht mal wieder Zeit für ein Volksbekehren. Wobei ich bisschen Angst habe, dass bei der derzeitigen Stimmung der Bevölkerung das auch noch mehrheitlich als gute Idee angesehen wird.
(ich kann hier keine tiefgestellte 2 schreiben. Denkt sie euch bitte.)
Ingrid
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Jetzt tauchen schon wieder die Bedenkenträger auf.