Trotz Prozess wegen Abzocke mit Handwerker-Hotlines in Regensburg: Das Geschäftsmodell floriert munter weiter
Mit zahlreichen Webseiten und Internet veröffentlichten Telefonnummern sollen die derzeit angeklagten mutmaßlichen Abzocker auf Kundenfang gegangen sein und Geld mit überhöhten Handwerkerrechnungen verdient haben. Vier Beteiligte stehen vor Gericht. Doch das Geschäft läuft offenbar weiter.
Über 2.000 Euro für den Schlüsseldienst, 3.000 Euro für die Reinigung einer Couch, mehr als 1.000 Euro für nicht durchgeführte Montagearbeiten – es ist nur ein Auszug aus dem Abzocke-Komplex, wegen dem sich aktuell vier Männer und eine Frau vor dem Landgericht Regensburg verantworten müssen. Im Zentrum der Vorwürfe steht der 56-jährige Regensburger Thomas M.
Es geht um über 200 Fälle, in denen Betroffene über Callcenter angelockt und von einem Konglomerat an unqualifizierten Handwerkern und Subunternehmen abgezockt worden sein sollen. Der Prozess zieht sich hin. Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe. Deshalb müssen die Fälle einzeln abgehandelt werden. Das dauert nach momentaner Planung mindestens bis Oktober.
Neues Unternehmen, ähnlicher Name, selber Stil
Derweil scheint die Abzocke munter weiter zu gehen. Mit einer Firma, die ebenfalls ihren Sitz in Regensburg hat und deren Namen einem in der aktuell verhandelten Anklage frappierend gleicht. Gegenstand der Anklage ist neben dem weithin bekannten Unternehmen „Handwerker-Engel“, das der Hauptangeklagte betrieb, beispielsweise auch die Haustechnik Seibel GmbH. Diese Gesellschaft wir gerade liquidiert.
Im August 2022, kurz nachdem Thomas M. wegen der Vorwürfe in Untersuchungshaft kam, hatte diese Unternehmen, eines von vielen in dem mutmaßlichen Abzocke-Konglomerat, Insolvenz angemeldet und tritt nicht mehr in Erscheinung.
Aktiv ist allerdings ein Unternehmen namens Seibel GmbH & Co. KG, das im Internet unter dem Namen Seibel 365 auf Kundenfang geht. Der Sitz liegt in Regensburg. Zwar ist die Seibel GmbH und Co. KG nicht Gegenstand des aktuellen Prozesses, doch es gibt zumindest mittelbare Verbindungen zu Personen, die derzeit auf der Anklagebank sitzen.
Mehrere Ermittlungsverfahren anhängig
Auch gegen dieses Unternehmen laufen bereits Ermittlungen. Laut einem Sprecher der Staatsanwaltschaft geht es um Betrug bzw. Wucher, an dem das Unternehmen beteiligt gewesen sein soll. In Regensburg seien „mehrere Ermittlungsverfahren“ anhängig. „Teilweise wurden diese an die örtlichen Staatsanwaltschaften des Ortes der Handwerkerleistung abgegeben.“
Das ganze scheint im selben Stil abzulaufen wie beim „Handwerker-Engel“ oder Haustechnik Seibel. Das zeigt ein aktuelles Beispiel.
Barbara Schneider (Name geändert) aus Baden-Württemberg ist eine Betroffene von Seibel 365 bzw. der Seibel GmbH & Co. KG. Sie hatte das Unternehmen Mitte März über dessen Hotline kontaktiert, weil ihr Abfluss verstopft war. Am Telefon sei die Rede von einer Einsatzpauschale von 69 Euro die Rede gewesen. Der Rest werde vor Ort mit dem Handwerker besprochen. So steht es in der mittlerweile gestellten Strafanzeige, die unserer Redaktion vorliegt.
1.200 Euro für eine halbe Stunde Rohrreinigung
Nachdem der Handwerker vor Ort war, erklärte er Frau Schneider laut dieser Anzeige, dass er 220 Euro Pauschale sowie 129 Euro pro gereinigtem Meter Rohr verlangen würde. Auf mehrfache Nachfrage versicherte er ihr demnach, dass es sich dabei um marktübliche Preise handeln würde. Nach einer halben Stunde Arbeit präsentierte der Mann eine Rechnung über 1.200 Euro. Er habe schließlich fünf Meter Rohr reinigen müssen, und: „Das kostet eben so viel.“
Bettina Schneider stand wegen eines dringenden Termins unter Zeitdruck. Auch der Handwerker machte Druck – und sie bezahlte. Spätere Vergleiche zeigen: hier wären maximal 500, eher 200 Euro angemessen gewesen.
Bemerkenswert: Die auf der Rechnung angegebene Firma, ein Hausmeisterservice aus Nordrhein-Westfalen, ist im Internet nicht zu finden. Die angegebene Telefonnummer ist falsch, zumindest nicht erreichbar. Von Frau Schneiders Konto abgebucht wurde der Betrag von einer weiteren Firma, dieses Mal aus Oberhausen, deren Webseite nicht erreichbar ist.
Umfirmierungen, Sitzverlegung und familiäre Verbindungen
Die Seibel GmbH & Co. KG wurde 2010 unter anderem Namen gegründet. Zunächst nannte man sich BESA Suchprofis, dann Notdienst-Zentrale 24. Mehrfach wechselten Firmensitz und Gesellschafter. Erst seit Ende 2022 firmiert man unter dem Namen Seibel.
Das geschah nur wenige Monate, nachdem Thomas M. in Untersuchungshaft kam und kurz nachdem die mit ihm verbundene Haustechnik Seibel GmbH Insolvenz anmeldete. Über die verworrenen Gesellschaftsstrukturen an der Seibel GmbH & Co. KG beteiligt ist die Ehefrau des Hauptangeklagten im aktuellen Abzocke-Prozess. Und die Ermittlungen laufen, ebenso offenbar das Geschäft mit der Abzocke.
Wir haben bei der Seibel GmbH & CO. KG zunächst telefonisch um Stellungnahme gebeten. Man hat uns auf eine Anfrage per E-Mail verwiesen. Eine Antwort steht bislang aus.
Rohrfrei
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Der Vorschlag zur Güte und Befriedung:
Das Gericht prüft, wägt ab, urteilt! Ggf. wird der Beschuldigte möglicherweise verurteilt. Weggesperrt. Doch das Gericht kann ja als Schlüsseldienst moderieren: Gegen die Aufwandsentschädigung von ein paar zehntausdend Euronen darf der dann vorbestrafte Täter als reumütiger Büßer seine Zelle wieder von außen anschauen! Und wird nicht mehr Scheiße zu Gold machen wollen!
Kreisky
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Guter Vorschlag, @Rohrfrei. Ich würde sagen, 129€ pro Satz in den Gerichtsakten und dann eben noch die Grundpauschale von 8350,20€ pro Verhandlungstermin. Das kostet eben so viel.
Manfred van Hove
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Die Dummen leben von der Arbeit, die Klugen leben von der Arbeit der Dummen (Rockefeler ).
Aber mal im Ernst – diese Gauner arbeiten meist auch noch schwarz, zahlen keine Steuern und nehmen den ehrlichen Handwerkern die Arbeit weg. Bei diesem Prozess darf es deshalb nicht nur um den Schaden gehen, den die Betroffenen erlitten haben sondern auch um den Schaden, der zusätzlich der Gesamtgesellschaft entsteht.
Stefan
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Ich hab da vor mittlerweile 13 Jahre gearbeitet und damals schon mit Herrn M. diskutiert, ob das so okay ist. Das war weder bei ihm noch bei seinen Leuten gern gehört. Selbst wenn es sich als nicht justiziabel herausstellen sollte, so ist es doch bar jeden Anstands.
Daniela
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Sobald man diesen “Handwerkern” einmal auf den Leim gegangen ist, sucht man Lösungen.
Einmal schloss ich mich aus dem Haus aus (Tür klappte zu, Schlüssel innen steckend.) Auch ich habe dann einen Schlüsseldienst geholt. Im Callcenter war die Rede von 129€. Der Handwerker kam, brauchte 3 Minuten, um mit einer Karte die Tür zu öffnen. Nachdem er die Rechnung fertig hatte, standen da 439,00 Euro.
Ich erklärte dem Herrn, dass dies unmöglich sein kann, da bei telefonischen Vertragsabschluss im Callcenter nur 129 € benannt wurden und er bevor er mit derArbeit begonnen hatte eben auch nichts von plötzlich zusätzlich anfallende Kosten gesagt hatte. Er fing an, sich auf zu bauen und begann einen Monolog, der sowohl bedrohlich als bei der Preisfindung absurd klang. Er würde die Tür wieder schließen und abhauen, wir könnten ja dann sehen, wie es werde. Außerdem bestünde er auf Barzahlung oder Kartenzahlung.
Dann bauten wir uns auf, er bekommt bar genau was vereinbart wurde und mehr nicht, ansonsten solle er die Rechnung da lassen, wir würden das nach Prüfung überweisen. Und baten ihn sofort vom Grundstück mit dem Hinweis, dass, wenn er dem nicht nachkomme, wir die Polizei holen würden. Er ließ die Rechnung da und verschwand, ein Foto vom KFZ hatten wir auch schon gemacht. Das Kennzeichen war ortsnah, ungefähr eine halbe Stunde Anfahrt. Wir riefen wieder im Callcenter an und beschwerten uns. Die Dame im Callcenter hatte nach eigener Angabe eine Notiz bei unserem Auftrag hinterlassen und legte auf. Wir überwiesen 129€ und hörten nie wieder etwas wegen besagter Rechnung.
Am nächsten Tag (Montag) holten wir ein neues Schloss, beidseitig schließbar und bauten das ein. Einen Zweitschlüssel deponierten wir in der Firma an sicheren Ort.
Um derartigen Situationen ausweichen zu können, kann ich jedem nur anraten, sich Gedanken zu machen, welches Türschloss man einbaut und wo man ggf. einen Schlüssel sicher hinterlegen kann ( Familie, Nachbarn, Arbeit ect.)
Bei plötzlich auftretenden Rohrvestopfungen, Wasserhahn tropfen ect. (also kleine Probleme) immer erstmal in der guten Nachbarschaft fragen, man glaubt gar nicht, wie viele versierte Heimhandwerker in der Nähe wohnen und in aller Regel langt dann ein netter Smalltalk ein Händedruck mit freundlichem Danke und vielleicht ein zwei Flaschen Bier und eine nette Einladung zur nächsten Gartenfeier.
Wir verlassen uns zu wenig auf die gute alte Nachbarschaftshilfe, deswegen haben solche Firmen diese Chance uns unser Geld aus der Tasche zu ziehen.
Ich hoffe nur dass diesen Herren und Damen, hier angeklagt, das “Handwerk ” gelegt wird und diese zu zumindest hohen Geldstrafen verdonnert werden, noch besser vielleicht einmal eine gewisse Zeit hinter ‘vergitterten Gardinen’. Diese Leute machen dem ehrlich Handwerk keine Ehre!
MADAME
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Die Schwarzarbeit lebt, der Betrug ist salon salonfähig. Gute Zeit für alle, die den ✋️ werker brauchen.
auch
Günther Herzig
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@Daniela
7. April 2025 um 10:14 | #
Ihre Erfahrungen sind exemplarisch. Was hindert eigentlich einen Besteller sich auf den telefonisch genannten Preis im Beisein des “Handwerkers” zu berufen und damit zu drohen die Polizei zu Hilfe anzufordern. Ist es die Angst? Solange keine Rechnung vorliegt, vielleicht sogar digital, kann nichts passieren. Wurde sie übergeben, kann bestritten werden, dass die Abrechnung dem telefonischen Angebot entspricht. Es stellt sich dann sogar die Frage einer wucherischen Rechnung. Beweispflichtig ist die Firma. eine Vorleistungspflicht müsste auch vereinbart worden sein. Es gibt weitere Gesichstpunkte, die eine Rolle spielen könnten. Nützlich ist sicher auch die Anwesenheit anderer Personen, zweckmäßig eines Nachbarn.