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Prozess am Landgericht

Totschlag aufgrund gekränkter Männlichkeit?

Seit Anfang dieser Woche muss sich ein Nittendorfer Installateur vor dem Landgericht Regensburg wegen Nötigung und Totschlags verantworten. Er soll Anfang Dezember 2019 seine (damals bereits) Ex-Partnerin in ihrer Wohnung in Regensburg erwürgt haben. Der Fall sorgte damals für Aufsehen, auch weil der mutmaßliche Täter kurze Zeit darauf mit selbstzugefügten Schnittwunden in einem Gebüsch gefunden wurde. Wie Zeuginnen und Zeugen am Dienstag vor Gericht schildern, sei der Mann „krankhaft eifersüchtig“ und habe der Getöteten bereits längere Zeit nachgestellt.

Der Angeklagte neben seinen Verteidigern Dr. Ronny Raith (li.) und Jürgen Lubojanski. Foto: om

Seit Montag steht der 54-jährige Dieter E. vor Gericht. Laut Anklage soll er in der Nacht des 4. Dezember 2019 die damals 45-jährige Nataliya L. in ihrer Ziegetsdorfer Wohnung getötet haben. Am Abend des 3. Dezember habe er sie daheim aufgesucht. Ob sie ihn hineingelassen oder er sich gegen ihren Willen Zutritt zur Wohnung verschafft habe, sei bisher unklar. Die beiden waren von Sommer bis Spätherbst 2019 ein Paar – bevor sie sich einige Wochen vor der mutmaßlichen Gewalttat von ihm trennte.

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Rechtsmediziner: Opfer wurde minutenlang Luftzufuhr abgedrückt

Vor der Tötung – oder währenddessen – sei es der Anklage zufolge zu „letztmaligem einvernehmlichen ungeschützten vaginalen Geschlechtsverkehr“ gekommen. Die Regensburgerin sei „durch flächige Kompression der Halsweichteile“ gestorben. Laut dem rechtsmedizinischen Sachverständigen, Professor Peter Betz, der am Dienstag in der Verhandlung vernommen wird, muss ihr vor ihrem Tod minutenlang die Luftzufuhr abgedrückt worden sein. Der genaue Todeszeitpunkt ist nicht bekannt, soll im Verfahren aber auch mittels Funkzellenabfragen und Datenanalysen – etwa auch des Alexa-Geräts der Getöteten – möglichst genau rekonstruiert werden.

Nach der Tat soll der Angeklagte zunächst noch ein Telefonat und Textnachrichten fingiert haben. Dann habe er sich „in suizidaler Absicht“ mindestens zwölf teilweise tiefe Schnitte am linken Unterarm zugefügt. Gefunden wurde E. von Passanten am Nachmittag des 4. Dezember blutüberströmt einige Hundert Meter vom Tatort entfernt in einem Gebüsch. Durch Nachverfolgung von Spuren fand die Polizei schließlich die Leiche der Frau in ihrer Wohnung.

Anderthalb Wochen zuvor: Nötigung

Gegenstand der Vorwürfe gegen E. vor der Zweiten Strafkammer des Landgerichts Regensburg ist auch eine Nötigung keine zwei Wochen zuvor. Am 23. November 2019 soll der Angeklagte Nataliya L. in ihrem Appartement aufgesucht haben. Nach einem Streit habe er Sex von ihr verlangt, „da dies sein Recht sei“, wie es in der Anklageschrift heißt. Als sich die 45-Jährige weigerte, habe er ihr einen Gürtel vom Rock abgerissen, sie gepackt, auf Couch oder Bett geworfen und sie minutenlang im Schlafzimmer eingeschlossen.

Nachdem E. Nataliya L. „erlaubte“ auf die Toilette gehen zu dürfen, gelang es ihr ein Telefongespräch zu einer Freundin aufzubauen, die dadurch Hilfeschreie vernahm, zur Wohnung fuhr und den Angeklagten zum Gehen veranlassen konnte.

Zeuginnen sprechen von versuchter Vergewaltigung

Auch einigen Zeuginnen, die am Dienstag aussagen, erzählte L. von dem sexualisierten Angriff. So etwa ein paar Kolleginnen eines Regensburger Bekleidungsgeschäfts, in dem sie seit Sommer 2018 arbeitete. In Details unterscheiden sich die Aussagen leicht, doch bestätigen sie im Kern die Anklage und stellen die Abläufe sogar verschärft dar. So habe Nataliya L. den Zeuginnen berichtet, dass E. sie nach ihrem Öffnen der Wohnungstür in die Wohnung hineingestoßen und die Tür zugesperrt habe. Danach habe er Sex gewollt. „Er wollte mich vergewaltigen“, zitiert eine Zeugin ihre getötete Bekannte. Sie könne sich an das Gesagte „sehr gut erinnern“. Damit stünde nicht nur eine Nötigung, sondern auch eine versuchte Vergewaltigung im Raum.

Eine engere Freundin des Opfers berichtet ebenfalls davon, dass Dieter E. an diesem Abend von L. „Sex haben wollte“. Sie war es auch, die übers Telefon Teile des Angriffs am 23. November mithörte. L. rief um Hilfe, verlangte nach ihrem Handy, forderte ihren Ex-Partner auf zu gehen. Doch er blieb. Kurze Zeit später erhielt die Freundin eine Sprachnachricht von L., wonach alles wieder gut sei und sie sich keine Sorgen machen müsse. Sie misstraute dem und eilte trotzdem zu L.s Wohnung, um Dieter E. zum Gehen zu veranlassen. Erst hinterher eröffnete Nataliya L. der Zeugin, was diese ohnehin schon ahnte: E. hatte das Einsprechen der beschwichtigenden Sprachnachricht verlangt.

Grenzüberschreitungen des mutmaßlichen Täters mehrten sich

Konsequenzen hatte der Vorfall am 23. November keine. Ihren Nachbarn in dem Mehrfamilienhaus in Ziegetsdorf wollte Nataliya L. aus Scham nichts von befürchteten Besuchen des Stalkers, der immer wieder bei ihr geklingelt haben soll, erzählen. Zur Polizei wollte sie ebenso nicht. Sie schlug Ratschläge ihrer Freundinnen und Kolleginnen aus, die Gefahr durch E. ernster zu nehmen.

Dabei mehrten sich die Gefahrensignale. Die Grenzüberschreitungen des mutmaßlichen Totschlägers nahmen zu und verfestigten sich. Schon in der Zeit der relativ kurzen Beziehung spionierte der Installateur seine damalige Freundin aus. So berichten mehrere Zeuginnen, dass er Nachrichten und Anrufe auf dem Handy kontrollieren wollte, sie immer wieder unangekündigt in der Arbeit besucht habe, ihr scheinbar „zufällig“ über den Weg gelaufen sei, ihr aufgelauert habe. Nach der Trennung – die L. wegen der Eifersucht vornahm – sei die Kontrollobsession noch schlimmer geworden.

Spionage aus Eifersucht

Auch aus dem Umfeld von Dieter E. gibt es Hinweise auf krasse Eifersucht und eine ausgeprägte Spionagetätigkeit. So berichten Arbeitskollegen, dass der sonst sehr zuverlässige Heizungsbauer zunehmend für einige Zeit von Baustellen verschwunden sei. Er hätte was zu erledigen. Naheliegend sind „Kontrollfahrten“ zu seinen jeweiligen (Ex-)Freundinnen.

Zumindest bei einer vorherigen Freundin aus Deggendorf im Jahr 2018 soll das auch schon der Fall gewesen sein. E.s Chefin konfrontierte ihn mit den privaten Fahrten mit dem Firmenwagen während der Arbeitszeit. Er habe ihr gesagt, dass er „da auch großen körperlichen Druck“ verspüre und die Frau wenigstens kurz sehen müsse – etwa wenn sie von ihrer Arbeit heimgehe.

Meister des Angeklagten: Er hatte schon Termin für stationäre Aufnahme

Wegen der Eifersuchtsthematik sei er vormals bereits „stationär in der Psychosomatik“ gewesen, so die Vorgesetzte. Es gibt auch einschlägige Verurteilungen. Die Zahlung einer Geldstrafe von 4.500 Euro habe die Firma sogar für ihren Beschäftigten übernommen, weil er mit über 50.000 Euro Schulden auch große finanzielle Probleme habe.

Bis vor wenigen Tagen saß E. eine – die Untersuchungshaft unterbrechende – 7-monatige Freiheitsstrafe im Zwischenvollzug ab, zu der er vom Amtsgericht Deggendorf am 6. November 2019 verurteilt wurde – knapp einen Monat vor Nataliya L.s gewaltsamen Tod.

Ein Meister des Heizungsbauers berichtet im Zeugenstand, dass ihn E. wegen seiner „krankhaften Eifersucht“ um Vermittlungskontakte ins Bezirkskrankenhaus gebeten habe. Dieter E. soll dort schon vorgesprochen und auch schon einen Termin für eine stationäre Aufnahme gehabt haben. Doch dazu kam es nicht mehr.

Die Verhandlung vor der Zweiten Strafkammer unter Vorsitz von Dr. Michael Hammer wird am Freitag fortgesetzt. Dann soll die Tochter der Getöteten aussagen.

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Kommentare (3)

  • R.G.

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    Danke für den Gerichtsbericht.
    Beeindruckend das Bemühen der Arbeitgeber und Kollegen für den später zum Totschläger gewordenen Mann.
    Gibt es Stellen, wo man sich sonst noch hinwenden könnte?

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  • Nocheinüberlebender

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    Wir brauchen einfach mehr Aufmerksamkeit. Sogar meine Tochter meinte neulich: “Was wollt ihr eigentlich mit eurem #MeToo”, aber, egal ob es sich um Vergewaltigung oder Totschlag, Nötigung oder darum handelt, dass es in jeder Klasse zwei Kinder gibt, die sexualisierte Gewalt erlebten, wir werden immer noch nicht gehört und solange wird es immer wieder Totschlag auf Grund von gekränkter Männlichkeit geben oder auch Totschlag oder Gewalt aus Machtinteressen. Die Menschen reden von Einzelfällen, aber waren wir wirklich einzelne, die Missbrauch erlebten oder waren es sehr viele und viele schweigen – immer noch.

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