„Todesursache: Mord: Tod durch Erwürgen“
Im Rahmen einer Gedenkstunde anlässlich des Jahrestags der Reichspogromnacht 1938 stellte die Journalistin und Autorin Waltraud Bierwirth neue Recherchen zu Morden an Mitgliedern der Jewish Community im Regensburg der Nachkriegszeit vor. Stammten der oder die Täter aus dem Umfeld der Polizei?
Es ist eine bedrückende Stimmung im Saal der jüdischen Gemeinde. Es war hier wohl noch nie so voll wie heute. 9. November, Jahrestag der Reichspogromnacht, der, so nennt es Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer, „Tag der Schande einer zuschauenden Gesellschaft“, als vor 85 Jahren Juden misshandelt, gedemütigt und ermordet wurden und als in Regensburg die Synagoge brannte.
Doch ein Gutteil der über 250 Menschen dürfte vor allem gekommen sein, um seine Solidarität und Unterstützung zu signalisieren vor dem Hintergrund des terroristischen Angriffs der Hamas am 7. Oktober, bei dem den aktuellsten Schätzungen zufolge 1.200 Jüdinnen und Juden massakriert wurden und zwar, so die OB, „aufgrund ihres bloßen Seins“.
Während man nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine schon bald eine Vielzahl von Ukraine-Flaggen sah, suche man Fahnen für Israel nach diesem Angriff weitgehend vergeblich, beklagt Ilse Danziger von der Jüdischen Gemeinde. Doch „Nie wieder“ das sei nicht nur „Jetzt“, greift die OB einen Slogan auf, der die aktuelle Solidarität mit Israel und mit Jüdinnen und Juden ausdrücken soll. „Nie wieder“ das seien auch die Attentate in Kassel und Halle 2019 sowie in Hanau 2020 gewesen. „Nie wieder“, das geschehe „leider viel zu oft“.
Als sich der dumpfe Judenhass ins Hinterzimmer verzog
Auf Einladung der Jüdischen Gemeinde widmet sich anschließend die Journalistin und Autorin Waltraud Bierwirth der Kontinuität des Antisemitismus im Nachkriegsdeutschland. Jener Zeit, in der dumpfe Judenhass erstmals öffentlich tabuisiert wurde, aber, so Bierwirth, nicht weg gewesen sei. „Er hatte sich nur in die Hinterzimmer verzogen.“
Diesem „blinden Fleck“ des harten Antisemitismus in den ersten Nachkriegsjahren hat Bierwirth ihre aufwändigen Recherchen gewidmet und präsentiert am Donnerstag vor Honoratioren von jüdischer Gemeinde, Stadt und Polizei erstmals neue Erkenntnisse zu ungeklärten bzw. nur vermeintlich geklärten Morden. An dem jüdischen Schüler Berek Goldfeier, der kurz vor Weihnachten 1945 erwürgt wurde. An der jüdischen Familie Brutmann, drei Erwachsene und ein acht Wochen altes Baby, die am 3. April 1947 in der Graf-Spee-Straße 10 in Regensburg mit einer Axt erschlagen wurden.
Das Ghetto Lodz: In Regensburg gab es Opfer und Täter
Folgt man Bierwirths Ausführungen, handelte es sich – insbesondere in den Augen der Jewish Community – um antisemitisch motivierte Morde, die aber von der Polizei nicht als solche verfolgt wurden. Auch das Bild vom damaligen Oberbürgermeister Alfons Heiß bekommt manchen Kratzer. In von ihm dokumentierten Aussagen spiegelt sich seine eigene Judenfeindlichkeit wider, eine Verharmlosung der Morde. Seine Aussagen aber auch der Gang der Ermittlungen erinnern bisweilen fatal an die Mordserie des NSU und deren anfängliche Einordnung als „Döner-Morde“ innerhalb der migrantischen Community.
Auch wenn Bierwirth solche Spekulationen in ihrem Vortrag nicht explizit ausspricht: Vieles weist darauf hin, dass Teile der Polizei nicht nur an der Vertuschung des Geschehens beteiligt waren, sondern dass der oder die Täter aus ihren Reihen oder deren Umfeld stammen könnten.
Hintergrund: Angehörige der Regensburger Polizei, das Regensburger Polizei-Reserve-Bataillon XIII und SS-Polizei-Wachkompanien zur besonderen Verwendung, waren von 1939 bis 1944 im von den Deutschen Behördern Ende 1939 geschaffenen Ghetto von Lodz in Polen stationiert. Hunderte von Ordnungs- und Reservepolizisten.
„Sie drangsalierten und erschossen jüdische Männer, Frauen und Kinder“, so Bierwirth. Sie beaufsichtigten die Zwangsarbeit bei Hunger und Kälte. Und waren schließlich an der „Endlösung“ beteiligt: Massenerschießungen und Deportationen in die nationalsozialistischen Vernichtungslager von Auschwitz-Birkenau und Chelmno (Kulmhof). Dass besondere Verbindungen zwischen Lodz und Regensburg bestanden, zeigt auch der Umstand, dass die Regensburger Domspatzen dort (im Rahmen einer Konzertreise durch von Deutschen besetzte Länder) im November 1940 auftraten.
Eine Ermittlungsakte, die es eigentlich nicht mehr geben dürfte
Auch die späteren Regensburger Mordopfer stammten aus Lodz – sie hatten Ghetto und Zwangsarbeit überlebt. Begegneten sie hier in Regensburg ihren früheren Peinigern und besiegelten damit ihr Schicksal? Vieles, was Bierwirth recherchiert hat, legt das nahe. Auffällig ist vor allem, dass die Polizei in beiden Fällen keinerlei Ermittlungen in diese Richtung anstellte.
Die Mordfälle als solche sind zwar schon länger bekannt und wurden in der Vergangenheit unter anderem von Andreas Angerstorfer thematisiert. Bierwirths großes Verdienst ist es aber, die 300 Seiten dicke Handakte eines jungen Kriminalpolizisten aufgespürt und ausgewertet zu haben, die es eigentlich gar nicht mehr geben dürfte und die – das hatte es zuvor geheißen – einem Wasserschaden zum Opfer gefallen sein soll. Doch von Anfang an.
Berek Goldfeier überlebte Ghetto und KZ…
Berek Goldfeier wurde 1939 zusammen mit seinen Eltern von ihrem Heimatort Brzeziny nach Lodz deportiert, um dort in Munitions- und Textilfabriken der Nazis Zwangsarbeit zu leisten. Als die Sowjetarmee näher rückte, ordnete Himmler im Februar 1944 eine mehrphasige Liquidierung des Ghettos an. Die „Endlösung“ hatte begonnen. Laut dem Historiker Roman Smolorz, den Bierwirth zitiert, waren Regensburger Ordnungspolizisten für ein Viertel aller Deportationen aus Lodz nach Auschwitz-Birkenau und Kulmhof zuständig.
Bereks Eltern, Simcha und Mirjam Goldfeier, starben in den Gaskammern. Er und sein Bruder Moritz überlebten, weil sie als arbeitsfähig eingestuft wurden. Nach der Befreiung durch die Sowjetarmee machten sich die beiden Brüder, 14 und 17 Jahre alt, auf den Weg nach Regensburg. Von Bayern aus sollte, so ihr Plan, die Auswanderung nach Israel gelingen.
Regensburg sei mit seiner weitgehend intakten Infrastruktur ein Magnet für Flüchtlinge gewesen, so Bierwirth. Die Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen zählten hier im November 1945 rund 11.700 DPs (Displaced Persons). In das Aufnahmebuch der Jüdischen Gemeinde Regensburg trugen sich in den ersten beiden Nachkriegsjahren 65 Ghetto-Überlebende aus Lodz ein.
…und wurde kurz vor Weihnachten 1945 in Regensburg ermordet
Am 16. Dezember 1945, 3. Advent, sah Moritz Goldfeier seinen 14-jährigen Bruder zum letzten Mal. Berek habe sich mit einem Bahnbediensteten treffen wollen, der ihm warme Kleidungsstücke versprochen habe, gab Moritz später gegenüber der Kripo zu Protokoll. Von dieser Verabredung kehrte er nicht mehr zurück – vier Tage später wurde in einer Halle am Bahnhofspostamt unter einem Strohsack und verdeckt von einer Blechtüre seine Leiche gefunden.
Der schmächtige 1,52 Meter große Schüler war mit einer verdreckten Unterhose erdrosselt worden. „Mord: Tod durch Erwürgen“, heißt es in der Sterbeurkunde, die drei Monate nach Berek Goldfeiers Tod ausgestellt wurde.
Obwohl sich in den Taschen des Toten noch 1.700 Reichsmark befanden, aber weil die Brieftasche, Armbanduhr und ein Siegelring fehlten, legten sich die Ermittler auf das Motiv Raubmord fest. Die antisemitische Botschaft am Tatort aber hätten die Kriminalisten übersehen, so Bierwirth. „Wie weggeworfen lag der tote Körper unter dem von Mäusekot und Ungeziefer zersetzten Strohsack, die verschmutze Unterhose.“
Die Jüdische Community sorgte für eine große Verbreitung des Fahndungsplakats, übernahm die Fahrtkosten für die Spurensicherung und setzte 5.000 Reichsmark Belohnung für Hinweise auf den Täter aus. Der Trauerzug am 24. Dezember 1945 durch Regensburg zum Jüdischen Friedhof geriet laut Bierwirth zur Protestdemonstration gegen Antisemitismus. Nach drei Jahren ergebnisloser Ermittlungen wurde der Mordfall Goldfeier dennoch für immer zu den Akten gelegt, Vermerk: „Die Straftat verjährt am 18. 12. 1975.“
Hersch Brutmann wollte in Regensburg ein neues Leben beginnen
„Der zweite antisemitische Mordfall vom 3. April 1947 hätte möglicherweise verhindert werden können, wenn die Ermittler von Anfang an dem Tatverdacht eines nazistischen Verbrechens nachgegangen wären“, so Bierwirth. Doch auch nach „der grausamen Abschlachtung“ der Familie Brutmann habe sich die Kripo erneut auf Raubmord festgelegt und ein anderes Motiv gar nicht erst in Betracht gezogen.
Während ihre Eltern in den Gaskammern starben, überlebten Hersch Brutmann und seine Brüder Moses, David und Menasche das Ghetto Lodz und das KZ Auschwitz-Birkenau. Hersch verschlug es nach der Befreiung im Herbst 1945 schließlich nach Regensburg. Hier heiratete er auch im März 1946 seine Frau Gitla.
Im November erhielt das junge Paar den lange ersehnten Bescheid für eine Zweizimmerwohnung in einem der Mehrfamilienhäuser in der Graf-Spee-Straße. Die UN-Flüchtlingsorganisation UNRRA hatte die Wohnungen des Bauvereins in Häusern mit geraden Nummern zuvor beschlagnahmt. Im Januar 1947 kam hier ihr Baby Natan zur Welt. Auch Herschs Brüder David und Moses kamen nun häufiger zu Besuch.
Eine Familie wird brutal ausgelöscht
Der Mord geschah am 3. April 1947, zwischen 21.30 und 22 Uhr. Ein Freund, der die Familie am darauffolgenden Tag besuchen wollte und ergebnislos klopfte, alarmierte die Polizei. Die musste die von außen verschlossene, nicht beschädigte Tür aufbrechen. In der Wohnung habe sich ein „Bild des Grauens und der Verwüstung“ geboten, so Bierwirth, untermauert mit Tatortfotos.
Neben ihrem Doppelbett liegen die toten Körper von Gitla und Hersch Brutmann in großen Blutlachen, hinter dem Türeingang der tote David Brutmann. Erst später wird der leblose kleine Körper des acht Wochen alten Babys Natan entdeckt. Eingekeilt von Matratzen. Der an der Stirn eingedrückte Babykopf zeigt eine schwere Platzwunde. Auch die Köpfe der drei Erwachsenen weisen klaffende Kopfwunden auf.
„Die Schläge und Hiebe auf die vier Körper wurden mit großer Wucht geführt, wahrscheinlich einer kleineren Hacke oder Beil“, zitiert Bierwirth aus dem Obduktionsbericht. „Die Einheitlichkeit aller Verletzungen lässt mit großer Wahrscheinlichkeit darauf schließen, dass diese Verletzungen von ein und demselben Täter geführt worden sind.“
Die Nachricht von der Tat habe sich wie ein Lauffeuer in der Jewish Community verbreitet. Hersch Brutmann hatte sich bei der zionistischen Jugendorganisation Betar engagiert, war dort Kommandant. Viele Juden hätten in den Wohnblocks des Bauvereins in der Graf-Spee-Straße gelebt. „Eingewiesen von der Militärregierung. Gegen den Willen der Deutschen“, so Bierwirth. Auch gegen den Einzug der Brutmanns habe sich der deutsche Vorgänger vergebens gestemmt.
Displaced Persons – für die Deutschen waren das privilegierte Ausländer
„Egal ob Zwangsarbeiter oder jüdischer KZ-Überlebender – für die deutsche Bevölkerung waren Displaced Persons privilegierte Ausländer, die sie nach Kräften antisemitisch schmähten.“ Dabei habe sich auch der 1946 eingesetzte Regensburger Oberbürgermeister Alfons Heiß hervorgetan. In einem Informationsbericht an die Amerikanische Militärregierung, aus dem Bierwirth zitiert, schreibt Heiß unter anderem:
„Wenn heute die Bürger der Stadt durch die Pfauengasse gehen, so trägt das Benehmen der schreienden, handelnden und feilschenden Juden dort nicht dazu bei, das Verständnis zu diesen unglücklichen Menschen zu fördern. (…) Immer wieder meldet die Zeitung von Einbrüchen und Diebstählen bei Juden, wobei den Tätern gewaltige Summen Geldes und große Mengen an Wertgegenstände in die Hände fallen. Zurecht fragt sich das Volk. ‚Wo stammen diese Werte her, wenn die Juden erst vor kaum zwei Jahren aus dem Konzentrationslager entlassen wurden und damals völlig mittellos waren? Doch wohl von Deutschen, denen sie abgehandelt und abgenommen wurden!“
Heiß selbst war Katholik und viele Jahre mit der Jüdin Alice Heidecker verheiratet, die zum katholischen Glauben konvertierte und den Namen Elisabeth annahm. Im September 1943 wurde unter anderem ihm von den Nazis wegen des „Abhörens von Feindsendern“ der Prozess gemacht. Damals sagte Heiß sich von seiner Frau los: „Die Heirat mit der Jüdin war der größte Fehler meines Lebens.“ Elisabeth Heiß, geborene Alice Heidecker, wurde 1944 in Auschwitz-Birkenau ermordet.
„Ermittlungen vermitteln den Eindruck: ein Jude sollte der Täter sein.“
Als Verdächtigen der Mordtat an der Familie Brutmann verhaftete die Polizei zunächst Hersch Brutmanns Bruder Moses. Er blieb wochenlang in Untersuchungshaft, obwohl er zur Tatzeit ein mehrfach überprüftes Alibi hatte. Bierwirth: „Die interessengeleiteten Ermittlungen gegen Moses Brutmann waren tendenziös und vermitteln den Eindruck: ein Jude sollte der Täter sein.“
Öffentlich fahndete man mit einem Plakat, auf dem man sich auf das Motiv Raubmord festgelegt und 20.000 Reichsmark Belohnung ausgesetzt hatte. Das angegebene Diebesgut – vier Schmuckstücke – sei selbst für die damalige dürftige Zeit „nicht als reiche Beute anzusehen“ gewesen, so Bierwirth.
Polizei-Kollegen aus Nazi-Zeiten
Für die Ermittlungen sind vor allem zwei Beamte zuständig: der junge Kriminalassistent Peter Fries und Kriminalobersekretär Karl Bauer. Letzterer übernimmt die Vernehmung der Hausbewohner in der Graf-Spee-Straße 10, darunter der unmittelbare Nachbar der Familie Brutmann – Kriminalsekretär außer Dienst Heinrich Götz.
„Die beiden Kollegen verbanden der gemeinsame Beruf und die Vergangenheit in der Gestapo und SS“, merkt Bierwirth an. „Götz war zur Nazi-Zeit der Ober, der im Zweifel den Unter sticht. Das funktionierte noch immer. Die beiden ehemaligen Gestapobeamten und SS-Mitglieder verstanden sich.“ Die Aussage seines früheren Ober dokumentiert der Unter demnach in zwölf dürftigen Zeilen:
„Mein Schlafzimmer ist mit der Küche der Familie Brutmann nur durch eine Wand getrennt. Wir waren es gewohnt, dass in der Wohnung Brutmann es stets sehr lebhaft zuging…Am 3. April, (es war die Nacht zuvor) gegen 22 Uhr, ich war gerade zu Bett gegangen, waren plötzlich Schreie von einer Frau zu vernehmen, begleitet mit heftigem Poltern. Es waren nur wenige kurze Schreie und es trat dann völlige Stille ein. Wir vermuteten nichts Außergewöhnliches, denn wir waren solche Lärmszenen gewohnt. Männerstimmen waren nicht vernehmbar. Ich bin der Ansicht, dass sich die Bluttat in wenigen Minuten abgespielt hat.“
Viele offene Fragen zum Nachbarn der Brutmanns
Weitere Nachforschungen bezüglich des Nachbarn Götz stellte sein früherer Kollege Bauer nicht an. Nach Recherchen von Waltraud Bierwirth war der damals 51-jährige Götz ein überzeugter Nationalsozialist und war ab 1942 Leiter des örtlichen SD, Heydrichs Sicherheitsdienst, der in Regensburg den Auftrag hatte, die Kripo in die SS zu holen. Seine Polizei-Personalakte wurde – wie so oft – vernichtet.
Allerdings sei die Uniform, die er ab 1943 auf Fotos trug („Feldgraue Uniform der Sicherheitspolizei mit den Achselstücken der Polizei“), für den „Diensteinsatz außen“ vorgesehen gewesen – die annektierten Ostgebiete, wie zum Beispiel Lodz. Ebenfalls auffällig: Heinrich Götz war als NSDAP-Mitglied Blockleiter in der Graf-Spee-Straße.
In Bierwirths Augen wären einige Fragen zu klären gewesen, insbesondere: „Basiert der mörderische Gewalt-Exzess auf ein Geschehen in der Nazi-Zeit. Gab es eine mögliche Täter-Opfer-Begegnung?“ Doch weitere Ermittlungen in Richtung des Nazi-Kollegen stellte die Kriminalpolizei laut Bierwirth nicht an – nichts dazu findet sich in der von ihr ausgewerteten Handakte des jungen Kriminalers Peter Fries.
Oberbürgermeister Heiß: „Täter nicht in Kreisen der deutschen Bevölkerung zu suchen“
Derweil stieg aufgrund der öffentlichen Berichterstattung und Protesten in der jüdischen DP-Community der Druck auf die Ermittler. Oberbürgermeister Alfons Heiß gab am 14. April 1947 in einem seiner Informationsberichte die Amerikanische Militärregierung Richtung vor, in die sich auch die Ermittlungen entwickelten:
„Die schwere Mordtat hat die Gemüter der Einwohnerschaft stark erregt. Alle sind davon überzeugt, dass die Täter nicht in Kreisen der deutschen Bevölkerung zu suchen sind, sondern dass dies eine Angelegenheit der Ausländer untereinander war und ist. Es hat sich beispielsweise ein schroffer Gegensatz zwischen Juden und Polen entwickelt, der teilweise zu offener Feindschaft führte. Unter diesem Gesichtspunkt dürfte vielleicht auch die letzte schwere Bluttat zu betrachten sein. Nachdem die einheimische Bevölkerung in der überwiegenden Mehrheit schon so stark verarmt ist, dass nichts mehr zu holen ist, richtet sich das Interesse verbrecherischer Ausländerkreise auf ihre eigenen Stammesbrüder.“
Fünf polnische DPs als Täter
Nachdem sich die Vorwürfe gegen Herschs Bruder Moses in Luft aufgelöst hatten, korrigierten die Regensburger Kripo und Oberstaatsanwaltschaft ihre Theorie. Nun wurde nach fünf polnischen DPs gefahndet, ehemalige Zwangsarbeiter, die nach der Befreiung beim Bataillon zur Bewachung internierter SS-Mitglieder in der Straubinger Straße gearbeitet hatten.
Mehrere Zeugen hatte belastende Aussagen über eine Gruppe junger Männer in den schwarzen Uniformen des polnischen Wachbataillons zu Protokoll gegeben. Unter ihnen waren neben der geschiedenen Ehefrau eines der Beschuldigten, insbesondere die Ehefrau und der Sohn des Brutmann-Nachbarn, SD-Leiters und ehemaligen Blockleiters Heinrich Götz.
Zwei von ihnen wurden schließlich im März 1949 vor Gericht gestellt und wegen vierfachen Raubmordes angeklagt. Die übrigen drei hatten mit Beginn der Ermittlungen Deutschland verlassen und waren nach Polen zurückgekehrt.
Beweislage alles andere als überzeugend
Die Beweislage für eine Verurteilung wegen Raubmordes sei alles andere als überzeugend gewesen, so Bierwirth. Weitere beweiskräftige Tatortspuren habe es abseits der Aussagen keine gegeben. Die sichergestellten Finger- und Handinnenabdrücke aus der Wohnung seien den Angeklagten nicht zuzuordnen gewesen. „In dem kleinen Schlafzimmer sollten die drei erwachsenen Toten, die in großen Blutlachen lagen, angeblich von fünf Männern ermordet worden sein, die keine beweisbaren Spuren hinterließen.“ Die Wohnung sei so spurenfrei gewesen, „als hätten Tatortreiniger Hand angelegt“.
Eine Verurteilung der beiden angeblichen Täter zum Tode bzw. zu einer lebenslangen Zuchthausstrafe wurde vom amerikanischen Gnadenausschuss kurz darauf reduziert. „Beide wurden auf eigenen Wunsch und nach Zusicherung aller Freiheitsrechte Ende der 50-er Jahre nach Polen repatriiert.“
Hochgelobter Ermittler verließ die Kripo Regensburg
Der junge Ermittler Peter Fries, auf dessen Handakte Waltraud Bierwirth einen wesentlichen Teil ihrer Recherchen stützt, verließ – obwohl hochgelobt – unmittelbar nach Abschluss der Ermittlungen die Kripo Regensburg. Ohne Angabe von Gründen.
Ein abschließendes Fazit will Bierwirth aus alledem noch nicht ziehen. Es brauche weitere, auch größer angelegte Recherchen und Forschungen, um umfassend zu untersuchen ,was das Wachschutzbataillon XIII aus Regensburg, das Polizeischützenregiment 35 und die SS-Polizei-Einheiten zum „Schutz der deutschen Ostgebiete“ getan hätten. „Es ist Zeit, Polizeiakten zum Sprechen zu bringen.“
Mr. T.
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In dem ersten Zitat von Heiß muss man nur ein paar Worte tauschen und man kann es heute genau so an jeden Stammtisch hören.
Der Schoß aus dem das kroch scheint viele Jahrzehnte später wirklich noch sehr fruchtbar zu sein.
Mr. R.
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Die NSU-Morde waren nicht die ersten, die mit interessensgeleiteten Ermittlungen innerhalb der community auffielen. Auch die Ermordung des jüdischen Verlegern Shlomo Lewin und seiner Lebensgefährtin Frida Poeschke vom 19. Dezember 1980 in Erlangen wurde wegen ähnlich ungeheuerlicher Ermittlungsarbeit nicht wirklich aufgeklärt.
Das absolut verstörende Fazit des SPIEGELS zur Ermordungs Lewins (1980) trifft auch auf die Ermordung der Regensburg Familie Brutmann (1947) zu:
„Es hat den Anschein, als seien die Ermittler in diesem Mordfall mit Blindheit geschlagen gewesen. Noch über Monate hinweg suchte die Polizei den Lewin-Mörder keineswegs im Spektrum von Rechtsaußen, sondern unter Angehörigen der jüdischen Gemeinde.“
(Zitat aus Wikipedia-Eintrag Shlomo Lewin)
KW
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Wie war das nochmal mit den NSU-Morden? Man braucht wohl nicht so weit zurück gehen.
Anwohner
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OFF TOPIC*:
Es tut mir leid, dass ich hier abseits vom Thema etwas ansprechen muss.
Aber seit wann ist die jüdische Gemeinde die “Jewish Community”?
Und überhaupt, jede Gruppierung eine “Community”?
Wenn es ein stehender Begriff wäre, dann würde ich es noch verstehen. Aber in dem Artikel wird das ja kunterbunt in jeder beliebigen Kombination verwendet: “jüdischen DP-Community”.
Sorry, vielleicht bin ich ein wenig zu oldscool, aber einen Artikel über üble Verbrecher/n muss man nicht mit “hippen” Wortkreationen aufpimpen.
Habe fertig
*DAS ist ein stehender Begriff.
Stefan Aigner
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Die Jüdische Gemeinde Regensburg wurde 1950 gegründet, zuvor war Jewish Community (auch) eine Selbstbezeichnung. Sie wurde im Oktober 1945 offiziell als solche „errichtet“. Siehe dazu z.B. Regensburg. In: Mehr als Steine…Synagogengedenkband Bayern. Band 1, Lindenberg im Allgäu 2007
Lurchi
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Unfassbar – da zeigt sich wieder einmal die hässliche Fratze der antisemitischen Regensburger Bürgerschaft. Aber auch diese abscheulichen Verbrechen bleiben nicht ungesühnt.