Tod bei Polizeieinsatz: Gutachter liefert mögliche Todesursache
Zum nach wie vor ungeklärten Tod eines 31-Jährigen bei einem Polizeieinsatz in Grünthal liefert der von der Staatsanwaltschaft beauftragte Sachverständige eine mögliche Erklärung und spricht von akutem Herzversagen. Eine eindeutige Todesursache gibt es allerdings weiterhin nicht. Und es gibt Widersprüche zum privat beauftragten Gutachten der LMU München.
Für die Staatsanwaltschaft Regensburg scheint der Todesfall bei einem Polizeieinsatz in Grünthal (bei Wenzenbach) weitgehend geklärt zu sein. Laut der zusammenfassenden rechtsmedizinischen Einschätzung von Professor Peter Betz (Rechtsmedizinisches Institut Erlangen) lasse sich „der Todeseintritt bei dem 31-jährigen Verstorbenen mit einem akuten Herzversagen im Rahmen der körperlich anstrengenden Widerstandshandlungen erklären“, heißt es in einer Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft Regensburg.
Beamte kamen mit Fehlinformationen zum Einsatz
Wie mehrfach berichtet, war der 31-jährige Daniel S. bei einem Polizeieinsatz am Abend des 20. März aus bislang ungeklärter Ursache ums Leben gekommen. Eine Polizeistreife hatte den Mann, der seit seinem 16. Lebensjahr an Schizophrenie litt, auf der Brandlbergerstraße bei Grünthal gestellt, nachdem er zuvor einen Mann durch einen Faustschlag verletzt haben soll. Seine Partnerin hatte daraufhin die Polizei verständigt und war Daniel S. bis zum Eintreffen einer ersten Streife gefolgt.
Die Beamten gingen zu diesem Zeitpunkt offenbar davon aus, dass er mit einer Eisenstange zugeschlagen hatte. Eine Angabe, die sich später als falsch herausstellte. Woher sie stammte und warum die Beamten mit dieser Falschinformation zum Einsatz kamen, ist bislang nicht öffentlich bekannt. Bei seiner Festnahme soll sich der 31-Jährige dann heftig gewehrt haben. Auch hier wurde nach Angaben der Staatsanwaltschaft ein Polizeibeamter verletzt.
Obduktionen brachten keine eindeutige Todesursache
Daniel S. wurde nach bisherigen Schilderungen zu Boden gebracht und an den Händen gefesselt. Weil er sich weiter heftig gewehrt habe, seien mit Hilfe einer zweiten Streife auch die Füße gefesselt worden. Im Zuge all dessen soll der 31-Jährige irgendwann das Bewusstsein verloren haben und schließlich gestorben sein.
Zwei Obduktionen, eine durch das rechtsmedizinische Institut in Erlangen und eine zweite, welche die Familie des Verstorbenen mithilfe eines privaten Spenders bei der LMU München in Auftrag gegeben hatte, brachten zunächst keine Todesursache. Allerdings wurden Stauungsblutungen und Einblutungen im Gewebe festgestellt, die möglicherweise durch Druck auf den Brustkorb ausgelöst und eine daraus folgende Atemblockade entstanden sein könnten. Dass diese Einblutungen im Nachhinein, durch Reanimationsversuche, entstanden sein könnten, hätten die Münchner Gutachter laut Rechtsanwalt Philipp Pruy, der die Familie des Verstorbenen vertritt, „nahezu ausgeschlossen“.
Widersprüche zur Ursache der Einblutungen
Dem widerspricht nun augenscheinlich der Erlanger Rechtsmediziner in seiner abschließenden Einschätzung für die Staatsanwaltschaft. Er hält Einblutungen im Zuge von Wiederbelebungsversuchen sehr wohl für möglich oder liefert zumindest Alternativerklärungen abseits einer durch Druck auf den Brustkorb verursachten Atemblockade.
Professor Betz spricht laut Staatsanwaltschaft von „einem Zusammenspiel verschiedener Ursachen“, mit dem sich der Tod „erklären“ lasse. Von einem „grenzwertig hohen Herzgewicht des Verstorbenen mit latenter Versagensbereitschaft der Herzmuskulatur“ ist die Rede, von dem Medikament Clozapin, das im Blut des Toten nachgewiesen wurde, von „möglichen (Wechsel-)Wirkungen mit den nachgewiesenen Cannabinoiden“ und den „geschilderten erheblichen körperlichen Anstrengungen des Verstorbenen im Rahmen der Widerstandshandlungen“.
Dabei bezieht sich der Gutachter im Wesentlichen auf Aussagen der anwesenden Polizeibeamten, die angaben, „dass der Kreislaufzusammenbruch des Verstorbenen akut eintrat und nicht fortschreitend“. Angesichts all dessen lasse sich „der Todeseintritt aus rechtsmedizinischer Sicht als akutes Herzversagen (…) im Rahmen der Widerstandshandlungen erklären“.
Nach wie vor: Keine eindeutige Todesursache
Eine solche Todesursache lasse sich jedoch weder durch eine Obduktion noch mikroskopisch nachweisen, weswegen bei den vorangegangenen Untersuchungen auch keine pathologisch-anatomisch eindeutige Todesursache festzustellen gewesen sei, heißt es weiter.
Laut Staatsanwaltschaft habe der Sachverständige in seinem Abschlussbericht auch diskutiert, inwieweit eine Behinderung der Atmung durch die eingesetzten Polizeibeamten zum Tode geführt haben könnte. Im Gegensatz zu den Münchner Gutachtern kommt Betz dabei zu dem Ergebnis, dass die Einblutungen, unter anderem in den Augenlidern, Bindehaut und Lungenfell von Daniel S., „nicht zwingend auf eine Behinderung der Atemtätigkeit schließen ließen“. Solche Stauungsblutungen träten „bei verschiedensten Todesursachen“ auf, insbesondere bei 29 Prozent der reanimierten Herztodesfälle, so der Erlanger Gutachter, der auch auf die Wiederbelebungsversuche bei Daniel S. durch Polizei und Rettungskräfte verweist.
Gegen eine „durch Brustkompression verursachte Atemfunktionsstörung“ – vereinfacht ausgedrückt: die Annahme, dass Daniel S. keine Luft mehr bekam, weil etwa durch Sitzen auf seinem Oberkörper der Brustkorb zu stark zusammengepresst wurde – spricht laut Professor Betz auch das akute Auftreten des Kreislaufzusammenbruchs. Das hätten die dabei anwesenden Zeugen geschildert – im unmittelbaren Umfeld also die vier Polizeibeamten. „Im Falle einer Brustkompression sei (…) nämlich von einem langsam fortschreitenden (progredienten) Eintritt des Kreislaufzusammenbruchs auszugehen“, heißt es in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft.
Kaum unabhängige Zeugen und ausgeschaltete Body-Cams
Bei den bisherigen Vorermittlungen seien auch „zwei unabhängige Augenzeugen ermittelt“ worden (einer davon beobachtete die Festnahme aus einiger Entfernung von seinem Garten aus), welche die Festnahme beobachtet und kein „potenziell strafbares Verhalten der eingesetzten Polizeibeamten/innen“ geschildert hätten, so die Staatsanwaltschaft weiter. Und da „sich auch aus der rechtsmedizinischen Begutachtung keine aussagekräftigen Hinweise auf ein solches Verhalten ergeben haben, besteht weiterhin kein Anfangsverdacht einer Straftat“.
Kurz zusammengefasst liefert die abschließende Stellung von Professor Peter Betz allerdings keine gesicherte, sondern lediglich eine mögliche Erklärung des Todes von Daniel S. Licht ins Dunkel hätten die Body-Cams bringen können, die alle eingesetzten Polizeibeamten trugen, die aber – es gibt dazu keine Verpflichtung – nicht eingeschaltet waren.
Diesen Umstand bezeichnet Rechtsanwalt Philipp Pruy als „zumindest ungewöhnlich“. Bei der ersten Streife könne er das zwar noch ein Stück weit nachvollziehen. Spätestens bei der zweiten Streife aber, die zur Unterstützung gerufen wurde und bei der spätestens klar gewesen sei, dass es sich um eine gefährliche Situation handle, könne er das nicht mehr verstehen.
Er und die Hinterbliebenen von Daniel S. haben nun noch die Möglichkeit, Fragen zu dem Erlanger Gutachten zu stellen. Er wolle die 40 Seiten aber zunächst einmal durcharbeiten, ehe er sich dazu weiter äußern werde, so Pruy auf Nachfrage.
Daniela
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Ich frag mich, warum Polizeibeamte ihre Body Cam ausgeschalten lassen, wenn sie zu einem ‘ gefährlichen Einsatz’ gerufen werden. Es dient doch der Beweissicherung, die letztendlich auch entlastend für Polizeibeamte ist.
joey
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wann wurden die Cams ausgeschaltet?
Dugout
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@Daniela:
Sie haben die Antwort auf ihre Frage doch selbst schon geschrieben