„Tiefe Eingriffe in die IT-Landschaft“: Regensburgs Energieversorger kämpft seit Monaten mit der Gaspreisbremse
Nach wie vor warten hunderte REWAG-Kunden auf ihre Jahresabrechnung. Die Abschlagszahlungen wurden gestoppt. Die Energiepreisbremse sorgt für IT-Probleme.
Den ersten Brief der REWAG erhielt Herbert L. Mitte Mai. „Mit diesem Schreiben möchten wir Sie darüber informieren, dass es aufgrund der komplexen Anpassung im Abrechnungssystem zu Verzögerungen in der Rechnungsstellung kommt.“ Man müsse sich zwar um nichts kümmern, verspricht der Regensburger Energieversorger. Allerdings bittet die REWAG, „Geld (…) beiseite zu legen“.
Denn die regelmäßigen Abschlagszahlungen würden aufgrund der späteren Jahresabrechnung vorerst nicht eingezogen. „Das bedeutet, dass ihr zukünftiger Abschlag höher ausfallen wird, da sich die Kosten auf einen kürzeren Zeitraum verteilen.“ Wie lange diese Verzögerung anhalte, das könne „man noch nicht genau sagen“, heiß es damals. Und erst kürzlich – Anfang September – kam ein zweites, ähnlich lautendes Schreiben.
Abrechnung und Preisbremse: „Dafür gab und gibt es leider keine fertigen Lösungen.“
Die im März in Kraft getretene und rückwirkend ab Januar geltende Energiepreisbremse macht (nicht nur) der REWAG zu schaffen. Das hatte Sprecher Martin Gottschalk gegenüber unserer Redaktion bereits Ende Juli eingeräumt. „Tiefe Eingriffe in die IT-Landschaft und schwerpunktmäßig das Abrechnungssystem“ seien dafür notwendig. „Dafür gab und gibt es leider keine fertigen Lösungen und die Komplexität der Berechnungen (die ja auch stimmen müssen) ist erheblich.“
Weitere „permanente rechtliche Eingriffe“ würden das Problem „zusätzlich erschweren“, so Gottschalk. So seien beispielsweise für Heizstromkunden neue Referenzpreise eingeführt worden, die man zusätzlich umsetzen müsse. „Dafür gab und gibt es leider keine fertigen Lösungen und die Komplexität der Berechnungen (die ja auch stimmen müssen) ist erheblich.“ Das Problem betreffe nahezu alle Versorger, hieß es.
Großteil der Abrechnungen war bis August abgearbeitet
Damals, Ende Juli, war noch eine Vielzahl von Privatkunden, die über die REWAG Erdgas beziehen (beim Strom liegt der Versorger unterhalb des Preisdeckels), von den Verzögerungen betroffen. Insgesamt hat die REWAG laut eigenen Angaben etwa 31.000 Erdgaskunden. Ein Großteil der Abschlussrechnungen sollte aber bis zur ersten Augustwoche abgearbeitet sein, so Gottschalk.
Länger gedauert hat es bzw. dauert es immer noch bei „einer speziellen Kundengruppe, die zahlenmäßig gering ist“, unter anderem die erwähnten Heizstromkunden. Häufig betroffen: Hausverwaltungen, die wie im Fall von Herbert L. auch ihre Mieter mit der Nebenkostenabrechnung vertrösten müssen.
REWAG verspricht: Rest folgt bis spätestens Oktober
Aktuell spricht die REWAG davon, dass noch rund fünf Prozent der Erdgasrechnungen auf sich warten ließen. Die sollen nun bis spätestens Anfang Oktober abgearbeitet sein.
Vor dem Hintergrund des Abrechnungsstopps habe die REWAG in ihren IT-Systemen „leider nicht verhindern“ können, dass „automatisch der sog. Abschlagsplan angehalten wird“, also keine Abschläge abgebucht werden. „Es war und ist also technisch nicht möglich, die bestehenden Abschläge einfach fortzusetzen.“ Deren Zahlung wird, nach Vorliegen der Abrechnung, nachgeholt.
Spartacus
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Bezeichnend für ein Land dessen politische- wie auch wirtschaftliche „Führungselite“ die letzten 20-30 Jahre konsequent verschlafen hat, sich auf den Lorbeeren früherer Tage ausgeruht hat und fatalerweise dachte, alles bleibt wie es war.
Bernd
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@Spartacus
Neeeeeeeee, das hat damit gar nichts zu tun.
In laufende Abrechnungssysteme eingreifen zu müssen egal aus welchen Gründen ist immer eine komplexe Sache. Zuletzt in großem Stil z.B. während der MwSt-Absenkung zu Corona, das war organisatorisch und buchhalterisch auch eine große Herausforderung in ganz D. Wenn man es zu schnell fertig-hudelt gibts bestimmt auch wieder hunderte Einwände der Kunden, die man sich dann wieder alle anschauen, prüfen und ggf. korrigieren muss.
Haruko
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Von wann ist dieser Artikel? Ich gehöre mit einem stinknormalen rewario.kombi-Tarif keiner “speziellen Kundengruppe” an und bei mir wurde offensichtlich nichts “bis zur ersten Augustwoche abgearbeitet”. Tatsächlich kam vor einer Woche ein Vertröstungsbrief, der nur Durchhalteparolen enthält, ohne auch nur den geringsten Versuch einen Zeithorizont anzugeben. Abrechnung noch dieses Jahr? Nächstes Jahr? Wer weiß das schon. Die REWAG anscheinend nicht.
Hthik
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@Bernd 14. September 2023 um 15:25
“In laufende Abrechnungssysteme eingreifen zu müssen egal aus welchen Gründen ist immer eine komplexe Sache.”
Akzeptiere ich ja gerne, wenn auch von mir die Mitteilung akzeptiert wird “Meine Haushaltsbuchsoftware/mein Onlinebanking etc. haben irgendwie Probleme, ich zahl die Rechnung dann voraussichtlich so in einem halben Jahr.” Kann man nichts machen. Computer. Ist so.
“Wenn man es zu schnell fertig-hudelt gibts bestimmt auch wieder hunderte Einwände der Kunden, die man sich dann wieder alle anschauen, prüfen und ggf. korrigieren muss.”
Es gibt da den alten Spruch: Sie können es schnell haben, Sie können es gründlich haben, Sie können es billig haben. Wählen Sie zwei. Wenn natürlich alles möglichst billig sein soll, dann entsteht da erst der Zwang zwischen gründlich und schnell wählen zu müssen.
Es geht um Abschläge. Die haben genau den Sinn, die finanzielle Belastung zeitlich zu verteilen und dafür verzichte man ohnehin schon auf exakte Berechnung. Man soll das Geld beiseite legen, heißt es. Wer etwa ein Pfändungsschutzkonto hat, muss dann seine Bank überzeugen, den Betrag zu erhöhen, wogegen sich diese traditionell mit Händen und Füssen wehren, weil sie die rechtlichen Fragen oft selbst nicht allzugut durchschauen und bei einem Irrtum vom Gläubiger, der nicht pfänden kann, verklagt werden können. Dann darf man sich auch noch mit dem Gericht rumschlagen, um die Bank zu verpflichten. Aber wer Pfändungsschutz braucht hat ja auch meistens eh nichts zu tun, nicht wahr?
Daniela
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@Bernd
14. September 2023 um 15:25 | #
Ich denke ähnlich, wie Spartacus
14. September 2023 um 12:51 | #.
Es ging, auch oder eben durch, politische “Schnellschüsse”, kurzfristige Entscheidungen, aber in den letzten Jahren bis Jahrzehnten, teils drunter und drüber. Zu oft wurden die tatsächlichen Gegebenheiten von politischen Entscheidungen überrollt, Entscheidungen die zweifelsohne notwendig schienen oder waren, aber durch fehlende zeitliche, finanzielle und andere, auch personelle Kapazitäten, viele an die Grenzen der Belastung trieben. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Migration, Corona, Sozialtransferleistung, Klimakrise oder anderes handelt.
Es hat immer den Anschein, als hätte man die Krise nicht kommen sehen können und müsse “akut” Eingetretenes nun im Schnellverfahren erledigen, dazu kommt starre Bürokratie und von fehlender Digitalisierung wollen wir gar nicht erst sprechen.
Und gäbe es nicht Millionen von Ehrenamtlichen und caritativen Organisationen, die das dann unentgeltlich kompensieren, wäre Deutschland längst im Chaos versunken.
Wie gesagt, dieses Phänomen gibt es nicht erst seit der jetzigen Regierung, sondern Jahrzehnte vorher schon.
Also Hand aufs Herz, man hätte vieles schon vorher erahnen können und die Weichen stellen können, aber man unterlässt es.
Es war auch durchaus erahnbar, spätestens seit den 90igern, dass Förderationen auseinander brechen, infolge dessen Kriege entstehen können. Der Kampf um Ressourcen jeglicher Art dürfte spätestens seit den 70igern bekannt sein. Dass die Klimakrise Umweltkatastrophen zeitigen könnte, wie viele Jahrzehnte wissen wir das schon?
Das Wissen, dass eine Verschlechterung der ökonomischen und ökologischen Lage, egal ob durch Klima oder Krieg verursacht, zu einer Fluchtbewegung von Millionen Menschen führen kann ist so alt, wie die Menschheit selbst.
Wir sind nicht mehr das Land der “Dichter und Denker”, wir sind das Land der sozial Eingelullten, in Watte Gepackten, die alles wenn überhaupt, nur noch mit bekommen, wenn es direkt vor uns steht. Und dann brauchen wir schnell eine Lösung, die uns unseren Kokon vorgaukelt. Bis zur nächsten Krise….
Bernd
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@Hthik
“Akzeptiere ich ja gerne, wenn auch von mir die Mitteilung akzeptiert wird “Meine Haushaltsbuchsoftware/mein Onlinebanking etc. haben irgendwie Probleme, ich zahl die Rechnung dann voraussichtlich so in einem halben Jahr.”
Weiß nicht ob das Argument so passend ist. Die Rewag hat ja die Leistung nicht eingestellt ;-) Im Gegenteil, sie sorgt gerade für mehr monatliche Liquidität :-)
@Daniela
Frust löst selten Probleme, vor allem keine buchhalterischen.
Daniela
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@Bernd
15. September 2023 um 09:39 | #
Verehrter Bernd, ich bin nicht frustriert, ich habe keinen Grund dazu. Mein Stromanbieter hat die Abrechnungen pünktlich und ohne große Verzögerung bewältigen können. Auch habe ich meine Abschläge nicht einstellen müssen, weil der Stromanbieter mit dem Abrechnen nicht nach kommt. Und ich habe auch keine Ahnung, ob es nun bei der rewag an fehlende personellen, technischen, buchhalterischen oder sonstigen Vorraussetzungen fehlt.
Ansonsten haben Sie meine Aussagen eigentlich nur bestätigt. Ich darf Sie zitieren:
‘… In laufende Abrechnungssysteme eingreifen zu müssen egal aus welchen Gründen ist immer eine komplexe Sache. Zuletzt in großem Stil z.B. während der MwSt-Absenkung zu Corona, das war organisatorisch und buchhalterisch auch eine große Herausforderung in ganz D. Wenn man es zu schnell fertig-hudelt…’
Ich weiß ansonsten nicht, was Sie unter einer erhöhten ‘ monatlichen Liquidität der Kunden’ verstehen, es sei die rewag verzichtet im Nachgang an die Begleichung der offenen Rechnung, die durch eingestellte Abschläge entstehen?!
Aber vielleicht will die rewag sich künftig im ‘Kreditgeschäft’ betätigen? So nach dem Motto, ‘Sie können die Rechnung nicht auf einmal begleichen, wir können Ihnen eine Stundung zu einem günstigen Zinssatz von x Prozent anbieten??? ‘
Welche geschäftlichen Ambitionen die rewag auch verfolgen mag, die rewag schafft mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln scheinbar nicht, was andere Stromanbieter offensichtlich leisten können.
Hthik
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@Bernd 15. September 2023 um 09:39
“Weiß nicht ob das Argument so passend ist.”
Auch die Verletzung vertraglicher Nebenpflichten ist eine Vertragsverletzung.
Den “tiefen Eingriff” kann man glauben oder nicht. Das ist eben so bei closed source. Kann man nichts machen.
In Österreich arbeitet die Regierung hart daran, wegen der hohen Inflation, eine Vergleichsdatenbank für Lebensmittelpreise zu erstellen. Die soll schon im Herbst fertig werden. Für 16 Produkte. Ein Programmierer meint, das müsse schneller möglich sein. Den Rest der Geschichte gibt es bei Mastodon.