Das Gericht will sich den Ton, den Joachim Wolbergs bisweilen anschlägt, nicht länger bieten lassen und hat ihm nun unmissverständlich Ordnungsmaßnahmen angedroht. Derweil bestätigt ein Zeuge, dass das „Immobilien Zentrum Regensburg“ 30.000 Euro an Wahlkampfkosten über eine Scheinrechnung bezahlt hat. Wolbergs räumt einen Fehler ein – und fordert im Gegenzug Ermittlungen gegen andere Parteien und Medien.
Joachim Wolbergs darf weiter emotional argumentieren, muss aber seinen Ton zurückschrauben, fordert das Gericht. Foto: Archiv/om
30.000 Euro – angesichts der Summen, die 2014 für den Kommunalwahlkampf der Regensburger SPD gespendet und ausgegeben wurden erscheint dieser Betrag eher gering. Doch Jürgen F. war auf das Geld dringend angewiesen, als er sich im März 2014, kurz vor der Stichwahl an Joachim Wolbergs wandte. „Ich hatte Druck, dass das Geld reinkommt.“ Seit Jahren hatte F.s Medienagentur Aufträge von der Regensburger SPD erhalten. Er sei ein „guter Freund“, sagt Wolbergs am Mittwoch über ihn. „Deshalb hat er alle Aufträge gekriegt bei der SPD, für die ich zuständig war.“ So auch im zurückliegenden Wahlkampf. Laut Anklage erbrachte F.s Unternehmen hier Leistungen – Flyer, Plakate, Broschüren, Druckvorlagen – im Gegenwert von insgesamt 190.000 Euro. Und davon waren Ende März 2014 noch 58.935,70 Euro netto offen, als die beiden Freunde miteinander sprachen.
Erneut hat Joachim Wolbergs über seinen Verteidiger die drei Berufsrichter der 5. Strafkammer wegen Befangenheit abgelehnt. Nun muss zum zweiten Mal eine andere Kammer über diesen Antrag entscheiden. Derweil schildert ein Zeuge, dass die Bundes-SPD vorsorglich bereits sämtliche Regensburger Bauträger-Spenden – rund 700.000 Euro – an die Bundestagsverwaltung abgeführt hat, um höhere Sanktionen im Falle einer Verurteilung zu vermeiden.
Dass eine Spende von 5.000 Euro für den Wolbergs-Wahlkampf unzulässig war, will ein mitverantwortlicher Geschäftsführer von Sontowski & Partner bereits früh erkannt haben. „Das hätte ich unterbinden müssen“, sagt er am Freitag vor Gericht. Stichhaltige Belege, dass Joachim Wolbergs davon wusste, fehlen aber.
Zustimmung in der Koalition, Ablehnung in der Verwaltung: So stellt sich im zweiten Korruptionsprozess bislang die Situation bei der Diskussion um größere Einzelhandelsflächen am „Nördlichen Rübenhof“ dar. Einen anrüchigen Einsatz von Wolbergs für dieses Projekt der Unternehmer Schmack und Sontowski & Partner sehen weder Spitzenbeamte der Verwaltung noch Stadträte.
Nach dem langen Verhandlungstag am Mittwoch und der ausführlichen Aussage von Bauträger Thomas Dietlmeier folgten tags darauf die Reaktionen der Verfahrensbeteiligten. Der leitende Ermittler musste sich erstmals im Prozess den Nachfragen der Verteidiger stellen und mit dem „Nördlichen Rübenhof“ wurde im letzten Verhandlungstag 2019 der dritte Themenkomplex gestartet.
Beugehaft? Abgenötigter Strafbefehl? Der wegen Bestechung verurteilte Baulöwe Thomas Dietlmeier weist am Mittwoch solche Aussagen zurück und spricht sogar von einer fairen Behandlung durch die Staatsanwaltschaft. In einer von Reue und Unrechtsbewusstsein geprägten Aussage be- und entlastet er Joachim Wolbergs.
Den einen hat das genaue Procedere nicht interessiert, die andere stieg wegen der Genehmigung für eine Logistikhalle der Schmacks aus der Bunten Koalition aus. Die Aussagen der Stadträte Horst Meierhofer und Tina Lorenz beim Korruptionsprozess gegen Joachim Wolbergs bieten Einblick in die politische Entscheidungsfindung bei dem Bauvorhaben. Lorenz empfand einiges als „seltsam“, hat aber vor Gericht große Erinnerungslücken.
Jeder wollte Gewerbeansiedlung auf dem Schmack-Gebiet der früheren Schlämmteiche – das sagt sogar Planungsreferentin Christine Schimpfermann, die eine entsprechende Baugenehmigung aber nicht unterzeichnen wollte. Wolbergs steht wegen seiner Unterschrift vor Gericht und Schimpfermann sagt: „Ich habe davon klar abgeraten.“ In dieser Form sei das rechtlich nicht möglich gewesen.
Politisch breite Zustimmung und in der Verwaltung breite Ablehnung – so stellt sich nach den ersten Zeugenaussagen der Sachverhalt bei der Genehmigung für eine Logistikhalle der Schmack-Brüder am siebten Tag des Korruptionsprozesses dar. Der Vorsitzende Richter hält diese Angelegenheit für weitgehend geklärt. Unklar ist dagegen nach wie vor, ob der wichtigste Belastungszeuge der Staatsanwaltschaft überhaupt vor Gericht erscheinen wird.
Die Staatsanwaltschaft fordert am Mittwoch vom Gericht einen rechtlichen Hinweis zu einer grundsätzlichen Frage, ein städtischer Amtsleiter erläutert seine ablehnende Haltung zu den Schmack-Hallen und ein Kripobeamter wird sich auf unangenehme Fragen einstellen müssen. Im Anschluss an den sechsten Verhandlungstag schließlich erreicht die Auseinandersetzung von Joachim Wolbergs mit der Staatsanwaltschaft eine neue Eskalationsstufe.
Am fünften Verhandlungstag kommen die Mitangeklagten zu Wort und Joachim Wolbergs beantwortet Fragen von Gericht und Staatsanwaltschaft. Reibereien bleiben erneut nicht aus. Dem anonymen Schreiben über den Chefermittler der Kripo, das letzte Woche präsentiert wurde, will das Gericht mangels Substanz nicht nachgehen. Rechtsanwalt Peter Witting reagiert nicht nur darauf erzürnt.
Joachim Wolbergs äußert sich vor Gericht nun erstmals zu den konkreten Vorwürfen im zweiten Korruptionsprozess und weist alle Vorwürfe weit von sich. Trotz auffälliger Zusammenhänge zwischen seinem Einsatz für eine Baugenehmigung im Landschaftsschutzgebiet und größeren Spendenzahlungen des „Immobilien Zentrum Regensburg“ spricht er von einem „ganz normalen Vorgang“ und fragt, was man ihm da eigentlich vorwerfe. Eine kurze Videozusammenfassung am Ende des Textes.
Der Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs wurde im Januar 2017 vorläufig des Dienstes enthoben – und er bleibt es. Seine Beschwerde gegen die Suspendierung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof blieb erfolglos. Wolbergs wird damit bis zu einer möglichen Wiederwahl im März 2020 nicht mehr ins Amt zurückkehren. In einer ersten Reaktion zeigt er sich nicht überrascht, aber verbittert.
Wolbergs-Verteidiger Peter Witting vergleicht anonyme Kommentare über und Schreiben an seinen Mandanten mit der Hetze und den Hassbotschaften an die Opfer rechtsextrem motivierter Mordanschläge. Ist jedes Mittel recht, weil es in die Verteidigungsstrategie passt?
Beim zweiten Korruptionsprozess gegen Joachim Wolbergs muss Richter Georg Kimmerl immer wieder die Gemüter beruhigen. Mehrfach geraten die Staatsanwälte und der Angeklagte aneinander. Mit seiner persönlichen Einlassung hat Wolbergs aber gerade erst begonnen.
Die drei Berufsrichter der 5. Strafkammer im zweiten Wolbergs-Prozess sind nicht befangen. Das beschloss heute die zuständige Ablehnungskammer des Landgerichts Regensburg. Joachim Wolbergs ließ am zweiten Verhandlungstag seinen Verteidiger Peter Witting einen entsprechenden Antrag auf Befangenheit stellen. Unterdessen prüft die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg Aussagen eines Schöffen im ersten Wolbergs-Prozess. Der Mann ist Mitglied der Brücke.
Auch im zweiten Tag des zweiten Korruptionsprozesses ging es nicht um die Vorwürfe. Nachdem sein Antrag, das Verfahren einzustellen von der 5. Strafkammer abgelehnt wurde, hat Strafverteidiger Peter Witting nun einen Befangenheitsantrag gegen die drei Berufsrichter gestellt. Man habe Sorge, dass diese „willkürlich urteilen“ könnten.
Bereits am ersten Tag des zweiten Korruptionsprozesses gegen Joachim Wolbergs geraten dessen Verteidiger Peter Witting und der Vorsitzende Richter Georg Kimmerl aneinander. Ob das Verfahren überhaupt weiter geht, entscheidet sich in zwei Wochen. Witting hat in einem umfangreichen Antrag die sofortige Einstellung gefordert.
Die Angeklagten, die Rechtsanwälte, die Vorwürfe – die wichtigsten Informationen zum zweiten Prozess gegen Joachim Wolbergs, der am 1. Oktober beginnt.