Eine höhere Quote für öffentliche geförderten Wohnungsbau und ein klares Regelwerk für Investoren – die Koalition hat bei einer Klausur Beschlüsse gefasst, die man als deutliche Ansage an die Verwaltung, aber auch Emanzipation von zwei früheren Führungspersonen verstehen kann.
Sinnbild für das Modell Extrawurst: das Baugebiet am Brandlberg. Foto: as
Man kann es durchaus als eine gewisse Trendwende bezeichnen. Die Bunte Koalition hat sich zu einer Klausur über das „Wohnen der Zukunft“ getroffen und dabei auf zwei einschneidende Forderungen hin zu mehr bezahlbarem Wohnraum geeinigt.
Nettomieten von bis zu 25 Euro pro Quadratmeter verlangt ein Regensburger Vermieter für schäbige Zimmerchen im ehemaligen Bordell „Moulin Rouge“. Bezahlt wird das vom Steuerzahler. Der Kniff für diese Geschäftemacherei steht im Mietvertrag: Mietpreisbremse gilt wegen Möblierung nicht.
Seit 2016 hat die Stadt das Recht, potentielle Mieter für eine erschwingliche Sozialbauwohnung zu benennen. Klingt gut, doch in der Praxis haben gerade Betroffene mit höchster Dringlichkeit – insbesondere Menschen, die in den städtischen Notwohnungen leben – nichts davon.
Die Stadtratsfraktion will in öffentlicher Sitzung erfahren, wann der preisgünstige, öffentlich geförderte Wohnraum auf der Nibelungenkaserne endlich gebaut wird und welche Möglichkeiten die Stadt hat, sollte das Bauteam Tretzel sich nicht an die gültigen Verträge halten.
Die Eigentumswohnungen des Bauteam Tretzel auf dem Nibelungenareal sind bereits fertig, zum Teil schon bezogen, doch die Fläche für öffentlich geförderten Wohnungsbau liegt nach wie vor brach. Bei der Stadt Regensburg scheint man sich daran nicht sonderlich zu stören. Die vertraglich vorgegebene Frist wird zwar nicht eingehalten, soll aber unkompliziert verlängert werden.
AKTUALISIERT. Ein hektisches Treiben ist beim „Immobilien Zentrum Regensburg“ ausgebrochen. Noch vor der Verhaftung seines Mitbegründers, Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführers Thomas Dietlmeier hat der Konzern innerhalb weniger Tage bei zahlreichen seiner Gesellschaften einen neuen Geschäftsführer bestellt.
Eine plötzliche Mehrung an Wohnfläche in einem Baugebiet ist zunächst einmal gut für alle – das hilft einer Kommune, Bedarf zu decken und führt für den Investor zu mehr Rendite. Eine vergessene Kita auf einem Baugebiet ist schlecht für alle – es fehlen die dringend notwendigen Betreuungsplätze für Neubürger, man muss deshalb nachbessern und der Investor verdient etwas weniger. Gut ist es dann wiederum für den Investor, wenn er für diese entgangenen Gewinne von der Stadt sechsstellig entschädigt wird. So zuvorkommend hat die Stadt Regensburg das Immobilien Zentrum beim 17 Hektar großen Baugebiet am Brandlberg behandelt.
Das Immobilien Zentrum verkauft den Bau von Seniorenwohnungen am Brandlberg als freiwillige soziale Wohltat. Tatsächlich erfüllt das Unternehmen dort im Wesentlichen nur vorgeschriebene Verpflichtungen und gleicht so die Extrawurst aus, die ihm von Verwaltung und Stadtrat für das LERAG-Areal bewilligt wurde. Die Seniorenwohnungen entstehen in der schlechtestmöglichen Lage auf dem gesamten Gebiet.
Nach unserem Bericht über die Sonderregelung bei der Sozialquote für das Immobilien Zentrum (IZ) und der daran geäußerten Kritik durch den Architekturkreis haben die beiden IZ-Vorstände Thomas Rosenkranz und Wolfgang Herzog einen längeren Kommentar bei uns geschrieben. Wir veröffentlichen ihn in einem eigenen Beitrag komplett und unkommentiert zur Diskussion.
Stadtrand statt Innenstadtnähe: Für das frühere LERAG-Areal wurde dem Immobilien Zentrum Regensburg im Bebauungsplan eine ungewöhnliche Ausnahme bei der Sozialquote zugestanden. Nach unserem Bericht übt der Architekturkreis deutlich Kritik an der Entscheidung. „Es gibt überhaupt keinen Grund, die Quote von vergünstigten Wohnraum in solchen Lagen zu reduzieren“, sagt der Vorsitzende Andreas Eckl.
Vor allem wegen Schallschutzmaßnahmen gesteht die Stadt dem Immobilien Zentrum bei der Bebauung des LERAG-Areals mehrere Ausnahmen von der üblichen Bebauung zu. Besonders ungewöhnlich: Fehlende Sozialwohnungen darf der Bauträger auf einer anderen Fläche am Stadtrand ausgleichen.
Es könnte bis Ende März dauern, bis das Hochhaus am Ernst-Reuter-Platz endgültig leer steht. Der Grund sind fehlerhafte Kündigungen durch die Diakonie. Doch bereits im Januar soll die Übergabe des Areals an die Stadt erfolgen, die dort ein Kultur- und Kongresszentrum plant.
Ende Oktober sollen die Fragebögen für die Neugestaltung des Areals zwischen Bahnhof und Ernst-Reuter-Platz verschickt werden. Ein zentrales Projekt: das Kultur- und Kongresszentrum. Im Vorfeld wird bereits mit der Entmietung des Luther- und Kepler-Wohnheims begonnen. Die Diakonie kündigt Bewohnern den Abbruch des Gebäudes ab Januar 2018 an. Doch so einfach geht das nicht.
„Fair wohnen“ heißt ein Projekt, das die Stadtverwaltung als Bestandteil der „Wohnraumoffensive“ nennt. Doch realisiert werden soll es weder von der Stadt noch von der Stadtbau, sondern exklusiv von einem privaten Bauträger, mit dem die Stadt eine „konstruktive Zusammenarbeit“ pflegt.
Der „Fall“ des schwerbehinderten Paares, das im „Sofortvollzug“ aus seiner Notunterkunft gejagt werden sollte, bringt immer mehr Ungereimtheiten der städtischen Obdachlosenpolitik ans Licht.