Hans Schaidinger, Rudolf Kraus und Horst Böhm (v.l.n.r.): vereint gegen Alkohol und Randale. (Foto: hb)
„Wegweisend“ ist das Dokument angeblich, es soll „Synergieeffekte bündeln“ und die „Erfolgsstory“ des Bündnisses „Fair feiern“ fortschreiben. Stadt, Polizei und Staatsanwaltschaft sind voll des Lobes für sich selbst und für einander, und so steht für keinen der Beteiligten außer Frage, dass das gemeinsame Sicherheitskonzept dieser Trias die Altstadt noch lebens- und liebenswürdiger machen wird – zumal auch die „laufende Optimierung“ für Verbesserungen sorgen wird.
Neu an der Geschichte sei vor allem die Einbindung der Staatsanwaltschaft. Das sei in Bayern bislang einzigartig, sagte Rechtsreferent Wolfgang Schörnig, der die Kooperation kürzlich dem Bayerischen Städtetag vorgestellt hatte.
Strafen zwischen hart und zart
Die einzelnen Punkte des Konzepts hingegen sind nicht wirklich etwas, was ein Aha-Erlebnis verursachen würde, vieles davon könnte auch in einem Strategiepapier eines Wirtschaftskonzerns stehen: ständiger Informationsaustausch, feste Ansprechpartner, gemeinsame Kontrollaktionen. Zeitnahe und konsequente Ahndung der Ordnungswidrigkeiten, beschleunigte Verfahren. Sozialstunden oder Therapien statt Geld- und Haftstrafen. Harte Strafen sollen in erster Linie „Haupttäter und Rädelsführer“ bekommen, sagt Leitender Oberstaatsanwalt Hort Böhm ,der brave Student, der im alkoholbeflügelten Übermut mal die Kontrolle verliert, darf trotz verschärfter Bedingungen weiter auf Milde hoffen.
Schaidinger wünscht sich Einsicht und Fairness
Also alles beim Alten? Nun, immerhin hat die Stadt mittlerweile eine ausgewogene Position bezogen. Vor wenigen Jahren, als die Diskussion um die Nutzung der Altstadt entbrannte, hatte man noch den Eindruck, die Behörden wollten aus der Stadt ein idyllisches Wohnquartier mit Tagescafés machen. Jetzt sagen Oberbürgermeister Hans Schaidinger, Polizeipräsident Rudolf Kraus Leitender Oberstaatsanwalt Horst Böhm einhellig, dass auch das Nachtleben mit seinen Begleiterscheinungen eine Berechtigung hat. „Die Altstadt will keine Spaßbremse sein“, so Schaidinger; aber es brauche einen „fairen Umgang aller Gruppen miteinander“ und die „Einsicht in ein geregeltes Miteinander“.
Ein Prozent ist Klientel für “deutlichere Ansprache”
Die meisten nächtlichen Besucher der Altstadt scheinen diese Einsicht auch zu besitzen. Immerhin spricht Schaidinger von 98 Prozent, die sich – trotz merklichen Alkoholeinflusses – halbwegs gesittet verhalten und „sich was sagen lassen“. Ein Prozent Wackelkandidaten noch abgezogen bleibt ein Prozent, das „eine etwas deutlichere Ansprache braucht“. Und denen möchten Schaidinger, Kraus und Böhm in die Hufe helfen.
Alkohol im Stadtgebiet: Früher, härter, mehr
Übeltäter Nummer 1 ist und bleibt der Alkohol. Auch da sind sich alle einig. Über 60 Prozent aller Körperverletzungen geschehen unter Alkoholeinfluss, sagt Kraus. Deshalb wünscht sich Schaidinger auch weiterhin, dass die Möglichkeiten für gezielte Alkoholverbote in der Altstadt ausgeweitet werden. Die Leute würden immer früher am Abend, immer mehr und immer härtere Sachen trinken, analysiert Kraus die Lage und erntet Zustimmung.
“Wie das Waldsterben”
Bei der Analyse der Hintergründe bleiben die Vertreter der Institutionen allerdings zurückhaltend. Ein „Gesellschaftsproblem“ sieht Rechtsreferent Wolfgang Schörnig, die Ursachen dafür seien aber „wie das Waldsterben – dafür gibt es auch 100 Gründe“.
Gelegenheit macht… gelegentlich auch betrunken
Einer davon sei die ständige Verfügbarkeit von Alkohol, das, so Kraus, sei in den 1980er Jahren noch nicht so gewesen. Es fällt der Polizei zwar auf, dass diejenigen, die polizeiliche Aktionen wie Festnahmen in der Stadt stören, nicht unbedingt ausgewiesene Staatsfeinde sind, sondern Menschen, die tagsüber als brave und gesetzestreue Bürger durchgehen; bei den Erklärungen, warum es zu Exzessen dieser Art kommt, bleibt man jedoch immer wieder beim Alkohol hängen.
Also: Alkoholverkauf am Dönerstand verbieten und eine ruhige Altstadt genießen? Wohl auch nicht der Weisheit letzter Schluss, aber ebenfalls Teil des Plans.
Und so hangelt man sich von Problem zu Problem, möchte die meisten durch mehr Präsenz und härtere Sanktionen lösen, hält einige aber offenbar für unlösbar. Beispielsweise die Party-Touristen. Die reisen nicht nur aus dem Landkreis und der ganzen Oberpfalz an, sondern setzen sich, wie Schörnig erzählt, auch gerne mal in Kempten in den Zug und düsen für eine Partynacht nach Regensburg. Diese Kundschaft wird man erst am nächsten Morgen wieder los. Und im schlimmsten Fall werden sie zwischenzeitlich zum Problem.
Den Verliebten ihr Piccolöchen lassen. Aber was tun mit dem Wodka?
Hier liegt also Regensburgs Problem: Die Stadt ist über die Bezirksgrenzen hinweg zu attraktiv. Zu viele Menschen, zu viel Alkohol, zu wenig Hemmungen. Es gilt einen Ausgleich zu finden. Das sieht man auch bei der Stadt so. „Wir haben ja nichts gegen die Verliebten, die am Donau-Ufer ihr Piccolöchen trinken“, sagt Schörnig. Aber gegen pöbelnde Rauschkugeln, vor allem in Gruppen, gibt es bislang noch keine gezielte Handhabe. Ein Alkoholverbot außerhalb gastronomischer Flächen würde den Verliebten ihr Piccolöchen ebenso untersagen wie der aggressiven Gang ihr Wodka-Arsenal. Ein Zwiespalt, den auch das „wegeisende“ und „Synergien“ bündelnde Sicherheitskonzept nicht zu lösen weiß.