“Antisemitismus ist für die Betroffenen alltagsprägend”
Der bayerische Ministerrat hat Anfang diesen Jahres beschlossen, im Rahmen eines neuen und umfassenderen Gesamtkonzepts zur Erinnerungsarbeit an die Opfer der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus und zum Kampf gegen Antisemitismus an der Universität Regensburg ein Zentrum für Erinnerungskultur einzurichten. In diesem Zusammenhang hat regensburg-digital Fragen an Dr. Annette Seidel-Arpacı gestellt, die Leiterin von RIAS Bayern (Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Bayern). Das Interview wurde schriftlich geführt. Wir veröffentlichen den kompletten Wortlaut.
Frau Seidel-Arpacı, seit 2019 leiten sie RIAS Bayern, wo antisemitisch motivierte Übergriffe und Vorfälle von Betroffenen oder Zeugen gemeldet werden können. Weit mehr als hundert solcher Meldungen liefen bei ihnen in den ersten sechs Monaten auf. Ohne ihrem ersten Jahresbericht vorgreifen zu wollen, warum wird in Bayern eine solche Meldestelle gebraucht?
Bereits in der “Problembeschreibung: Antisemitismus in Bayern” der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus – Bundesweite Koordination vom Sommer 2018 heißt es, in den ab 2017 geführten Interviews habe sich gezeigt, dass Antisemitismus auch in Bayern für die Betroffenen alltagsprägend ist. Das heißt vor allem, dass Jüdinnen und Juden ihren Alltag an der potentiellen Konfrontation mit Antisemitismus ausrichten müssen – er begegnet ihnen in sozialen Interaktionen aller Art, am Arbeitsplatz, auf täglichen Wegen, in der Freizeit… und eben auch oft in Kontexten, denen man sich gar nicht entziehen kann wie etwa dem Wohnumfeld, der Arbeitsstelle oder Schule.