Von einem „empfindlichen Schlag gegen Waffenbesitz auch im rechtsextremen Milieu“ und einem bekannte Neonazi als Hauptinformanten hatte Innenminister Joachim Herrmann in Zusammenhang mit der großen Waffen-Razzia vom Dienstag noch am Donnerstag gesprochen. Die Regensburger Staatsanwaltschaft hat dem noch am selben Tag gegenüber regensburg-digital widersprochen. Heute ruderte Herrmann zurück.„Rechtsextremisten horteten Waffen“, „Razzia gegen Neonazis“, „Razzia bei Rechtsextremisten“. So oder so ähnlich lauteten die Schlagzeilen der vergangenen Tage nach der großangelegten Durchsuchungsaktion in rund 60 Gebäuden und Wohnungen, bei der 1.500 Polizisten in Bayern und Rheinland-Pfalz im Einsatz waren und rund 200 Waffen gefunden wurden.
Bestätigt wurde diese Lesart, die von FAZ, Welt und Münchner Merkur bis hin zur Mittelbayerischen Zeitung reicht von den Ermittlungsbehörden nie. Sie entstammt offenbar einer Fehlinformation des bayerischen Innenministeriums.
Innenminister löst mediale Hysterie aus
Joachim Herrmann hatte gegenüber der Nachrichtenagentur dapd und der Süddeutschen Zeitung erklärt, dass der Hauptinformant von Polizei und Staatsanwaltschaft ein bekannter Neonazi sei. In einer Presserklärung legte der Innenminister noch nach und sprach unter anderem von einem „empfindlichen Schlag gegen Waffenbesitz auch im rechtsextremen Milieu“.
Schlagzeilen zur Waffen-Razzia: Eine Auswahl bei Google. Foto vom 2. März.
Klarstellung der Staatsanwaltschaft kam noch am selben Tag
Im Vorfeld notwendig waren dazu erst klarstellende Worte der Regensburger Staatsanwaltschaft notwendig, um die dadurch ausgelöste Hysterie zu bremsen: „Der Hauptinformant gehört nicht zur rechtsextremen Szene. Das haben wir auch nie so bestätigt“, sagte Dr. Marcus Pfaller am Donnerstag gegenüber regensburg-digital.de. Auch ob sich unter den Festgenommenen tatsächlich – wie ebenfalls vom Innenminister verkündet – vier Neonazis befinden sollen, müsse sich im weiteren Verlauf der Ermittlungen erst noch herausstellen.
Mittlerweile wird dies nach und nach von allen Medien aufgegriffen. Entsprechend andere Artikel wurden zum Teil vom Netz genommen.
Und immerhin: Joachim Herrmann hat in seiner letzten Pressemitteilung auch erklärt Rechtsextremisten in Bayern „genau im Visier“ zu haben. Das kann er nun wenigstens für die Zukunft beweisen. In diesem Fall und vor allem bei anderen.
„In Bayern haben wir Rechtsextreme im Visier.“ Die Festnahmen und Funde der Waffenrazzia feiert Innenminister Joachim Herrmann heute auch als Erfolg im Kampf gegen Rechtsextreme. Die Ermittler von Staatsanwaltschaft und Polizei stellen das alles aber etwas anders dar.
„Systemfehler Verfassungsschutz“ ist der Titel der Veranstaltung, die am Mittwoch in Regensburg stattgefunden hat. Zentrales Thema: Was hat ein Geheimdienst, der eben erst wieder durch extreme Nähe zur Nazi-Szene aufgefallen ist, eigentlich in der Bildungsarbeit verloren?
„Das pressiert doch nicht.“ Ein Bericht zum aktuellen Stand der Ermittlungen bei den Neonazi-Morden und eventuellen Pannen – ein solches Ansinnen hält die CSU derzeit nicht nur für unnötig und übereilt. Sie ist darüber geradezu empört. Einen entsprechenden Antrag der Grünen im Innenausschuss des bayerischen Landtags lehnten CSU und FDP am Mittwoch ab. Er könne nicht verstehen, „weshalb das jetzt so pressiert“, so der CSU-Abgeordnete Otto Zeitler. Antragsstellerin Susanna Tausendfreund (Grüne) spricht von einer „Informationssperre“.
Der Neonazi Tino Brandt, eine Schlüsselfigur bei der nach wie vor nicht aufgeklärten Mordserie durch den “Nationalsozialistischen Untergrund”, startete seine Karriere in Bayern. Bereits damals wurde er vom Verfassungsschutz überwacht. Der hat aber Daten gelöscht und Akten vernichtet.
Eine Anfrage der Regensburger Landtagsabgeordneten Maria Scharfenberg (Grüne) an die Staatsregierung birgt Sprengstoff. Es geht um einen der aktivsten Neonazi-Kader der 90er Jahre: Tino Brandt. Und es geht um die bayerische Vorgeschichte der Nazi-Bande, die sich zwölf Jahre lang unbehelligt durch die Republik morden konnte.