Berichte über ein Geheimzimmer, in dem möglicherweise Juden versteckt worden sein sollen, eine nichtssagende und intransparente Pressemitteilung der Stadt Regensburg, in der von einer „umstrittenen Rolle“ des NS-Karrieristen Walter Boll die Rede ist, eine städtisch geförderte Ausstellung, in der ein Fan von Otto Schottenheim den Nazi-OB unwidersprochen abfeiern durfte. Es sind nur ein paar Beispiele für erhebliche Defizite in der Erinnerungs- und Gedenkkultur von Regensburg. Wir veröffentlichen dazu einen Einwurf der Journalistin und Autorin Waltraud Bierwirth („Die Firma ist entjudet“, „Der Fall Elly Maldaque“, „Das Novemberpogrom und der lange Weg zu einer neuen Synagoge“).
Ja, die Frage nach Demokratie und Transparenz ist wieder dringlicher geworden. Der Umgang mit Geschichte produziert in dieser Stadt eigene Konflikte, die an Deutlichkeit zunehmen. Als größtes Manko erweist sich in Regensburg, dass es bis heute keine öffentliche Präsentationsform für die Darstellung der neueren Stadtgeschichte gibt. 90 Jahre nach der Machtübergabe an die Nazis und dem Ende der Demokratie in Deutschland fehlt es in dieser Stadt dringlich an einem Ort, an dem die Jahre des Nationalsozialismus dargestellt, Zusammenhänge erläutert und handelnde Personen und deren Verbrechen genannt werden.
Auf reges Interesse stieß eine kürzlich gezeigte Fotoausstellung zu „Dorf Schottenheim“ in der Konradsiedlung. Im Nachgang gibt es nun Protest, Distanzierungen und Peinlichkeiten. Vorher will niemand mitbekommen haben, dass im Rahmen der Ausstellung versucht wurdem, den Nazi Otto Schottenheim weißzuwaschen. Teils lange zurückliegende Versäumnisse der Stadtverwaltung und des Historischen Museums rächen sich.
Beim Fußballverein und auch in Teilen der Fanszene herrscht Verärgerung über die Schmiererei auf der Gedenktafel am Georgenplatz. Unbekannte haben die Stele zur Erinnerung an die Verfolgung und Ermordnung von Zeugen Jehovas mit einem Jahn-Graffiti verunstaltet.
„1889“ prangt auf der Gedenktafel zur Erinnerung an die Verfolgung und Ermordung der Zeugen Jehovas während des Nationalsozialismus. Ein beliebter Tag in der Fanszene des SSV Jahn Regensburg.
Ein Beitrag zur historischen Aufarbeitung der nationalsozialistischen Gleichschaltung des Kunst- und Gewerbevereins Regensburg sowie des Historischen Vereins.
Zum 200jährigen Jubiläum des jüdischen Friedhofs in Regensburg hat die Journalistin Waltraud Bierwirth in 35 Kurzbiografien das Leben und Sterben von 35 Regensburger Jüdinnen und Juden skizziert.
Die Stadt Regensburg will Raubkunst, die man sich unter Ägide des Nazi-Karrieristen und Ehrenbürgers Walter Boll angeeignet hat, zurückgeben. Die Vorlage räumt nebenbei mit einer Entlastungslegende Bolls auf. Stadtrat Jakob Friedl fordert weitere Aufklärung – auch zu einer Geschichte, die vom früheren Kulturreferenten Klemens Unger verbreitet wurde.
Als sich der Regensburger Stadtrat auf der Suche nach einem Kulturkonservator 1928 für Walter Boll entschied, beeinflusste das auch das Leben des bekannten Kunsthistorikers und Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt.
Fast 2.000 Ukrainerinnen und Ukrainer suchen derzeit in Regensburg Zuflucht. Was heute vielen unbekannt sein dürfte: Schon einmal wurde Regensburg zu einer „kleinen Ukraine“. Die Uni Regensburg zeigt darüber diese Woche einen Film von 1982.
Im Juni 1937 befand sich Regensburg im Ausnahmezustand. Adolf Hitler hat sich zu einem Staatsakt angekündigt, um den Komponisten Anton Bruckner zu ehren. Tragende Rollen bei der Inszenierung für den „Führer“ spielten die NS-Karrieristen Theobald Schrems und Walter Boll.
213 jüdische Männer, Frauen und Kinder wurden am 4. April 1942 aus Regensburg in die Vernichtungslager im Osten deportiert. Niemand von ihnen überlebte. Zum 80. Jahrestag wurde vor Tatorten in Verwaltungsstellen und Behörden aus den Akten derjenigen gelesen, die diesen Massenmord mitorganisierten und die Verteilung des geraubten Vermögens – bei einer „Topographie des letzten Weges“.
Bei der Debatte zum Umgang mit problematischen Straßennamen im Bildungsausschuss wird klar: Abgesehen von der CSU begrüßen alle Fraktionen die Einsetzung eines Expertengremiums und eine breite Einbindung der Öffentlichkeit. Die Oberbürgermeisterin versucht derweil, Kritik am Koalitionspartner zu vermeiden – und brüskiert damit ihren Bildungsreferenten.
Vorerst wird es keine Entscheidung darüber geben, wie künftig mit belasteten Straßennamen umgegangen werden soll. Eine ursprünglich für den kommenden Bildungsausschuss vorgesehene Vorlage wurde durch einen mündlichen Zwischenbericht ersetzt.
Die CSU spricht von einer „unendlichen, ärgerlichen Geschichte“, die Grünen werfen der CSU „skandalöses“ Verhalten vor. Doch die Vorlage, die Bildungsreferent Hermann Hage dem Bildungsausschuss vorlegen will, hört sich gar nicht schlecht an – auch wenn die Diskussion über den Umgang mit belasteten Straßennamen schon recht lange dauert.
Während die Stadt Regensburg derzeit systematisch Straßen, Plätze und Parks überprüft, um historisch problematische und belastete Namen zu identifizieren, fordert die Frauen Union, den Karl-Freitag-Park nach Alt-Bürgermeisterin Hildegard Anke zu benennen. Beim Namen des 1928 eröffneten Parks im Stadtsüden ist tatsächlich einiges schiefgelaufen.
Am 22. Juni jährte sich der Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion zum 80. Mal. In Regensburg gedachte die Stadt erstmals mit einer zentralen Feier am Hohen Kreuz. Nahe dem Gelände des ehemaligen Kriegsgefangenenlagers steht dort seit den 1980er Jahren ein (fast vergessener) Gedenkstein.
Bei schönem Wetter erfreut sich der Gedenkstein für die Regensburger KZ-Opfer in Stadtamhof großer Beliebtheit als Bar, Hocker oder Tresen. Alle Jahre wieder und besonders jetzt während der Pandemie. Ein Kommentar zu diesem unwürdigen Zustand.