Eine „unechte“ Urkunde, Schlampereien im Gerichtsurteil und eine unglaubwürdige Belastungszeugin: Auf 152 Seiten begründet die Regensburger Staatsanwaltschaft ihren Wiederaufnahmeantrag im Fall Gustl Mollath. Mittlerweile wurde das Dokument vollständig im Internet veröffentlicht (hier als PDF abrufbar).
Seit 2006 sitzt der heute 56jährige Gustl Mollath in der Psychiatrie. Er soll seine Ex-Frau schwer misshandelt und Autoreifen von Personen in ihrem Umfeld zerstochen haben. Zuvor hatte Mollath seiner Ex-Frau – sie arbeitete damals als Vermögensberaterin bei der Hypovereinsbank – und einigen Kollegen vorgeworfen, illegal Gelder in die Schweiz verschoben zu haben. Die Staatsanwaltschaft sah sich seinerzeit allerdings nicht veranlasst, deswegen Ermittlungen einzuleiten. Ein interner, aber erst später bekannt gewordener Revisionsbericht der Hypovereinsbank hingegen bestätigt einige von Mollaths Vorwürfen. „Alle nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt“, heißt es darin. Mollaths Ex-Frau erhielt nach der Prüfung die außerordentliche Kündigung.
Das Landgericht Nürnberg attestierte Mollath hingegen 2006, gewalttätig zu sein, unter wahnhaften Vorstellungen zu zu leiden und damit eine Gefährdung für die Öffentlichkeit darzustellen. Er landete in der Psychiatrie. Das Urteil wurde schließlich sogar vom Bundesgerichtshof bestätigt.
Zeuge erschüttert Glaubwürdigkeit der Ex-Frau
Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat nun vor knapp zwei Wochen die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Ihren 152 Seiten starken und mit zahlreichen Dokumenten unterfütterten Antrag begründen die Staatsanwälte im Wesentlichen mit neuen Beweisen und einer „unechten“ Urkunde. Vor wenigen Tagen wurde der Antrag durch Mollaths Rechtsanwalt Dr. Gerhard Strate komplett im Internet veröffentlicht.
Insbesondere die Glaubwürdigkeit von Mollaths Ex-Frau wird darin angezweifelt. Deren Behauptung, dass Mollath sie am 31. Mai 2002 geschlagen, für rund eineinhalb Stunden eingesperrt und mit dem Tode bedroht habe, sei möglicherweise eine „uneidliche Falschaussage“.
Bei dieser Annahme stützt die Staatsanwaltschaft sich auf die Aussage eines gemeinsamen Bekannten der Familie Mollath. Der hatte – belegt durch Aufzeichnungen in seinem Terminkalender – in der Vernehmung durch die Regensburger Staatsanwaltschaft erklärt, just an jenem Tag mit Mollaths Ex-Frau telefoniert zu haben.
Dabei habe sie ihm gegenüber geäußert:
„Wenn Gustl meine Bank und mich anzeigt, mache ich ihn fertig. Ich habe sehr gute Beziehungen. Dann zeige ich ihn auch an, das kannst Du ihm sagen. Der ist doch irre, den lasse ich auf seinen Geisteszustand überprüfen, dann hänge ich ihm was an, ich weiß auch schon wie. Wenn der Gustl seine Klappe hält, kann er 500.000 Euro von seinem Vermögen behalten, das ist mein letztes Wort.“
Von den angeblichen Misshandlungen durch Gustl Mollath habe sie nichts erwähnt. „Im Hinblick darauf, dass sie ansonsten sehr offen zu mir war, (…), ist es für mich sehr erstaunlich, über diese Tätlichkeiten keine Info von ihr erhalten zu haben“, so der Zeuge.
Anzeige erfolgte erst nach Revision der Bank
Mollaths Ex-Frau habe ihn erst angezeigt, nachdem die Hypovereinsbank besagte interne Prüfung eingeleitet hatte. Sie habe also die gegenüber dem gemeinsamen Bekannten gemachte „Ankündigung, sie zeige dann auch Gustl an, hänge ihm was an, wahr gemacht“, so die Staatsanwaltschaft. Dies alles stelle „neue Tatsachen“ und „neue Beweismittel“ dar und begründeten eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Es gebe „erhebliche Zweifel“ an der Annahme des Landgerichts Nürnberg, dass Mollaths Ex-Frau ihre Aussagen „ohne jeden Belastungseifer“ gemacht habe.
Weiterer Grund für die Wiederaufnahme ist ein ärztliches Attest über Verletzungen, die Mollath seiner Ex-Frau bereits im August 2001 beigebracht haben soll. Es wurde erst ein knappes Jahr später ausgestellt und war vor Gericht ein wichtiges Mittel, um Mollaths Gewalttätigkeit zu beweisen. Das Landgericht Nürnberg hatte seinerzeit auf eine Vernehmung der unterzeichnenden Ärztin verzichtet und sich mit der Verlesung des Attests begnügt.
Attest: Gute Freundin in der Arztpraxis
Die Staatsanwaltschaft Regensburg sieht in diesem Attest nun eine „unechte“ bzw. „verfälschte“ Urkunde. Es stammt demnach nicht von der Ärztin, die es unterzeichnet hat, sondern von deren Sohn, der damals als Weiterbildungsassistent in ihrer Praxis beschäftigt war. Dies haben beide bei den Vernehmungen durch die Staatsanwaltschaft bestätigt.
Es mache durchaus einen Unterschied, ob das Attest von einer langjährig praktizierenden Allgemeinmedizinerin oder von einem Weiterbildungsassistentin ausgestellt werde, so die Staatsanwaltschaft. Das Gericht sei nicht nur über die Identität des Ausstellers, sondern auch über dessen Qualifikation getäuscht worden. Darüber hinaus sieht die Staatsanwaltschaft die Glaubwürdigkeit des Attests auch dadurch erschüttert, dass eine gute Freundin von Mollaths Ex-Frau als Arzthelferin in der fraglichen Praxis beschäftigt war und der ausstellende Mediziner dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit wusste, wofür das Attest benötigt wurde.
Manches unzutreffend, aber „keineswegs wahnbedingt“
Mit Blick auf seine Schwarzgeld-Vorwürfe bescheinigt die Regensburger Staatsanwaltschaft Mollath ein gewisses „Insiderwissen“. Auch wenn sich manche Annahme Mollaths im Nachhinein als falsch herausgestellt habe – unter anderem deshalb hatte das Landgericht Nürnberg Mollath ein Wahnsystem attestiert – sei dies „keineswegs wahnbedingt“ zu erklären, „sondern lediglich eine unzutreffende, objektiv betrachtet durchaus auch abwegige, aber zumindest logisch erklärbare Schlussfolgerung Herrn Mollaths aus realen Begebenheiten“.
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