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Beiträge mit Tag ‘Freiwilligenkarte’

Katholikentag und Ehrenamtskarte im Stadtrat

Friede, Freude und ein aufgebrachter Bürgermeister

Friedlich war die Stimmung am Mittwochabend im Verwaltungs- und Finanzausschuss. Katholikentag und Freiwilligenkarte versus Ehrenamtskarte – das sind keine Themen, bei denen sich dringend jemand streiten wollte. Es war die vorletzte Stadtratssitzung vor Weihnachten, heute folgt noch das Plenum und dann war’s das für 2012. Nur Bürgermeister Weber stört den adventlichen Geist mit ungewohnter und irgendwie auch unnötiger Aggressivität.
Katholikentag 2014: Die "Friedensveranstaltung" hatte im Vorfeld zu allerlei Kleinkriegen geführt.

Katholikentag 2014: Die “Friedensveranstaltung” hatte im Vorfeld zu allerlei Kleinkriegen geführt.

Kurz vor Weihnachten macht der Stadtrat einen auf Pfingsten und spricht mit einer Zunge: Betont friedlich und zurückhaltend gaben sich die Stadträte sämtlicher Fraktionen, als es um den Katholikentag ging. Als städtischen Zuschuss wird es nun maximal 700.000 Euro geben, vom Landkreis kommen 300.000 Euro. Da eine Höchstbetragförderung vereinbart wurde, muss der Betrag auch nicht voll ausgeschöpft werden. Die Entscheidung fiel einstimmig; das sollte wohl den Ärger und das fast schon babylonische Stimmengewirr ausgleichen, das es im Vorfeld um diese Veranstaltung gegeben hatte.

Friedensfest mit demokratischen Mängeln

Alle waren angetan von der Idee, dass sich 2014 Tausende von Katholiken in Regensburg zusammenfinden werden, von einem Fest „mit Strahlkraft“ (Hermann Vanino, CSU) war die Rede, von einem „Jahrhundertereignis“ (Bürgermeister Gerhard Weber) und von einer “Friedensveranstaltung” (Thomas Burger, SPD). Sogar Richard Spieß von der Linkspartei, die der katholischen Kirche traditionell eher weniger zugetan ist, fand warme Worte für den Katholikentag, denn dort könnten sich Laien kritisch mit ihrer Amtskirche auseinandersetzen. Was ihm missfiel, war allerdings die Art der Auseinandersetzung um die Vergabe und die Bezuschussung durch Stadt und Landkreis: Die Entscheidungen seien „in Gremien getroffen worden, die eigentlich gar keine sind“; aber das, sagt Spieß mit einiger Resignation in der Stimme, sei man ja in Regensburg nicht anders gewohnt.

Kein Wort über Kittel

Von Ober-Katholik und lokalem Veranstaltungs-Papst Peter Kittel kein Wort von niemandem. Das hätte wahrscheinlich den adventlichen Frieden getrübt. Mit dem Beschluss dürfte man nun auch Kittels Bedenken zerstreut haben, man wolle ihn nur von seiner „kritischen Berichterstattung“ abhalten  und seine „Pressefreiheit“ beschneiden. Denn den Zuschuss gibt es jetzt, auch wenn er den Zuschlag erhalten sollte.

Ehrenamtskarte und die SPD: Politisches Kalkül statt Überzeugung

Plädierte erst für die Ehrenamtskarte, stimmte dann aber dagegen: Thomas Burger, SPD.

Plädierte erst für die Ehrenamtskarte, stimmte dann aber dagegen: Thomas Burger, SPD.

Adventlich-friedlich begann auch die Diskussion um die Bayerische Ehrenamtskarte. Die Grünen hatten einen entsprechenden Antrag gestellt, lieber die Bayerische Ehrenamtskarte einzuführen, statt weiterhin am Regensburger Modell der Freiwilligenkarte festzuhalten. SPD-Mann Thomas Burger lieferte mit seinem Redebeitrag das perfekte Plädoyer für die Ehrenamtskarte, Zustimmung kam von allen Parteien – außer der CSU. Und die bekam letztlich ihren Willen, obwohl sie die Minderheit darstellt: Die SPD stimmte aus politischem Kalkül trotz anderer Überzeugung gegen die Ehrenamtskarte; man wolle damit nicht den Koalitionsfrieden gefährden, das Thema könne auch noch eineinhalb Jahre warten, hieß es von Burger. [stextbox id=”info”] Zur Diskussion stehen zwei Modelle: Die Bayerische Ehrenamtskarte, die seit 2011 vom Bayerischen Sozialministerium ausgestellt wird, und die Regensburger Freiwilligenkarte, die von der Stadt vergeben wird. Die Ehrenamtskarte ist ausschließlich für Leute gedacht, die sich seit mindestens zwei Jahren fünf Stunden wöchentlich oder 250 Stunden im Jahr ehrenamtlich engagieren. Sie wird auf Vorschlag von Vereinsvorständen personenbezogen ausgestellt und ist für drei Jahre gültig. Der Freistaat Bayern gewährt Nachlässe bei den Einrichtungen der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung, die Kommunen können eigene Vergünstigungen drauflegen. Die Freiwilligenkarte wird von der Stadt an Vereine ausgestellt, die sie nach eigenem Ermessen und auf Anfrage an Mitglieder weiterreichen können. Pro 50 Mitglieder erhält ein Verein eine Freiwilligenkarte. [/stextbox] Die Befürworter der Ehrenamtskarte finden vor allem deren Handhabung einfacher als die der Freiwilligenkarte: Letztere lungere oft ungenutzt bei Vorständen rum, andere Vereinsmitglieder hätten kaum Zugriff drauf. Die Bayerische Ehrenamtskarte werde hingegen personenbezogen ausgestellt; so hätte jeder, der sich in ausreichendem Maß ehrenamtlich engagiert, zu jedem Zeitpunkt die Möglichkeit, die Vergünstigungen der Karte zu nutzen.

Bayernweiter Anspruch

Das erscheint in der Tat einleuchtend, denn wahrscheinlich telefonieren die wenigsten Vereinsmitglieder mit ihren Vorsitzenden und holen sich die Karte bei ihm ab, wenn sie beispielsweise für drei Stunden ins Westbad gehen wollen und hier dank Freiwilligenkarte rund einen Euro Nachlass bekämen. Zudem erhalten Inhaber der Ehrenamtskarte automatisch die Vergünstigungen, die ihnen der Freistaat Bayern gewährt, nämlich einen geringeren Eintrittspreis bei den Einrichtungen der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung. Und da die Karte bayernweit gültig ist, können sie auch Vergünstigungen in anderen Städten in Anspruch nehmen, die ebenfalls die Ehrenamtskarte eingeführt haben.

Wie oft fährt man auf dem Chiemsee Schifferl?

Glaubt nicht, dass viele Regensburger regelmäßig am Chiemsee Schifferl fahren: Gerhard Weber.

Glaubt nicht, dass viele Regensburger regelmäßig am Chiemsee Schifferl fahren: Gerhard Weber.

Das alles sind für Weber keine Argumente. Immer wieder betonte er die lokalen Angebote der Regensburger Freiwilligenkarte und stellte mehrfach die Frage, „wie oft ein durchschnittlicher Regensburger Ehrenamtler an den Chiemsee Schifferl fahren“ (wahlweise nach Neuschwanstein) würde, wo er dann einen geschlagenen Euro Nachlass  bekäme. Das dürfte in der Tat selten vorkommen, und die Einrichtungen der Bayerischen Schlösser- und Seenverwaltung sind in und um Regensburg rar gesät.Ein wenig Schützenhilfe bekam er von Annerose Raith vom Amt für kommunale Jugendhilfe: Nicht einmal die Walhalla sei in der Ehrenamtskarte dabei!

Horrorszenario Ehrenamtskarte?

Auf das Argument, dass die Kommune doch dieselben Vergünstigungen, die sie auf die Freiwilligenkarte gewährt, auch auf die Ehrenamtskarte gewähren könnte, ging Weber konsequent nicht ein. Stattdessen schilderte er Horrorszenarien für Vereinsvorstände und Stadtverwaltung, sollte die Ehrenamtskarte beschlossen werden. Horror 1: Die Vereinsvorstände müssten dann genau Buch führen über die geleisteten Stunden ihrer Ehrenamtlichen, oder man würde den Vereinsvorständen abverlangen, Blindbescheinigungen auszustellen. Horror 2: Die Stadt bräuchte dann mindestens eine Halbtagsstelle, um den Verwaltungsaufwand bewältigen zu können. Margit Kunc, die als Antragsstellerin die Ehrenamtskarte befürwortete, hätte mit einer zusätzlichen Halbtagsstelle kein Problem. Richard Spieß erklärte, die Aufzeichnungen über die Stunden der ehrenamtlich Tätigen müssten in den meisten Vereinen ohnehin gemacht werden, der zusätzliche Aufwand sei zu verschmerzen. Ludwig Artinger von den Freien Wählern erkennt in der Ehrenamtskarte eine zielgenauere Förderung einzelner Engagierter, und auch Horst Meierhofer hat in der ganzen Diskussion keinen Grund gegen die Ehrenamtskarte gehört.

Engagement für Ehrenamtskarte lächerlich?

Doch das beeindruckte Bürgermeister Weber wenig: Wieder mussten die seltenen Schifferlfahrer vom Chiemsee herhalten, und wenn das tatsächlich wer wolle, dann „geht das schon langsam ins Lächerliche“. Thomas Burger, seit über 20 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr und in anderen Vereinen engagiert, habe „keine Ahnung“, wie das pragmatisch das mit der Freiwilligenkarte tatsächlich gehandhabt würde. Und dass München, Nürnberg und Augsburg auch keine Ehrenamtskarte hätten, sei doch schließlich Hinweis genug, dass das Modell nicht viel taugen könne.

Aufgewärmter Streit Weber versus Woli

Warum sich Weber in das Thema Ehrenamtskarte so reinsteigert, scheint unerklärlich. Schon vor wenigen Wochen hatte er sich einen öffentlichen Streit mit SPD-Bürgermeister Joachim Wolbergs geliefert. Der hatte auf einer SPD-Veranstaltung angekündigt, im Falle einer gewonnen Oberbürgermeisterwahl die Ehrenamtskarte statt der Freiwilligenkarte einzuführen. Daraufhin wetterte Weber kräftig und verteidigte „seine“ Freiwilligenkarte, zog sogar die städtische Pressestelle als Postillon d’Amour zwischen ihm und Wolbergs heran, um seine Position als die offizielle der Stadt Regensburg unters Volk zu bringen.

SPD-Händchen blieben unten

Dass die SPD nun klein bei gab, lässt manchen über die Stabilität der Stadtratskoalition spekulieren. Wolbergs Einsatz für die Ehrenamtskarte dann Burgers flammendes Plädoyer dafür – trotzdem blieben die Händchen unten, die politische Treue zur CSU überwog die Überzeugung in der Sache. Das Thema, so Burger, sei keins, das nicht noch eineinhalb Jahre warten könne; dann – so das SPD-Kalkül – ist Wolbergs ohnehin Oberbürgermeister und die Ehrenamtskarte hat freie Fahrt.
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