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Beiträge mit Tag ‘Buchbesprechung’

Der Undercover-Journalist Thomas Kuban recherchierte über fast zwei Jahrzehnte hinweg im braunen Milieu, vor allem aber in der Nazi-Musikszene. Kürzlich ist seine Reportage mit dem Titel „Blut muss fließen“ als Buch erschienen.
„Blut muss fließen knüppelhageldick, und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik.“ Auszug aus dem „Blutlied“ der Skinhead-Band „Tonstörung“
Wer sich in die konspirativen Gefilde gewaltversessener Neonazis begibt, um ein Stück dieser „Subkultur“ auch für Außenstehende sichtbar zu machen, muss Mut haben. Dem namenlosen Rechercheur, der mittlerweile unter dem Pseudonym Thomas Kuban in der Öffentlichkeit auftritt und seine Erkenntnisse in Form eines Dokumentarfilms und eines Buches publiziert hat, scheint es daran nicht zu fehlen. Fast fünfzehn Jahre lang schlich er sich mit versteckter Kamera und als Szeneanhänger getarnt in solche geheimen Konzerte ein, bei denen die Neurechten offen Hitlerkult, Judenhass und Faustrecht abfeiern. Was er filmte, löst vor allem bei der breiten, „politisch gemäßigten“ Bevölkerung Erschrecken aus. Wer sich hingegen mit dem Thema Rechtsextremismus schon einmal näher beschäftigt hat, für den sind Kubans Erkenntnisse nichts neues; nichtsdestoweniger illustrieren seine Aufnahmen und auch die im Buch geschilderten Eindrücke manchmal unangenehm plastisch, was sich da in aller Regelmäßigkeit hinter verschlossenen Türen abspielt. Die Polizei schaut mitunter teilnahmslos zu, wenn Neonazis – nationalsozialistische Tätowierungen auf dem Leib und rassistische Parolen auf den Lippen – zu Rechtsrockmusik „abhitlern“.

Bayern – ein Konzertparadies für Neonazis

„Im Zelt herrschte ein derart hoher Lärmpegel, dass für die eingesetzten Beamten ein Großteil der gesungenen und gesprochenen Textpassagen nicht verständlich war. (…) Weiter haben die polizeilichen Erfahrungen gezeigt, dass eine Bewertung vor Ort der Veranstaltung ohne Kenntnis des Textes grundsätzlich kaum möglich ist.” Antwort des bayerischen Innenministeriums auf eine Landtagsanfrage bezüglich eines NPD-Konzerts, bei dem unter anderem das „Blutlied“ gespielt wurde.
Das katastrophale Versagen gerade bayerischer Behörden und Polizeieinheiten thematisiert Kuban in seinem Buch ausführlich – er beschreibt die Arbeit vieler Beamter in Bayern als „polizeilich organisierten Dilettantismus“. Das lasche Vorgehen führe dazu, dass die Provinzen des Freistaates als „Konzertparadies für Neonazis“ gelten. Selbst auf höchster Ebene tendiert man dazu, die konspirative Szene zu verharmlosen. „Wir haben ein größeres Gewaltpotential im Linksextremismus als im Rechtsextremismus“, werden Äußerungen des damaligen Innenministers Günther Beckstein auf einer Pressekonferenz 2007 von Kuban zitiert. „Wer national-konservative Grundhaltungen hat, der wird unterstützt, der Rechtsextremist ist zu bekämpfen.“ Auf die Frage hin, wieso die dem Innenministerium unterstehenden Organe nicht restriktiver gegen Straftaten auf Rechtsrock-Konzerten vorgehen würden, antwortete der spätere Ministerpräsident: „Wir selber tun uns schwer.“ Gerade solche Elemente machen den besonderen Mehrwert in Kubans verschriftlichten Rechercheergebnissen aus. Die zusammengetragenen Zitate – egal, ob sie von politisch Verantwortlichen oder Wortführern aus der Nazi-Szene stammen – offenbaren ein Bild, welches das Möglichwerden der NSU-Morde und anderer neonazistisch motivierter Verbrechen mehr als nachvollziehbar machen. Doch nicht nur mit der jahrzehntelangen Verharmlosung und Nichtbeachtung vonseiten Polizei und Exekutive geht Kuban hart ins Gericht. Besonders wichtig ist ihm auch das Anprangern seines eigenen Metiers: der Medienlandschaft.

Ein Märtyrer mit falschem Bart und Perücke?

„Nicht nur Verfassungsschützer und Polizisten hätten früher auf die Spur der Rechtsterroristen kommen können und müssen, sondern auch die Medien. Doch die Recherche bleibt (…) immer häufiger auf der Strecke.“ Thomas Kuban, „Blut muss fließen“
Einen nicht unwesentlichen Teil von „Blut muss fließen“ widmet der Autor der Ignoranz und die Ablehnung der Medien gegenüber seinen Recherchen. Gerade den öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten wirft er vor, trotz der Milliarden an Rundfunkgebühren in Recherche und investigatives Arbeiten zu wenig bis gar nichts zu investieren. Absätzeweise thematisiert Kuban die schriftlichen oder mündlichen Ablehnungen von Redaktionen, die er über die Jahre erhalten hat; man kommt gar nicht umhin, von der persönlichen Kränkung des Autors Kenntnis zu nehmen. Sie ist, so unprofessionell oder gar arrogant sie Manchem vielleicht auch erscheinen mag, ob der jahrelangen harten und nicht ungefährlichen Arbeit verständlich. Dennoch wünscht man sich, Kuban würde deutlicher und nicht erst im Nachwort mehr Bezug nehmen auf all die anderen Leidtragenden dieser Medien- und Öffentlichkeitskultur, die ähnliche Risiken eingehen wie er selbst und dabei nur begrenzt den Schutz der Anonymität genießen: Andrea Röpke, die schon in den Neunzigern szeneintern recherchierte und mehrere Angriffe über sich ergehen lassen musste. Robert Andreasch, der auf Neonazi-Seiten regelmäßig bedroht oder von der neurechten Jungen Freiheit an den Pranger gestellt wird. Der Schwandorfer Journalist Johannes Hartl, von dem die Neonazi-Seite “Freies Netz Süd” einen regelrechten Steckbrief veröffentlicht hat. Stattdessen erzielt Kuban beim Leser einen Effekt, der ihm in seinem ehrenwerten Kampf gegen den Neofaschismus nicht recht sein kann: Er lenkt von den Fakten ab und liefert stattdessen Kanonenfutter für all diejenigen, die seine Leistung und seine neuerlichen Medienauftritte mit falschem Bart und Perücke als falsches Märtyrertum diskreditieren.

Eine nicht unbekannte Perspektive?

„Die Zahl der Verleger früherer Prägung (…) schrumpft. An ihre Stelle treten Investoren, Spekulanten und Manager. Und denen ist die Rendite wichtiger als die Recherche.“ Thomas Kuban, „Blut muss fließen“
Insgesamt bietet Kubans Buch nicht nur zusammengetragene Ergebnisse aus jahrelanger Recherchearbeit, die das Versagen von staatlichen Institutionen ebenso wie die wachsende Mobilisierung im rechten Untergrund mal subjektiv, mal äußerst faktennah illustrieren. Gerade die im hinteren Teil von „Blut muss fließen“ teilweise sehr heftig ausgeteilte Medienkritik („der journalistische Herdentrieb – immer den Säuen hinterher, die gerade durchs Dorf getrieben werden“) mag für viele Ausdruck eines verletzten Egos sein; ihren Wahrheitsgehalt kann man dennoch nicht ganz außer Acht lassen. Nicht nur im Kontext der NSU-Morde, sondern auch in kleineren und mitunter „lediglich“ kulturpolitisch relevanten Zusammenhängen (wie etwa den Diskussionen um Frei.Wild) hat Kubans Arbeit zweifelsohne Gewicht und Bedeutung. Schließlich schlägt der Autor, um für unabhängigen, rechercheintensiven und antifaschistisch geprägten Journalismus zu garantieren, ein Organisationsmodell vor, dass nicht nur regensburg-digital-Lesern gar nicht so unbekannt vorkommen dürfte:
„Journalisten, die tiefgehend recherchieren wollen, und Bürger, die sich gegenwärtig unzureichend informiert fühlen, könnten sich zusammenschließen. Sie könnten eine Mediengenossenschaft gründen, die journalistische Selbsthilfegruppe und Bürgerinitiative zugleich ist. (…) Zum Auftakt würde sich (…) ein Online-Magazin anbieten (…). Eine Medienstruktur, die nach journalistischen und nicht nach profit- oder quotenorientierten Grundsätzen gestaltet ist, würde nebenbei nationalistischen Bestrebungen entgegenwirken (…), indem sie Entwicklungen und Bestrebungen identifiziert und publik macht, die Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlstand gefährden.“
Kuban übersieht dabei, dass es so etwas bereits gibt: publikative.org, redok.de, Störungsmelder oder Schwandorf-gegen-Neonazis sind nur einige Beispiele, bei denen ein ähnliches Prinzip im kleinen oder großen Rahmen funktioniert.

Toni Deboni: Krimis für die Westentasche

Seit 2009 hat Regensburg einen neuen, heimlichen Krimi-Helden: Toni Deboni – ein obercooler Motorradfahrer, der Sprüche klopft und den Frauen nachstellt, ein Bier trinkender und fluchender Grobian mit Sinn für soziale Gerechtigkeit. Zunächst als Hauptkommissar in Zürich, löst Toni Deboni schon bald seine Fälle als privater Ermittler in Regensburg. Fünf spannende Bände sind inzwischen erschienen, […]

Verbrechen Liebe

Seit Jahren arbeitet der BR-Autor Thomas Muggenthaler zum „Verbrechen Liebe“ während der NS-Zeit. Erst vor kurzem hat er den Ort der Hinrichtung eines polnischen Zwangsarbeiters ausfindig gemacht (am kommenden Montag Thema in der Sendung “Aus Schwaben und Altbayern”) . In seinem 2010 erschienenem Buch dokumentiert Muggenthaler das Schicksal von über 20 polnischen Männern, die wegen Beziehungen zu deutschen Frauen hingerichtet wurden.

Niveau des Irrationalismus

Ursula Caberta ist ehemalige SPD-Bürgerschaftsabgeordnete in Hamburg und leitete 18 Jahre lang, bis zu deren Auflösung, die „Arbeitsgruppe Scientology“ bei der Behörde für Inneres in Hamburg. Nach ihrem „Schwarzbuch Scientology“ von 2007 legte sie 2010 das „Schwarzbuch Esoterik“ vor. „Wir sind auf einem Niveau  angekommen, das endlich ernst genommen werden muss“, konstatiert sie auf S. […]

Wenn der Krieg um 11 Uhr aus ist, seid ihr um 10 Uhr alle tot!

„Wenn der Krieg um 11 Uhr aus ist, seid ihr um 10 Uhr alle tot!“ So lautet der Untertitel eines P-Seminars für Geschichte am Neutraublinger Gymnasium, dessen Einzelbeiträge nun in kleiner und gefälliger Buchform vorliegen. Zu Recht wurden die Schülerarbeiten zum KZ-Außenlager Obertraubling vielfach mit Lob und Anerkennung bedacht, auch wenn man Schlagzeilen wie „Kriegszeit aufgearbeitet“ und der Rede, das Thema KZ-Außenlager sei vorher tabuisiert worden, nicht folgen mag.

Mobbing konkret

Die beiden Diplompsychologinnen Ursula Vogt und Christa Eggerdinger haben ein kleines Buch zum Thema Mobbing im Betrieb vorgelegt, das ihre profunden Kenntnisse und Erfahrungen aus Seminaren, Coachings etc. zusammenfasst und einer breiteren Leserschaft verfügbar macht. Mobbing wird dabei definiert als ein Prozess, der über einen normalen Konflikt dadurch hinausgeht, dass er über einen längeren Zeitraum […]

Banal, schwül, peinlich

„Gero oder Der leichte Sommer“ ist der erste Roman der Lappersdorfer Autorin Angelika Seitz, die sich bisher in anderen literarischen Genres (v.a. Gedichten, aber auch Heimatkundlichem) sowie in anderen Kunstformen wie der Malerei versucht hat. Inhaltlich geht es um eine Dreiecks-Liebesgeschichte zwischen dem freiheitsliebenden Maler Gero, der schönen, aber allzu abhängigen Elsa und der Ich-Erzählerin […]

Der sachliche Massenmörder

Dem Schweizer Schriftsteller Jürg Amann fielen bei einer Theaterarbeit in Wien die Aufzeichnungen von Rudolf Höß, dem Kommandanten von Auschwitz, in die Hände. Höß hatte in der Krakauer Untersuchungshaft, zwischen seiner Verhaftung durch die britische Militärpolizei und seiner Verurteilung zum Tod, etwa 300 Seiten beschrieben; Amann hat diese strukturiert und verdichtet, ohne Nennenswertes hinzuzufügen. Entstanden […]

Lokalkolorit ohne Tiefgang

Soeben erschien mit „Herzstich“der erste Roman der jungen Regensburger Autorin Sonja Silberhorn. Er gehört zur immer beliebter werdenden Gattung der Heimatkrimis, auf die sich der Kölner Emons-Verlag spezialisiert hat. „Herzstich“ spielt und wurzelt in Regensburg. Dem Charme des Lokalkolorits kann man sich als Regensburger schwer entziehen – ein wichtiger Schauplatz ist zum Beispiel die Ostengasse, […]

Bösartiger Tumor beflügelt die Wissenschaft

Im Jahr 1951 starb im Johns Hopkins Hospital in Baltimore, Maryland, USA, eine schwarze Frau mit nur 31 Jahren an einem bösartigen Tumor des Gebärmutterhalses. Sie stammte aus sehr einfachen Verhältnissen und hatte mit 14 Jahren das erste der fünf Kinder bekommen, die sie hinterließ. Im Januar des Jahres 1951 war sie ins Krankenhaus gekommen, […]

„Wie das Leben wiederaufersteht“

Für Ilse Danziger vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde ist es ein „wichtiger Baustein in der traditionellen langen Geschichte der Juden in Regensburg“, die bis ins 10. Jahrhundert zurückreicht. Das Buch, das Dr. Roman P. Smolorz am Donnerstag vorstellte, behandelt dagegen einen vergleichsweise kurzen, aber bislang kaum erforschten Zeitabschnitt: „Juden auf der Durchreise. Die Regensburger Jewish […]

Deutsch-türkische Familiengeschichten

Lale Akgün ist nicht nur Türkin und Psychotherapeutin, sondern zudem politisch aktiv – ein Umstand, der bei beiden Bevölkerungsgruppen eher selten vorkommt. Akgün war sogar von 2002 bis 2009 für die SPD im Bundestag. Ihre Erfahrungen in der SPD-Bundestagsfraktion, noch mehr aber die mit ihrer Familie verarbeitet sie in heiteren, manchmal boshaften Geschichten. Schon 2008 […]

Integrationsunwillige Muslime?

In der aktuellen Debatte um die Integration insbesondere der muslimischen Zuwanderer in Deutschland, die Thilo Sarrazin mit seinen rassistischen Aussagen erneut angeheizt hat, sind empirische Daten und differenzierte Informationen dringend vonnöten, um den weitverbreiteten Vorurteilen und Missverständnissen zu begegnen. Ein Bericht wie der von Ahmet Toprak („Integrationsunwillige Muslime?“), der für sich in Anspruch nimmt, die […]

Ein Geist mit Lokalkolorit

Spannendes Lesefutter für junge Leserinnen und Leser liefert die freischaffende Redakteurin Rebecca Sollfrank-Grossmann aus Kallmünz mit der Veröffentlichung ihres ersten Romans „Ole und das Urnenmädchen“. Ole aus Hamburg verbringt mit seinem Vater ziemlich langweilige Ferien auf dem Campingplatz Kallmünz, als bei einer archäologischen Grabung ein Skelett aus der Urnenfelderzeit freigelegt wird. Durch einen Blitzeinschlag materialisiert […]

Regensburg bitterböse

„Die geheime Liebe des Boris B.“ ist eine größtenteils sehr gelungene, wenn auch bitterböse Satire auf Personen und Ereignisse in Regensburg. Mit spitzer Feder und teilweise nur leicht verfremdet nimmt der Autor Regensburger Persönlichkeiten wie den Bürgermeister, die Fürstin oder den Bischof aufs Korn. Die Rahmenhandlung – der einer Regensburger Patrizierfamilie entstammende Boris Beluga ist […]

Buchbesprechung: Brief an mein Leben

Das Thema Burnout betrifft derzeit viele Menschen: von der Angestellten im öffentlichen Dienst über den Lokführer und die Krankenschwester bis zum Manager. Und eben auch die Professorin für Kommunikationswissenschaft Miriam Meckel, die ihre Erfahrungen in einem Buch verarbeitet. Wer sich aber erhofft hat, in diesem Buch von einer gescheiten, belesenen und intellektuellen Frau neue Erkenntnisse […]

Buchbesprechung: Schindlerjüdin

Mit „Schindlerjüdin“ hat Raimund Mader seinen zweiten Kriminalroman mit dem Regensburger Kommissar Adolf Bichlmaier vorgelegt. Wie schon im ersten Band „Glasberg“ (fast alle Titel des Gmeiner Verlagsprogramms bestehen aus einem einzigen Wort und werden auf der Homepage in alphabetischer Reihenfolge präsentiert) liegt die Lösung für die aktuellen Verbrechen weit in der Vergangenheit. In „Schindlerjüdin“ wird […]

 
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