Die Bäume sind weg, aber der Streit noch nicht vorbei: Die Arbeitsgemeinschaft „Fest im Fluss“ hat laut eigener Aussage eine „hochbrisante Nachinformation“ zur mittlerweile abgeschlossenen Baumfällaktion an der Schillerwiese. In einer Pressemitteilung zweifeln sie ein Gutachten des Ingenieurbüros „Baugrund Dresden“ an, das die Baumfällungen des Wasser- und Schifffahrtsamtes (WSA) rechtfertigt. Grüne und ÖDP  hätten gerne einen „Runden Tisch“ ins Leben gerufen, um über Fragen des Hochwasserschutzes (Antrag der Grünen) und über Baumfällungen im Stadtgebiet (Antrag der ÖDP) zu diskutieren. Die schwarz-rote Stadtratsmehrheit erteilte diesen Ansinnen am Mittwoch im Planungsausschuss jedoch eine Absage.
Ein neues Bepflanzungskonzept soll das aktuelle “Stoppelfeld” wieder attraktiv machen. (Foto: hb)
Was ist ein Naherholungsgebiet wert? Das ist für Günther Riepl, Freie-Wähler-Stadtrat und Mitglied der AG „Fest im Fluss“ die zentrale Frage. Man hätte vorher andere Möglichkeiten diskutieren müssen, wie man den Damm verstärken kann. Außerdem zweifelt er daran, dass sich an den betreffenden Stellen tatsächlich ein Damm befindet.
Eine Schlitzwand hätte den Damm (sofern es sich um einen handelt) verstärken können. Oder man hätte den Damm (sofern es sich um einen handelt) mit weiteren Aufschüttungen verstärken können. Beide Varianten lehnt Ingrid Warm ab: Bei einer Schlitzwand könne es sein, dass sich die Wurzeln der Bäume Bahn brechen. Insofern bringe diese Lösung nicht den gewünschten Effekt. Aufschüttungen wären ebenso ein tödlich für die Bäume, sagt Warm. Gräbt man Bäume zu weit ein, sterben sie; auch diese Variante wäre also keine Lösung gewesen, um die Baumlandschaft zu erhalten.
Wachsweiches Gefälligkeitsgutachten?
Außerdem zweifelt Riepl an der Glaubwürdigkeit des Gutachtens von „Baugrund Dresden“. Das Gutachten sei „wachsweich“ und „fachlich inkonsistent“, schreibt die AG „Fest im Fluss“ in ihrer Mitteilung; Riepl teilt diese Ansicht. Am Ende kommt das Gutachten zwar zu dem Schluss, dass die Fällungen in Ordnung gewesen sein sollen, doch die vorausgehenden Ausführungen seien dafür keine Grundlage, so der Stadtrat. Es handle sich um ein Gefälligkeitsgutachten, außerdem sei der Zeitpunkt fragwürdig. Das Gutachten stammt vom 18. Februar. Da waren die Fällungen bereits abgeschlossen.
Ingrid Warm erklärt, dass das Gutachten vom WSA nachträglich in Auftrag gegeben wurde, nachdem man festgestellt hat, dass die Stimmung in Regensburg so hochgekocht sei. Das WSA wollte sich seiner Sache ganz sicher sein und in dieser Situation Unterstützung für die eigenen Berechnungen haben.
Wann ist ein Damm ein Damm?
Doch offenbar überzeugt auch dieses Gutachten die Gegner der Baumfällungen nicht. Ihr Hauptkritikpunkt ist die Annahme, dass es sich an den betreffenden Stellen gar nicht um einen Damm handelt. Wie in der Stellungnahme zu lesen und von Riepl zu hören ist, zeige ein Blick auf das Querprofil in dem Gutachten, dass es sich um keinen Damm handle.
Darüber, wann es ein Damm und wann es ein Deich ist und wann es sich um eine Vorlandaufschüttung handelt, könnte man jetzt allerlei detailverliebte technische Erklärungen ins Feld führen. Die Wasserführung insgesamt, der Schutz vor Hochwasser, die Form des Bauwerks, der Wasserspiegel bei Mittelwasser und bei Hochwasser und der höchste schiffbare Wasserspiegel spielen eine Rolle.
Doch letztlich ist wohl entscheidend, was der Rechtsreferent Wolfang Schörnig in der Stadtratsdebatte zum Thema gesagt hat: „Der Damm ist planfestgestellt.“ Im Klartext: Juristisch ist der Damm bzw. der Deich als solcher anerkannt, da kann man jetzt noch so viele Querprofile und Anfechtungen heranziehen, es wird nix bringen. Die Berechtigung des WSA, dort Bäume zu fällen, wo der planfestgestellte Damm/Deich steht, scheint unanfechtbar. Das WSA bezieht sich auf entsprechende DIN-Vorschriften und Weisungen aus dem Bundesverkehrsministerium.
Laut WSA wurden wasserseitig nur an Dammabschnitten Bäume gefällt. (Foto: hb)
Das Eingreifen des WSA scheint laut Schaidinger auch insofern berechtigt gewesen zu sein, als die Planungshoheit des Bundes auf Bundeswasserstraßen und ihren Betriebswegen über die kommunale Planungshoheit gehe. Auch außerhalb eigener Gebiete, also auf Grundstücken anderer Eigentümer, dürfe der Bund zum Zwecke des Hochwasserschutzes Maßnahmen ergreifen, ohne vorher großartig fragen zu müssen. Deshalb sei es auch gerechtfertigt gewesen, die Bäume auf der Landseite zu fällen, die ja teilweise auf städtischem Grund standen.
Immerhin sei das die einzige Maßnahme in Regensburg gewesen. Das WSA habe dem Rechtsreferat klar und deutlich mitgeteilt, dass keine vergleichbaren Maßnahmen mehr geplant seien.
WSA erfüllt Forderungen der Stadt nur teilweise
Schörnigs Fazit: „Zufrieden können wir nicht sein. Wir können die Vergangenheit nicht ändern, aber wir können die Zukunft gestalten.“ Jetzt geht es also um das Bepflanzungskonzept an den rasierten Stellen.
Das wäre zumindest ein Punkt, an dem das WSA dem Forderungskatalog der Stadt nachkommen könnte. Das Rechts- und Umweltreferat hatte, so schildert Schörnig im Stadtrat, der Behörde einen Forderungskatalog zukommen lassen, nachdem diese die Stadtverwaltung über die Fällungen informiert hatte. Darauf standen neben geeigneten Arten- und Landschaftsschutzmaßnahmen auch ein Bepflanzungskonzept und eine gute Pressearbeit. Dass Letzteres nicht funktioniert hat, ist bekannt. Dabei hatte die Stadt mit der Informationspolitik des WSA in der Vergangenheit bereits gute Erfahrungen gemacht. Als die Allee in der Badstraße weichen musste, habe das geklapt, deshalb habe die Stadt in diesem Fall auf eine Wiederholung gehofft.
Die Legende von einem mysteriösen Gegengutachten
Und weil das alles noch nicht genug Verwirrung gestiftet hat, geistert zusätzlich noch das Gerücht eines weiteren Gutachtens durch die Gegend, dessen Existenz bislang weder bestätigt noch dementiert werden konnte. Warm erhielt von einem Regensburger Bürger eine E-Mail. Dieser schrieb, dass durch einen „neutralen Gutachter“ festgestellt worden sei, dass „keinerlei Anlass, die Bäume am Donauufer zu fällen“ bestanden hätte. Doch weder das Gutachten selbst noch der oder die Ersteller dieses Gegengutachtens werden dem WSA bekannt gegeben.
Gegenüber Regensburg Digital sagt Günther Riepl, Stadtrat der Freien Wähler und Mitglied bei „Fest im Fluss“, dass er von einem Gegengutachten nichts wisse. Es gebe nur die Stellungnahme von „Fest im Fluss“ und eine weitere Stellungnahme des Bund Naturschutzes, in denen einzelne Punkte des Dresdner Gutachtens kritisiert werden.
Doch angesichts der Tatsache, dass die Bäume nun gefallen sind, geht es hauptsächlich darum, wie der kahlgeschlagene Bereich nun gestaltet wird. Zum „Runden Tisch“ wird es nicht kommen. CSU und SPD folgten der Linie von Schaidinger, der einen „Runden Tisch“ sinnlos findet, wenn dort nichts entschieden werden kann. Entschieden wird im Naturschutzbeirat am 13. März. Der in Regensburg ansässige Landschaftsarchitekt Richard Weidmüller ist beauftragt, ein Bepflanzungskonzept zu entwickeln. Darüber hinaus plant das WSA, auch andere Gruppierungen an der Diskussion zu beteiligen.