„Es ist mutig, wenn sich ein Bauträger selbst der Diskussion stellt”, merkt Armin Gugau an, ehe er Thomas Dietlmeier das Mikro übergibt. Die Regensburger CSU will Bürgernähe demonstrieren und hat den Boss der „Grünen Mitte”, Tochtergesellschaft des in Regensburg äußerst aktiven „Immobilienzentrum” in die Hubertushöhe eingeladen. Dietlmeier soll heute über die aktuelle Entwicklung in der Ganghofersiedlung informieren. Er sieht sich einem bis auf den letzten Platz gefüllten Saal gegenüber. Das Thema Ganghofersiedlung, deren lukrative „Revitalisierung” die Grüne Mitte übernommen hat, sorgt nach wie vor für Diskussionen. Reibungslos verläuft die Sanierung keineswegs und wie die Sozialstruktur am Ende aussehen wird, bleibt abzuwarten.
Gerne wird vom Glasscherbenviertel fabuliert, weil es hier günstigen Wonhraum gab, entsprechend auch die Bewohnerstruktur: Rentner, Familien, Arbeiter. Ein gewachsenes, fast dörfliches Viertel. Das wird die Ganghofersiedlung sicher nicht bleiben. Vor drei Jahren wurde damit begonnen, zu sanieren, abzureißen und neu zu bauen. Die damalige Kalkulation: Rund die Hälfte der angestammten Bewohner muss raus. Nun sind es offiziellen Verlautbarungen zufolge etwas weniger geworden. Der anfänglich breite Widerstand gegen die „Revitalisierung” ist mittlerweile vorbei, stellenweise der Resignation, aber auch Akzeptanz gewichen. Knapp 300 Gebäude – je zur Hälfte Ein- und Mehrfamilienhäuser – werden hier vermarktet. Jährlich werden 25 Millionen Euro in die Sanierung gesteckt, an der – neben der Grünen Mitte – auch die Immobilienunternehmen Eukia und die Winter-Hausbau GmbH beteiligt sind. Da muss auch etwas verkauft werden. Eigentumswohnung werden seit längerem im Internet zu 2.800 Euro pro Quadratmeter verkauft. Den bisherigen Mietern wurden ihre Häuschen zu Preisen zwischen 300.000 und 450.000 Euro (saniert) bzw. 220.000 Euro (unsaniert) angeboten. Ein allenfalls unwesentlicher Preisvorteil gegenüber Käufern von außerhalb.
„Es geht leider nicht anders.”
An allen Ecken und Enden wird gebaut. Ein Zustand, den Dietlmeier vor der versammelten Bewohner- und Besitzerschar selbst als „manchmal nicht mehr tragbar” bezeichnet, aber: „Es geht leider nicht anders.” Auch Mietminderungen wegen Baulärm und Dreck sind nicht vorgesehen. Am Montag ist Dietlmeier sichtlich bemüht, um Vertrauen zu werben. Ein unkritisches PR-Filmchen wird vorgeführt.
Das „Misstrauen und die Angst, mit der man uns begegnet ist, hat sich nicht bestätigt”, sagt er etwas angespannt. Er freue sich besonders, dass „acht Mieter” ihr Häuschen gekauft hätten, fügt er noch an. Aktuell leben rund 3.000 Menschen im „Revitalisierungsgebiet”, Dietlmeier spricht von 1.385 Wohneinheiten. In drei Jahren will man – so der momentane Plan – mit allen Arbeiten fertig sein, erklärt der Unternehmer. Relativ schnell beendet er seinen Vortrag und stellt sich den Fragen. Es geht viel um Baulärm, der teils um fünf Uhr früh beginnt, Dreck, Abgase und den mangelnden Informationsfluss. Einem Mieter etwa wurden in Abwesenheit die Bäume im Garten umgesäbelt – ohne vorherige Ankündigung, bei einem anderen wurden Starkstromkabel im Garten verlegt, ohne ihn darüber zu informieren. Immer wieder gibt Dietlmeier den Kritikern recht, gelobt zum teil Besserung, erklärt zum teil, das man das nun mal nicht ändern könne. Ohnehin sei er – ob der unterschiedlichen Besitzverhältnisse im Quartier – nicht für alles juristisch verantwortlich.
„Dennoch kümmern wir uns aus freien Stücken darum.” Eine Frau, 76 Jahre, hat nach mehreren sanierungsbedingten Umzügen aus ihrem angestammten Häuschen noch immer nicht die zugesagte Wohnung erhalten. Eine Telefonodyssee durch die verschiedenen Gesellschaften und die Quartiersverwaltung führte zu nichts. Derzeit lebt sie notgedrungen bei ihrer Schwester in der Wohnung. „Alle sind am Telefon sehr nett, aber keiner kennt sich aus.”
„Verraten und verkauft”
Eine weitere Frau, 80 Jahre alt, ist in dem Viertel aufgewachsen. Dem Verkauf und der Sanierung des von ihr gemieteten Siedlerhäuschens wollte sie nicht im Weg stehen, dafür aber im Viertel eine Wohnung haben. „Das war vor drei Jahren und ich habe immer noch keine Wohnung bekommen. Ich fühle mich verraten und verkauft.” Dietlmeier schreibt mit. „Ich will nicht in Abrede stellen, dass das, was Sie sagen stimmt. Aber das ist keine böse Absicht.” Er will sich persönlich darum kümmern. „Wir haben am Anfang nicht genug sanierte Wohnungen, aber das wird sich mit der Zeit entspannen.” Schuld an vielen Verzögerungen seien auch die Behörden. Viktor Pfannenstiel lebt seit 61 Jahren in der Siedlung. „Wir zahlen die volle Miete für ein teilsaniertes Haus. Keller und Treppen sind in einem unvorstellbaren Zustand. Wer da von Top-Sanierung spricht, der lügt”, beklagt sich der 76jährige.
„Ich bin nicht Vertragspartner”
„Was soll ich dazu jetzt sagen?”, meint Dietlmeier nur. „Wenn sich jemand hier nach vorn stellt, ist er plötzlich an allem schuld.” Dabei könne er für solche Zustände nichts. „Verantwortlich ist der Eigentümer.” Das ist nicht die Grüne Mitte. Ähnlich fällt Dietlmeiers Antwort an den Käufer eines Hauses aus, der sich im Nachhinein mit völlig unerwarteten Zusatzkosten für eine Heizanlage konfrontiert sieht. „Sie haben das Gebäude zwar über die Grüne Mitte gekauft, aber nicht von mir, sondern von einer anderen Firma. Rechtlich gesehen geht mich das eigentlich nichts an. Ich bin nicht Vertragspartner.” Nur Vermittler. Nach zwei Stunden endet die Diskussion. Die abschließende Bemerkung aus dem Publikum – „Man darf froh sein, dass solche Leute in dieser Stadt überhaupt investieren. Das soll man bei der Wirtschaftskrise auch sehen” – wirkt dabei wie bestellt. Ein Draufzahlgeschäft ist dieses Projekt beileibe nicht, wenigstens für die Grüne Mitte.