Stadtrat-Adventskalender, Folge 24
Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei. Auch unser Adventskalender findet heute seinen Abschluss. Die weihnachtliche Ehre, das fulminante Finale unserer Reihe zu stellen, haben selbstverständlich die Bürgermeister: Oberbürgermeister Hans Schaidinger, CSU, 2. Bürgermeister Gerhard Weber, CSU, und 3. Bürgermeister Joachim Wolbergs, SPD. Es war uns ein Fest. Feiern Sie selbiges!
Hans Schaidinger, Oberbürgermeister – jetzt und noch für lange Zeit, wenn auch nicht in Ewigkeit
Feind, Erzfeind, Parteifreund – Hans Schaidinger weiß nur zu gut um die Bedeutung dieses Dreiklangs. Mit seiner Partei, der CSU, hat der Regensburger Oberbürgermeister de facto nichts mehr zu tun. Bei der Kommunalwahl 2008, als er zum dritten Mal ins Amt gewählt wurde, schaffte er es gerade noch, ein Häufchen um sich zu scharen, das ihm die Fraktion macht und ihm bei der Mehrheitsbeschaffung im Stadtrat hilft. Ansonsten braucht er seine Partei nicht – und die Partei ihrerseits ist froh, ihn los zu sein. Zum CSU-Streit äußert sich Schaidinger schon lange nicht mehr.
Auf dem Papier ist er noch dabei, in der Praxis werfen sich andere in die Schlacht. Das Gezänk ist ihm als Aufgabe zu nieder. Außerdem braucht er die CSU nicht mehr, als OB-Kandidat scheidet er allein altersbedingt zur nächsten Wahl aus. Ein echter Parteisoldat war er sowieso noch nie. Herausragend ist allenfalls sein längst vergangenes Engagement als Landesschatzmeister der JU irgendwann in den frühen 1970er Jahren. Ansonsten hat Schaidinger sich nie um Parteiposten bemüht. Bezeichnend ist allenfalls seine Eintritt in die CSU im Jahr 1967. In einer Zeit, in der die Jugend im Aufruhr war, die Gesellschaft umwälzen wollte, bekannte sich ein 18-jähriger Hans Schaidinger zu konservativen Werten. Diese konservative Ader ist bis heute nicht ganz versiegt, wenngleich Schaidinger sich heute gerne als bürgerlich-liberal präsentiert.
So weigert er sich doch nach wie vor, am Schwulen- und Lesbenfest Christopher Street Day teilzunehmen (wobei man das auch einer gewissen Gleichgültigkeit zuschreiben könnte und nicht zwangsläufig als Ablehnung deklarieren muss); lässt einen Passus über Alleinerziehende aus dem Wahlprogramm streichen (was man ihm aber auch als taktisches Kalkül auslegen könnte); begeht höchst traditionell anmutende Volkstrauertage; hat nach wie vor eine Heidenangst vor „den Kommunisten“. Und beim Bundeswehrabzug aus Regensburg im Juni 2010 wird der sonst so kühle Rechner Hans Schaidinger auf einmal ganz rührselig. Das erzwungene Dahinscheiden als kommunalpolitische Führungspersönlichkeit hält Schaidinger aber nicht davon ab, in seiner verbleibenden Zeit noch kräftig Gas zu geben.
Er macht weiterhin Politik, ohne wirklich noch Politiker zu sein. Seine Entscheidungen fällt er nicht nach Parteikalkül, sondern danach, was er für vernünftig hält. Und dass er – möglicherweise als Einziger – von Vernunft gesegnet ist, steht für ihn außer Frage. Die Institution gewordene Vernunft ist für Schaidinger die Verwaltung. Da kommt er her (nach seinem Studium arbeitete er sich zum Leiter des Amtes für Stadtentwicklung hoch und war in dieser Funktion maßgeblich an der BMW-Ansiedlung beteiligt) und damit macht er Politik. Wie eine Löwenmutter stellt er sich vor „seine“ Verwaltung, wenn es jemand aus dem Kreis der Unwissenden und Pöbler wagen sollte, daran Kritik zu üben. Notfalls riskiert er eher das Platzen der Stadtratskoalition, bevor er allzu harsche Kritik an einem seiner Verwaltungsmitarbeiter duldet. Sichtlich wohl fühlt sich Schaidinger, wenn er sich mit Leuten umgibt, denen er ähnliche Geistesgaben zutraut wie sich selbst. Fast schon familiär wird es, wenn er zusammen mit seinem Wirtschafts- und Finanzreferenten Dieter Daminger Pressekonferenzen hält. Da erklärt man dann der Presse, dass man ob des Unverständnisses für die eigene Politik nur Kopfschütteln übrig habe. Was man betreibt, sei Keynesianismus im besten Sinne. Das weiß nur niemand! Man bestätigt sich gegenseitig, wählt ähnliche Worte, und der Zuschauer wartet eigentlich nur drauf, dass sich die beiden herzen und knuffen und miteinander kuscheln. Volkswirte unter sich. Das gefällt Schaidinger. Seine Politik über die Verwaltungsschiene macht es ihm auch möglich, die Entscheidungen als „alternativlos“ zu verkaufen, ohne wie Merkel dieses Unwort gebrauchen zu müssen. Die Gesetze und Zahlen sind jedenfalls immer auf seiner Seite, und da sich niemand so ausführlich damit beschäftigt wie er, fällt Widerspruch oft schwierig. Man muss ihm einfach glauben – oftmals nicht, weil er unumstößlich recht hätte, sondern einfach nur, weil niemand die Chance hat, eine gegenteilige Meinung ähnlich gut zu untermauern wie Schaidinger. Notfalls muss der Rechtsreferent herhalten. Der Zweifel bleibt, aber die Resignation angesichts seiner Argumentationsmacht siegt nur allzu oft. Mit dieser apolitischen Art fällt es ihm auch nicht allzu schwer, eine Große Koalition zu führen, die ihm in nahezu allen Fragen zu Willen ist. Hat man es 2008 noch als Misserfolg verbucht, dass die bis dato allein regierende CSU die Rathausmacht nun mit der SPD teilen muss, kann man jetzt feststellen, dass Schaidinger nichts Besseres hätte passieren können. Schaidinger ist wie ein Krake. Mit langen Armen reißt er alles an sich, Wehren ist sinnlos. Diese Fangarme reichen bis weit in die Zukunft. Schaidinger muss sich verabschieden, aber er wird noch lange weiterregieren. Und die SPD hilft ihm dabei und wird sich auch in Zukunft kaum aus dem Klammergriff lösen können. Wie das geht? Zum einen macht sich Schaidinger nahezu unangreifbar. Er führt die Stadt aus der Schuldenfalle, gibt nicht mehr aus, als er einnehmen kann, bildet Rücklagen, sorgt für eine zufriedene Industrie und damit für überdurchschnittlich viele Arbeitsplätze. Wer will das schon kritisieren? Sicher, an der Schwerpunktsetzung kann man rumkritteln: mehr Geld für die Kultur, ein Sozialticket, mehr Radwege. Aber das ist die Freiheit der Regierenden, nicht alles zur Zufriedenheit der Opposition zu machen. Ein Nachfolger wird es schwer haben, finanziell ähnlich solide zu arbeiten wie Schaidinger. Sobald er Schulden machen muss, wird man vergleichen und feststellen, dass ein OB Schaidinger während der schlimmsten Wirtschafts- und Finanzkrise der Nachkriegszeit sogar noch Schulden abgebaut hat. Er wird der Maßstab bleiben, gegen den ein Nachfolger eigentlich nur verlieren kann, zumindest in Sachen Haushaltskonsolidierung. Zum anderen verewigt sich Schaidinger auf lange Zeit. Was er in dieser Stadtratsperiode an Großprojekten verabschieden ließ und lässt, bindet die finanziellen Mittel für lange Zeit. Eine kleine Schätzung: Das aktuelle Investitionsprogramm (Dauer 2012 bis 2016) ist ein Rekordinvestitionsprogramm, das so schnell nicht mehr übertroffen werden kann. 472 Millionen werden da verbraten. Den größten Teil machen Posten aus, die mehr oder weniger stabil bleiben , tendenziell sogar eher steigen und nicht unbedingt dem politischen Willen unterworfen sind: 84 Millionen für Stadtentwässerung und Kanalerneuerung. Daran lässt sich nicht viel drehen, die Stadt soll ja weder absaufen noch (-)stinken. Örtliche Einrichtungen und Wirtschaftsförderung: 91 Millionen. Wer hier kürzt, muss sich irgendwann anhören, Arbeitsplätze zu gefährden. 32 Millionen für soziale Sicherung, darin enthalten sind knapp 27 Millionen Euro für Kinderbetreuung. Also auch nichts, woran jemand ernsthaft sparen würde. Ebenso wenig an den Schulen, deren Neubau und Sanierung inklusive FOS/BOS mit rund 103 Millionen Euro geführt werden. Und schwupps, hat man 310 Millionen Euro verpulvert, ohne einen politischen Schwerpunkt gesetzt zu haben. Nicht enthalten sind in dieser Rechnung einige Großprojekte, die in den nächsten Jahren umgesetzt werden: Museum der Bayerischen Geschichte: momentan 17 Millionen Euro bis 2018. Haus der Musik: aktuell 16,5 Millionen Euro, die Spekulationen gehen von einer weiteren Kostensteigerung aus. Neubau Frankenbrücke: 16 Millionen Euro, frühestens ab 2016. 359,5 Millionen Euro. Noch ohne die Bereich Bau- und Wohnungswesen und die Standardkosten und Großprojekte aus dem Bereich Verkehr. Da kann man nochmal rund 150 Millionen Euro dazu rechnen, ohne großartig etwas anzetteln zu müssen. Dabei sind einige Maßnahmen sogar noch völlig unberücksichtigt. Beispielsweise der Ausbau der Nordgaustraße mit Sallerner Regenbrücke und Lappersdorfer Kreisel: 29,2 Millionen Euro soll das kosten, wie die aufgeteilt werden, weiß noch keiner so genau. Auch ein RKK steht noch nicht drin, doch daran hält Schaidinger weiter fest. Preis: ungewiss, aber hoch. Sehr hoch, mutmaßlich. Dauer bis zur Fertigstellung: lang, sehr lang möglicherweise. Schaidinger wird es beschließen lassen, bauen und bezahlen wird es jemand anders. Und so hat sich Schaidinger bis weit über seine Amtszeit hinaus die Hoheit über den städtischen Haushalt gesichert. Ein Nachfolger wird seine Vorstellungen umsetzen und finanzieren müssen. Platz für eigene Ideen bleibt da kaum noch. Er wird wahrscheinlich Schulden machen müssen und die Haushaltsbilanz wieder ruinieren. Außerdem wird Schaidinger seinem Nachfolger seinen wichtigsten Mitarbeiter hinterlassen: Maximilian Mittermeier, ehemals persönlicher Referent des Oberbürgermeisters, hat Schaidinger als Leiter des Bereichs Steuerung und Koordination b) so fest installiert, dass man ihn kaum noch loswird. Und wird tatsächlich Joachim Wolbergs der nächste OB, kann er sich nicht mal richtig beschweren, denn er war ja in jeden Entscheidungsprozess eingebunden, seine Fraktion hat immer brav mitgestimmt. Also wäre es doch letztlich nur das, was man selbst ohnehin haben wollte. Oder? Wahrscheinlich dauert es sogar noch länger als im aktuellen Investitionsprogramm geplant, bis alles umgesetzt ist, denn dass die personellen Kapazitäten in der Verwaltung trotz zusätzlicher Stellen nicht ausreichen, um alles abzuarbeiten, ist ebenfalls schon längst bekannt. Das heißt: aufschieben, Haushaltsreste irgendwann später abarbeiten. Beschlossene Investitionen vertagen. Dabei ist Schaidinger sogar so fair und weist seine Getreuen regelmäßig darauf hin, dass es knapp werden könnte. Dass man sich Handlungsspielräume verbaut. Dass man die Folgekosten bedenken muss. Dass die wirtschaftliche Lage auch irgendwann mal wieder schlechter werden könnte und dass man sich nicht zu sehr auf die exportorientierten Gewerbesteuereinnahmen verlassen dürfe. Aber es hört ihm niemand zu. CSU und SPD beschließen weiterhin fröhlich, was ihnen politisch wünschenswert erscheint. Und die Opposition hält fröhlich dagegen. Wenn schon nicht aus sachlichen Gründen, dann wenigstens aus Prinzip. Man mag den Schaidinger einfach nicht besonders. Sicher, eine besonders integrierende Persönlichkeit ist er nicht. Da darf sich der eine oder andere Stadtrat schon hin und wieder eine Ohrfeige einfangen und sich in Ermangelung einer Redegelegenheit im Stadtrat mit einem offenen Brief über ihn beschweren. Er wird es ignorieren, so wie er alles ignoriert, was ihm zu gering erscheint. Dazu muss auch das BayernLB-Debakel gezählt haben; Schaidinger hat nie Verantwortung dafür übernommen, nicht einmal Fahrlässigkeit eingeräumt. Im Verwaltungsrat der BayernLB hat er es von allen damals Beteiligten am längsten ausgehalten; ein Zeichen dafür, dass er von seiner Unschuld überzeugt war. Seine Anerkennung holt er sich anderswo. Außerhalb der Stadt. Im Bayerischen Städtetag zum Beispiel, wo er von 2005 bis 2011 Vorsitzender war. Dort wurde und wird ihm Anerkennung zuteil, auf die er in Regensburg lange warten könnte. Trotzdem ist er der Ewigkeitsbürgermeister von Regensburg. Niemand hat es in der Nachkriegsgeschichte so lange auf dem Oberbürgermeistersessel ausgehalten wie er. Übertroffen wird er nur von Oskar von Stobäus, der 35 Jahre lang Bürgermeister war. Zur Kaiserzeit. Da passt es doch ganz gut, dass Horst Seehofer ihn zu seinem 60. Geburtstag den „Kaiser unter den heimlichen bayerischen Königen“ genannt hat. Von Bianca Haslbeck
Gerhard Weber – kreuzbraver Denunziant
Charme wird ihm nachgesagt. Stadträte quer durch alle Fraktionen loben ihn ob seiner meist korrekten und höflichen Art, Sitzungen zu leiten. Und auf Pressefotos kann kaum einer so nett und freundlich lächeln wie er: Bürgermeister Gerhard Weber. Als Zuständiger für Sport und Schulen erschien Weber über lange Jahre kompetent und handlungsfähig – wenngleich er in Reden schon gerne mal über Fachbegriffe stolpert, die ihm seine Fachleute aus der Verwaltung – vermutlich nicht in böser Absicht – hinein schreiben. Wenn es mal Defizite gibt, versteht Weber es geschickt, diese der Gesamtheit des Stadtrats zuzuschreiben, von dem er doch auch nur ein kleines unbedeutendes Mitglied sei. Gibt es aber Erfolge, etwa beim Ausbau von Schulen und Kinderbetreuungsplätzen, ist Weber ein professioneller Vermarkter in eigener Sache, auch wenn er dabei immer mal mit SPD-Fraktionschef Norbert Hartl aneinandergerät, der von dem Glanz doch auch ein wenig für sich und seine Partei abhaben möchte. Wenn jedoch der Glanz verblasst und Fehler eingestanden werden müssen, geht Gerhard Weber ganz charmant auf Tauchstation. Als am Regensburger Goethe-Gymnasium ruchbar wurde, dass die neugebaute Turnhalle ob Baumängeln und Formaldehyd-Belastung eine nicht nutzbare Schrottimmobilie war, beschäftigte sich Weber zunächst damit, das Ganze unter der Decke zu halten. Nachdem das Ganze doch in die Öffentlichkeit geriet, war vom zuständigen Bürgermeister lange nichts zu hören. Später konnte man immerhin erfahren, dass er, Weber, „stinksauer“ sei und dass an Regensburger Schulen die Devise „Sicherheit zuerst“ gelte. Na ja, vermutlich für die Zukunft. Schließlich fand Weber aber dann doch Zeit, sich dem Goethe-Gymnasium intensiver zu widmen, genauer gesagt: einem einzelnen Lehrer. Der hatte es gewagt, sich in einem Leserbrief öffentlich zu Wort zu melden, sich zu beschweren und eine Entschuldigung von städtischer Seite zu erbitten. Und so setzte sich Weber an seinen Schreibtisch. Nicht um ein Entschuldigungsschreiben aufzusetzen, sondern um ein Geheft an Zeitungsartikeln zusammenzustellen, mit Leuchtmarker zu bearbeiten, an Schulleitung und Kultusministerium zu schicken und dort Disziplinarmaßnahmen zu fordern. Ein Versuch, hier jemanden mundtot zu machen? “Ein abwegiger Vorwurf”, so Weber. Ähnlich verfuhr der Bürgermeister mit einem Hartz IV-Empfänger, der der Stadt ein Konzept für den Schwimmunterricht von Kindern vorgestellt hatte. Es gab ein Modellprojekt, doch am Ende wurde man sich nicht einig. Der Mann ging leer aus und das Konzept landete irgendwie bei einem städtischen Sportverein, der es dann umsetzte. Als das dem Mann etwas spanisch vorkam und er gegenüber Weber hartnäckiger wurde, wandte sich Weber kurzerhand mit einem Schreiben an die ARGE und behauptete dort (fälschlicherweise), der Mann habe ein Jobangebot abgelehnt. Für den Betroffenen hätte das fast eine Kürzung seiner Leistungen zur Folge gehabt. Weber aber hatte seine Ruhe und verweigerte dazu jedwede Stellungnahme gegenüber den Medien. Umso wortgewaltiger warf er sich dagegen für seinen Glauben in die Bresche. Als ein Vater das Kreuz im Schulzimmer seines Sohnes abhängen ließ und Weber zu wissen glaubte, dass es sich dabei um einen Ausländer handelt (was falsch war), verfasste er eine gediegene Pressemitteilung, um zu verkünden, dass man schon mal die Frage stellen müsse, „ob damit nicht das Gastrecht, das wir Ausländerinnen und Ausländern gerne gewähren, überstrapaziert wird“. Weber erhielt eine Anzeige wegen Volksverhetzung und großes Lob von der Rechtsaußen-Postille „Junge Freiheit“, die ihm den Titel „Kreuzritter aus Regensburg“ verlieh. Charmant.
Joachim Wolbergs – das soziale Trotzköpfchen
Irgendwie sieht er richtig nett aus. Er bringt Omi und Opi Blumen vorbei, besorgt bedürftigen Kindern schnell mal ein gebrauchtes Fahrrad und besucht mit Buben und Mädchen aus dem Flüchtlingslager gerne mal die Dult: Bürgermeister Joachim Wolbergs. Er kümmert sich um jene Menschen, „die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen“. So ist es zu hören und zu lesen. Doch kaum einer weiß, dass Regensburg auf solch herzerwärmende Bilder und Nachrichten verzichten müsste, wenn der Hoffnungsträger der SPD nicht einer wäre, der in der Lage ist, Fehler einzugestehen. Das kann er fürwahr. Das tat und tut er häufig. Doch um Fehler eingestehen zu können, muss man sie zunächst einmal machen. Und so begab es sich auch im Jahre 2006, dass Joachim Wolbergs wieder einmal einen schweren Fehler gemacht hatte, der – nicht korrigiert – ungeahnte Folgen für Regensburg hätte haben können. Damals hatte Wolbergs beim vierten und schließlich letzten Bürgerentscheid um eine Stadthalle am Donaumarkt den Prellbock für die CSU gegeben: Gegen die Mehrheit der Regensburger, breite Teile der eigenen Partei und entgegen früherer Aussagen positionierte Wolbergs sich klar für dieses Vorhaben, bedachte die Wortführer der gegnerischen Bürgerinitiative mit allerlei Beschimpfungen – und verlor. Als er dafür von der Partei Kritik und Häme einstecken musste, schmiss Wolbergs nicht nur den Parteivorsitz hin, sondern erklärte auch, dass er als OB-Kandidat nicht mehr zur Verfügung stehe. Doch die Zeit lässt einen Entscheidungen überdenken, und als 40 Tage verstrichen waren, erkannte Wolbergs, dass dies ein Fehler gewesen war. Vor allem für die SPD. Schließlich bedürfe jene des bekanntesten und glaubwürdigsten Kandidaten, der zu bekommen sei, ließ Wolbergs verlauten. Und das sei nun mal er. So erklärte er also den Rücktritt vom Rücktritt, setzte sich trotz Widerstand von Parteichefin Margit Wild und einem Gegenkandidaten Tonio Walter durch, trat für die SPD an, führte diese in eine Regierungskoalition mit der CSU und sich selbst auf einen ganz passablen Bürgermeister-Posten. Es ist das erste Mal, dass einem Wahlkampf, den Joachim Wolbergs verantwortete, solches Glück beschieden war. Der von ihm geleitete Wahlkampf für eine zweite Amtsperiode von Christa Meier 1996 – ein Desaster mit hohen Verlusten. Noch schlimmer kam es sechs Jahre später, dann mit Spitzenkandidat Jochen Wahnschaffe; erneut verlor die SPD. Und auch mit ihm als Spitzenkandidaten („Wolli wählen“) bauten die Sozialdemokraten erneut ab und fuhren 2008 das schlechteste Ergebnis seit dem II. Weltkrieg ein. Allein: Die zerstrittene CSU bescherte der SPD und Wolbergs die Option zur Macht. Diese nutzt man nun seit gut vier Jahren und müht sich redlich. Um genügend Streusalz zum Beispiel, um genügend Stimmen für den städtischen Kulturreferenten oder um eine sauberere Altstadt. Doch Wolbergs, der einst den Satz prägte „Hans Schaidinger ist von zu vielen Ja-Sagern umgeben“, fühlt sich selbst ob seines Engagements – so scheint es – von Feinden regelrecht umzingelt. Ständig ist da wer, der ihm eine mitgeben, ihn vorführen oder anzünden will. Der die Farbe seiner Unterwäsche wissen will oder ihn für „völlig bescheuert“ hält. Da kommt es schon vor, dass man die Contenance verliert und den politischen Gegner in einer Weise Mores lehrt, hinter der ein Hans Schaidinger fast schon altersmilde wirkt. Auf der anderen Seite tut es wohl, ein Strategieteam um sich versammelt zu haben, das bedingungslos hinter einem steht. Eine Fraktion, die nicht widerspricht. Und einen Fraktionschef, der bei Bedarf auch das parteiinterne Austeilen übernimmt, wenn dort das segensreiche Wirken nicht gewürdigt wird. Die einstige Kritik der Parteichefin ist auf dem Weg zur zweiten Landtagsperiode verstummt. Die Mittelbayerische Zeitung hat den SPD-Hoffnungsträger zum Liebling der Massen erkoren, die zerstrittene CSU sucht immer noch verzweifelt nach einem OB-Kandidaten und der eigene Wahlkampf läuft schon seit über einem Jahr auf Hochtouren. Jetzt heißt nur noch ein gutes Jahr durchhalten – Omi und Opi weiter mit Blumen und Sekt beglücken, sich selbst ein wenig besser in den Griff bekommen und Fraktion und Medien weiter auf Linie halten. Auf dass es in Regensburg so weiter geht wie bisher – nur sozialer. Oder netter. Irgendwie.