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Schaidinger im Presseclub

„System Regensburg – das ist eine Frechheit.“ Alt-OB Schaidinger rechnet ab

„Schlussabrechnung“ lautet der Titel einer persönlichen Ehrenrettung, die Alt-Oberbürgermeister Hans Schaidinger kürzlich veröffentlicht hat. Über drei Jahre wurde in der Regensburger Korruptionsaffäre gegen ihn ermittelt – strafrechtlich blieb nichts hängen.

Schwang sich für ein paar Stunden wieder in oberbürgermeisterliche Pose: Hans Schaidinger. Foto: as

„Ich Depp.“ Es ist der einzige Punkt des Abends im Regensburger Presseclub, an dem Alt-Oberbürgermeister Hans Schaidinger (1996 bis 2014) Selbstkritik übt. Freilich ist die nicht ernst gemeint. Das Geld, dass er nach seiner Amtszeit als Berater bei dem Baulöwen Volker Tretzel bekommen habe, hätte er sich schenken lassen sollen, feixt der 75-Jährige. „Aber weil ich dafür gearbeitet habe, musste ich Einkommenssteuer zahlen. Die Schenkungssteuer wäre niedriger gewesen.“

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Doch bei Schaidingers „Schlussabrechnung“, Titel des 160-seitigen, mit vielen Schaidinger-Fotos bebilderten Büchleins, das er im Nachgang zu den Ermittlungen gegen ihn in der Regensburger Korruptionsaffäre herausgebracht hat, geht es allenfalls am Rande um finanzielle Angelegenheiten, wenngleich er doch an einer Stelle beklagt, dass er deswegen Beratermandate und damit Geld verloren habe. „Massive Geschäftsschädigung“ sei das gewesen.

„Verfahrenseinstellung erster Klasse“

Strafrechtlich gesehen aber ist Schaidinger mit Hilfe seiner Rechtsanwältin Annette von Stetten mit einer blütenweißen Weste aus der Sache herausgekommen, in die er 2016/17, so sagt er, „mit reingezogen worden“ sei. Eine Einstellung nach §170, Absatz 2 Strafprozessordnung ist das Beste, was ein Beschuldigter bei einem Ermittlungsverfahren herausholen kann. Eine „Verfahrenseinstellung erster Klasse“ sei das, sagt Schaidinger und wuchert mit diesem Pfund, während er mit Kripo, Staatsanwaltschaft und Medien abrechnet. Aber auch mit früheren Parteifreunden und dem früheren SPD-Fraktionschef, den Schaidinger im Buch bezichtigt, die Geschichte zur Vergabe der Nibelungenkaserne „verdreht“ zu haben.

Anfänglich noch mit leiser Stimme, doch rasch schwingt Schaidinger sich wieder zu dem oberbürgermeisterlichen Gebaren auf, das man in seinen 18 Jahren von ihm kannte und mit dem er unzweifelhaft zum Ausdruck bringt, dass er nicht nur alles, sondern auch alles besser weiß.

Mit der Verfahrenseinstellung habe er amtlich bestätigt, dass es dieses „System Regensburg“, von dem viele Medien so beharrlich geschrieben hätten, zumindest bis zum 30. April 2014, dem Ende seiner Amtszeit, nicht gegeben habe. Etwas anderes zu behaupten, sei „eine Frechheit“.

„Sogenannte Regensburger Korruptionsaffäre“

Doch nicht nur das Ergebnis der Ermittlungen gegen ihn machen den Abend im Presseclub trotz manch kritischer Nachfrage in weiten Teilen zu einem Heimspiel für Schaidinger. Einige ehemalige Weggefährten sind da. Mit der Tochter seines ehemaligen persönlichen Referenten posiert Schaidinger für ein Foto, den Arm lässig um ihre Taille geschwungen. Der ehemalige Chefredakteur der Mittelbayerischen Zeitung stellt dem Alt-OB eine Stimmungsfrage, will wissen, ob es ihn als langjährigen Regensburger nicht ein wenig melancholisch mache, in welches Licht die Stadt mit den Korruptionsermittlungen gerückt worden sei. 

Selbst der ansonsten durchaus nachhakende Moderator, BR-Journalist Sebastian Grosser, scheint gelegentlich etwas eingeschüchtert zu sein. Der erwähnt zwar doch, dass es zahlreiche Verurteilungen gab, spricht aber konsequent von der „sogenannten Regensburger Korruptionsaffäre“, was – mal abseits von Schaidinger betrachtet – angesichts von rechtskräftig festgestellten Delikten wie Bestechung und Bestechlichkeit, Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung, mehrjährigen (zur Bewährung ausgesetzten) Haftstrafen, Geldstrafen in Millionenhöhe und mehr als einem Dutzend Verfahrenseinstellungen mit teils hohen fünfstelligen Geldauflagen recht verharmlosend daherkommt.

Auch Schaidinger äußert sich im weder in seinem Buch noch im Presseclub dazu, wie es denn so kurz nach seiner Amtszeit in Regensburg zu einem der größten kommunalen Korruptionsskandale der Republik kommen konnte. Tatsächlich versteigt er sich an einer Stelle zu der Aussage, dass bei den Verurteilungen in der Korruptionsaffäre das Thema Korruption „nicht im Vordergrund gestanden“ sei.

„Ich bin ein ziemlich harter Kerl.“

Um eine persönliche Verarbeitung der dreieinhalbjährigen Ermittlungen gegen ihn handle es sich bei dem Buch nicht, erklärt Schaidinger. Im Gegensatz zur Familienkatze, die vor den Ermittlern mit Fauchen und gesträubtem Fell geflohen sei, habe er seine insgesamt drei Hausdurchsuchungen „relativ gelassen“ über sich ergehen lassen. „Ich bin ein ziemlich harter Kerl.“ Und seine Schlussabrechnung habe er „nicht mit Emotionen“ geschrieben, sondern „mit einer gewissen Kühle“.

Was ihn nach dem Studium „von rund 6.000 Seiten Ermittlungsakten“ umtreibe, sei die Frage, „in welchem Staat wir eigentlich leben“. Deutschland möge „global gesehen“ ein Rechtsstaat sein, doch bei den Ermittlungen gegen ihn habe er daran erhebliche Zweifel. Zahlreiche Fehler seien da gemacht worden, die nie korrigiert oder von übergeordneten Stellen beseitigt wurden, es sei an zahlreichen Stellen getrickst worden.

Moderiert wurde der Abend von BR-Journalist Sebastian Grosser. Foto: as

Schaidinger berichtet davon, wie die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren kurz vor der ersten Hausdurchsuchung vom Verdacht der Vorteilsannahme zu Bestechlichkeit umstellte, was eben jene Durchsuchung, aber auch eine Telefonüberwachung ermöglichte.

Mehrfach erzählt er davon, wie ein Ermittler Yacht und Flugzeug von Tretzel verwechselte, festgehalten habe, dass ein Ort auf dem spanischen Festland mit besagter Yacht angesteuert worden sei, und dass es ja in Ordnung sei, von Geographie keine Ahnung zu haben, aber dann könne man zumindest Google Maps bemühen. „Es kann nicht sein, dass wir es in unserem Staat aushalten müssen, dass zwei Behörden der Exekutive so arbeiten.“

In der persönlichen Ehre verletzt

Genugtuung? Ja, da sei er mit Blick auf Kripo und Staatsanwaltschaft schon dabei, sagt Schaidinger auf mehrfache Nachfrage von Sebastian Grosser schließlich. Aber dazu habe er auch jedes Recht. Schließlich sei er durch die Vorwürfe in seiner persönlichen Ehre verletzt worden, deren Schutz eines der höchsten grundgesetzlich geschützten Güter sei. Und bei den Medien habe er ganz grundsätzlich vermisst, dass nie jemand geschrieben habe: „Vielleicht ist da gar nichts dran. Der Schaidinger könnte auch unschuldig sein.“

In seinem Buch, bei dem ihn „ein früherer Chefredakteur“ beraten habe, formuliert er das teils noch drastischer. „Von „Fake News“ ist die Rede, von „Phantasiegeschichten“ und „wilden Mythen“. Von angeblichen und tatsächlichen Journalisten. Es sei ihm von einigen Medien „heimgezahlt“ worden, dass diese „während meiner Amtszeit nicht für gewogene Berichterstattung hofiert wurden“.

Mit Blick auf seine rechtskräftig verurteilten Parteifreunde Christian Schlegl und Franz Rieger, die rasch auf Distanz gegangen und im Fall von Rieger die Ehrenbürgerwürde des Alt-OB in Frage gestellt und seinen Parteiausschluss gefordert hatten, lässt Schaidinger wissen, dass die beiden ihm „nicht wichtig genug“ seien, um Genugtuung zu empfinden. Und er schiebt – durchaus mit Genugtuung – nach, dass man Franz Rieger ja nun als „verurteilten Erpresser“ bezeichnen dürfe.

„Völlig normaler Vorgang“ im Feuerbachweg

Mit Blick auf eine Baugenehmigung für seinen alten Freund Peter Schober im Feuerbachweg, bei der Schaidinger sich 2011 eingeschaltet hatte, was ihm weitere Ermittlungen und die dritte Hausdurchsuchung einbrachte, spricht Schaidinger von einem „völlig normalen Vorgang“.

Schober habe ihn angerufen und sich irritiert gezeigt, dass auf dem Grundstück nur eine weniger dichte Bebauung genehmigt worden sei, als in der Nachbarschaft. „Und ich gehe solchen Sachen bei jedem nach, der mich anruft.“ Das sei ein „ständiges Thema“. Dann könne er nicht bei einem Freund sagen, dass er das nicht mache.

Die Behauptung der Stadt, derzufolge er entschieden habe, die am Ende erfolgte dichtere Bebauung zu genehmigen, sei „nachweislich schlicht falsch“. Er habe lediglich empfohlen, das Vorhaben erneut zu prüfen, nichts angewiesen. Und den Vorwurf einer Bevorteilung Schobers wendet er ins Gegenteil: Er habe lediglich seine Pflicht getan und für eine ermessensfehlerfreie Entscheidungen der Verwaltung gesorgt.

Beratervertrag bei Tretzel? „Ich habe viel gemacht.“

Dass in der Öffentlichkeit Vermutungen angestellt worden seien, weil er kurz nach seiner Amtszeit einen lukrativen, mit rund 20.000 Euro monatlich dotierten Beratervertrag beim Bauteam Tretzel angenommen hatte, das davor und danach mit Bauvorhaben in Regensburg Millionengewinne erzielen konnte, das könne er noch ein Stück weit nachvollziehen, sagt Schaidinger. Die Öffentlichkeit wisse eben nicht, dass ein Oberbürgermeister, im Gegensatz zu einem Minister, sofort nach seiner Amtszeit eine solche Tätigkeit aufnehmen dürfe, sofern er dabei keine Dienstgeheimnisse aus seiner Amtszeit verwertet.

Wobei er Tretzel in den gut eineinhalb Jahren seiner Tätigkeit genau beraten hat, das sei Gegenstand privatrechtlicher Verträge. „Ich habe viel gemacht“, sagt Schaidinger nur. Spricht von Parkhäusern und Tätigkeiten in Frankreich, wobei unklar bleibt, ob das mit Tretzel oder einem seiner anderen Beratungsmandate zu tun hatte. Dass Tätigkeit und Honorar in einem angemessenen Verhältnis gestanden seien, dass habe ihm am Ende ein noch nachgeschobenes Steuerstrafverfahren bestätigt. „Das ist amtlich.“ Hätte Schaidinger das Geld nämlich geschenkt bekommen, dann wäre das strafbar gewesen. Womöglich ein Hinweis auf Korruption.

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Kommentare (5)

  • Maria

    |

    Also mich überzeugt das großherrliche Gehabe u Gerede des Herrn Schaidinger nicht. Und bis zur ersten Hausdurchsuchung bei ihm (im Gegensatz zu Wolbergs) hat man sich ja seeehr viel Zeit gelassen… Da kann man gern “relativ gelassen” sein. Als “harten Kerl” muss er sich deshalb nicht gleich schmücken.

  • Bertram

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    Zwischen den Zeilen liest man, dass er bei der nächsten OB Wahl noch mal antreten könnte. Zumal die Altersgrenze gekippt wurde.

  • Mr. T.

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    Unschuldig ist es sicher nicht, was Schaindinger da in einer so dermaßen großen Sicherheit wiegt, dass er sich so weit aus dem Fenster traut.
    Mir kommt’s so vor, als wäre er sich sicherer als es zum Beispiel Amaro Ameise sein kann, nicht in den Korruptionsskandal hineingezogen zu werden.

  • Leser

    |

    Schaidinger weiß alles, und auch alles besser, Echt? Vielleicht was seine OB-Blase angeht.

    Laut Schaidinger gab´s keine Korruption bis Mai 2014?
    Aber:
    Noch unter Schaidinger erpresste sein CSU-Genosse, der Parteivorsitzende Rieger 2013 den Baumagnaten D. für Parteispenden. Das wurde gerichtlich festgestellt.
    Der damalige SPD-Fraktionsvorsitzende H. und sein CSU-Kollege S. haben auch noch unter OB-Schaidinger die Strippen für den Baumagnaten Tretzel gezogen. Beide wurden mussten sich vor Gericht verantworten…

    Wenn Schaidinger sagt, bis zum Ende seiner Amtszeit Mai 2014 habe es das „System Regensburg“, nicht gegeben, lügt er sich in die eigene Tasche.
    Der selbstverständliche Gestus, mit dem Schaidinger auf sein Recht beharrt, nach seiner Amtszeit als Ex-OB für Baufirmen tätig zu werden zu dürfen, lenkt von seinen skandalösen Einkünften ab. So einen höchst lukrativen und jahrelangen Job mit einer monatlichen Vergütung von 20.000€, den Ex-OB Schaidinger von Tretzel bekommen hat, gibt es nicht für alle und jeden. Ehemalige OB´s schon.

    Schaidingers Buch ist eine subjektive Rechtfertigungs- und Propagandaschrift. Warum das Korruptions-System Regensburg nach seiner Amtszeit implodierte, viele verurteilt wurden und all dies so manchen Pressevertreter melancholisch stimmte, solche Fragen interessieren ihn nicht. Stattdessen redet er vom Versagen des Staates, der StA, der unfähigen Kripo, den blutigen Anfängern bei den Untersuchungsrichtern und von fehlender Fehlerkultur der anderen.
    Er selber macht keine Fehler. Das ist die Blase in der H. Schaidinger besserwisserisch irrlichtert.

  • Daniela

    |

    ..’Die Öffentlichkeit wisse eben nicht, dass ein Oberbürgermeister, im Gegensatz zu einem Minister, sofort nach seiner Amtszeit eine solche Tätigkeit aufnehmen dürfe, sofern er dabei keine Dienstgeheimnisse aus seiner Amtszeit verwertet.’…

    Allein schon diese Feststellung amüsiert.

    Man ist nicht mehr Bürgermeister und automatisch löscht irgendwer oder irgendwas sofort alles im Gehirn eines/r Bürgermeisters/in was er/sie während seiner/ihrer Amtszeit an Vertraulichem gehört, gesehen oder gelesen hat?! Sozusagen eine akute retrograde Amnesie nach Amtsende.
    Jetzt interessiert mich irgendwie schon brennend wobei Schaidinger den Tretzel für 20 000 / Monat beraten hat.

    ..’Mit Blick auf seine rechtskräftig verurteilten Parteifreunde Christian Schlegl und Franz Rieger, die rasch auf Distanz gegangen und im Fall von Rieger die Ehrenbürgerwürde des Alt-OB in Frage gestellt und seinen Parteiausschluss gefordert hatten, lässt Schaidinger wissen, dass die beiden ihm „nicht wichtig genug“ seien, um Genugtuung zu empfinden. Und er schiebt – durchaus mit Genugtuung – nach, dass man Franz Rieger ja nun als „verurteilten Erpresser“ bezeichnen dürfe.’…

    Achja, die ‘gefallenen ‘ Parteifreunde von einst. Während früheren Wahlkämpfen standen die auf der Straße bei Wind und Wetter, damit er der Bürgermeister wird und bliebe …., aber die waren ja “nicht wichtig genug”, arm, ärmer, am ärmsten.

    Was für eine Selbstdarstellung und eine Selbstwahrnehmung?

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