Student wegen Vergewaltigung verurteilt
Ein 21-jähriger Student wurde am Donnerstag vom Amtsgericht Regensburg zu drei Jahren Haft verurteilt, weil er im Frühjahr 2019 seine Ex-Freundin vergewaltigt hat. Wie so häufig in ähnlichen Konstellationen gab es keine Zeugen und es stand Aussage gegen Aussage. Das Gericht war trotzdem von seiner Schuld überzeugt.
„Wie kann man einen Menschen so behandeln?… hast mich behandelt wie eine Nutte… wie egoistisch und krank kann ein Mensch sein?… siehst mich wie ein Stück Scheiße, bist in mich eingedrungen. Such dir bitte Hilfe, ich wünsche niemandem so behandelt zu werden. Ich habe geheult wie nochmal was… Bin nur ein scheiß Objekt für dich zum Ficken; ich bin zu dir gekommen, um zu helfen nicht um gefickt zu werden“.
Es sind Auszüge einer langen Chatnachricht, die Regina D. (Name geändert) zwei Tage nach der Nacht vom 15. Mai 2019 ihrem damaligen Ex-Freund geschrieben hat. Er antwortete unter anderem: „Das einzige, was ich mir eingestehe, ist, dass es ein bisschen zu weit ging.“
Aussage gegen Aussage
Die Chatnachrichten werden am Donnerstag vor dem Jugendschöffengericht des Amtsgerichts Regensburg von Richter Christian Ehrl verlesen. Auf der Anklagebank sitzt der heute 21-jährige Ex-Freund Gabriel S. Der Vorwurf lautet Vergewaltigung. Wie so häufig in ähnlichen Situationen gibt es keine unmittelbaren Zeugen, sondern nur Täter und Opfer. Aussage gegen Aussage.
Regina D. wirft S. vor, sie in der besagten Nacht vergewaltigt zu haben. Die beiden führten in der Vergangenheit eine Beziehung, die in die Brüche ging. Ab November 2018 näherten sich beide wieder an und führten eine Art On-Off-Beziehung. In der Nacht vom 14. auf den 15. Mai 2019 kam sie auf seinen Wunsch hin zu ihm in sein Regensburger Studentenappartement.
Gegen erkennbaren Willen
Beide waren wohl betrunken. Sie redeten, zogen sich aus und küssten sich. Er verlangte Geschlechtsverkehr. Sie sagte mehrmals und deutlich „Nein“. Er drehte sie dennoch auf den Bauch und penetrierte sie gegen ihren erkennbaren Willen. Sie habe dabei auch geweint, gab sie später gegenüber der Kriminalpolizei an. Im Anschluss sei sie für längere Zeit ins Bad gegangen und habe dann bis morgens neben ihm im Bett geschlafen.
So stellt sich das Geschehen in der Anklageschrift und Angaben D.s gegenüber der Polizei dar. Ihre Aussage im Prozess, in dem sie als Nebenklägerin auftritt, findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Auch die Plädoyers sind nicht öffentlich. Angezeigt hat D. den BWL-Stundeten erst knapp ein halbes Jahr nach der Tat. Damals gab es einen weiteren Vorfall zwischen den beiden, bei dem die Studentin verletzt wurde. Im Zuge dessen informierte sie die Polizei auch über die Vergewaltigung.
Angeklagter bestreitet Tat
Gabriel S. lässt seinen Anwalt Alexander Greithaner den Ablauf anders schildern. Die Darstellung in der Anklageschrift werde „bestritten“ und „als unzutreffend deklariert“. S. sei zuvor auf der Dult gewesen und habe nach seinem Heimkommen gegen 2 Uhr morgens D. zu ihm gebeten, weil er sich alleine fühlte. Eine Stunde später sei sie gekommen. Das Ausziehen und die Küsse bestätigt S. und berichtet zudem auch von einvernehmlichen Oralverkehr. Penetriert habe er sie auf ihren Wunsch hin zunächst nicht. Nach einem längeren Gespräch habe sie dazu jedoch einwilligt.
Auch auf den Chat an den Folgetagen geht die Verteidigererklärung ein. Der Satz „dass es ein bisschen zu weit ging“, sei nicht auf eine vermeintliche Vergewaltigung bezogen, sondern darauf, dass er sich bei ihr melde, wenn es ihm schlecht gehe. Das sei eine Art des Ausnutzens, weil er weiß, dass sie sie komme, wenn er das wünsche.
Chatnachrichten liefern bedeutende Erkenntnisse
Diese Auslegung überzeugt Richter Ehrl überhaupt nicht. Der Versuch, diese Chatnachricht ganz ohne das Geschehen erklären zu wollen, sei „kläglich, kurz vor lächerlich“. Das Gericht habe „nicht den geringsten Zweifel“, dass S. seine Ex-Freundin vergewaltigt hat.
Ein wichtiger Baustein für diese Beurteilung dürfte auch ein Chatverlauf D.s mit ihrer besten Freundin gewesen sein, der ebenfalls verlesen wird. Bereits kurz nach der Tat schrieb sie der Freundin und schilderte die Vergewaltigung detailliert. Später bemerkte sie gegenüber der Vertrauten auch, dass sie den Begriff „vergewaltigen“ eigentlich hasse und man mit einem entsprechenden Vorwurf auch vorsichtig sein müsse. Allerdings habe sie selbst zunächst versucht sich die Tat schönzureden. Aus Verbundenheit zum Täter. Doch es sei eine Vergewaltigung gewesen. Sie fühle sich „wie enthauptet“ und ekele sich vor sich selbst, so D.
Verteidiger will Opfer als promiskuitiv und lasziv bloßstellen
Das Gericht stellt eine Machtgefälle der beiden Ex-Partner und eine asymmetrische Beziehung fest. Es sei eine „Abhängigkeitsbeziehung“ gewesen, so Ehrl. D. wollte von ihrem (Ex-)Freund stets mehr. Er jedoch meldete sich bei ihr, wenn es ihm schlecht ging und nutzte ihre Zuneigung entsprechend aus.
Versuche von Verteidiger Greithaner, die Geschädigte als promiskuitiv und lasziv darzustellen und dadurch ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern, schlagen völlig fehl. So fragt der Anwalt etwa die beste Freundin, ob sie Regina D. auch schon mal im Fernsehen gesehen habe und wie diese dort teilweise gekleidet sei. Im Bikini etwa? Ob sie da auch sexuelle Kontakte hätte? Hintergrund: D. ist Teilnehmerin in einer Reality-Trashsendung auf RTL.
Drei Jahre Jugendstrafe ohne Bewährung gibt es am Schluss für den Angeklagten. Bewährung sei bei dieser Tat sowie ohne Geständnis und Reue „undenkbar“, so Richter Ehrl. Wie die MZ berichtet, kündigte Greithaner bereits an, in Berufung gegen das Urteil gehen zu wollen. Wie Reaktionen im Gerichtssaal nahelegen, halten enge Verwandte des Verurteilten D. für eine Lügnerin. Das Amtsgericht Regensburg nicht.
Solitär
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Allein die Tatsache auf eine Person lange einreden zu müssen, um Sex mit ihr zu haben, ist ein Zeichen dafür, dass die andere Person halt nicht will. Da gibt es keine Überzeugungsarbeit: Nein heißt Nein und Ja heißt Ja!
Dass es da eine konsequente Strafe gibt, finde ich nur richtig.
Und ich finde es auch gut, dass hier in der Form darüber berichtet wird. Da gibt es dann wenig Zweifel, ob nicht doch… Oder so.
Danke dafür!
R.G.
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Für die hier mitlesenden Verwandten und Freunde des Verurteilten,!
Darf man sich in Deutschland an einer Frau, wenn sie sich anderswo mal freizügig gekleidet zeigte, trotz ihres Nein, sexuell betätigen?:
Antwort: NEIN!
Angenommen eine Frau hätte einen Mann angezogen oder nackt geküsst. Sie sagt danach ein Nein zu Geschlechtsverkehr. Darf ihr Partner dann trotzdem weiter gehen?:
Antwort: NEIN!
Kann man verlangen, dass ein Mensch in der Erregung auf ein “Stopp” oder “Nein” hört?
Antwort: JA, absolut. Wer dazu nicht fähig ist, darf sich nicht auf Geschlechtsverkehr einlassen!
Was kann ein erregter Junge tun, wenn er meint, seinen Körper nicht mehr stoppen zu können, trotz des Nein?
Antwort: Aufstehen und ins Badezimmer gehen! Bevor der Raum – abgekühlt – wieder betreten wird, nochmals das Nein bewusst machen!
@Martin Oswald
Danke für den Bericht aus dem Gericht!
Matz
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Ich möchte mich dem Kommentar von Solitär vollkommen anschließen, denn genau darum geht es doch: “Allein die Tatsache auf eine Person lange einreden zu müssen, um Sex mit ihr zu haben, ist ein Zeichen dafür, dass die andere Person halt nicht will.”
Danke für die Verdeutlichung an dieser Stelle!
Und für mich interessant war auch die Tatsache das der Chatverlauf mit der Freundin so stark gewertet wurde. Ich denke das kann vielleicht ein Tipp für Menschen sein die in eine ähnliche Situation geraten, aber sich nicht gleich trauen zur Polizei zu gehen: den Vorfall so genau wie möglich zu dokumentieren, z.B. in einem Chat mit Freunden.
Solitär
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@Günther Herzig
„Kein schöner Fall. Dass es Männer gibt, die Gewalt anwenden, ist bekannt. Das sollte eine Frau auch richtig einschätzen können. Bedauerlicher Weise können es viele nicht.“
Sie wollen hier jetzt aber nicht allen ernstes Frauen die (Mit-)Schuld daran geben, wenn sie Opfer partnerschaftliche Gewalt oder gar Gewalt allgemein werden, oder?
Das ist schon Teil des Problems, dass wir jungen Mädchen und Frauen beibringen vorsichtig zu sein und nicht jungen und erwachsenen Männern ihr Verhalten zu reflektieren. Was macht das mit den Frauen und deren Welt, wenn potentielle Gefahr zum Alltag gehört, weil ‘Männer halt so sind’ (wie Herr Herzig hier zumindest teilweise unterstellt)? Aber es ist natürlich einfach das ganze auf den einen gewalttätigen Typen zu projizieren und nicht anzuerkennen, dass die häufigsten sexuellen und gewalttätigen Übergriffe gegen Frauen im Nahfeld (Zuhause, Famiele, Freunde) stattfinden und nicht im Park oder von irgendwelchen Fremden ausgeht. Wenn sich daran nix ändert helfen so abgehalfterte Lippenbekenntnisse wie „Unabhängig davon ist jegliche Gewalt, auch psychische, ein Tabu“ auch nix und verschleiern das Problem nur.
I’m so sick of it…