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Bizarre Zahlen, Fragen und Widersprüche

Steuergelder im sechstelligen Bereich verschleudert? Jahrelange Nachlässigkeit bei Regierung der Oberpfalz

Nicht geeichte Zähler, die keinen interessierten, überhöhte Rechnungen und Zahlen, die hinten und vorne nicht zusammenpassen: Für Wärmelieferungen an eine Flüchtlingsunterkunft hat die Regierung der Oberpfalz offenbar viel zu viel bezahlt. Im Feuer steht eine sechsstellige Summe. Ob man das Geld zurückbekommt, bleibt unklar. Die nachträgliche Kontrolle der Regierung ist geprägt von Ahnungslosigkeit und Desinteresse.

Gilt als Vorzeigeobjekt: die Flüchtlingsunterkunft in Nittenau. Foto: as

Bei den Wärmelieferungen für eine Flüchtlingsunterkunft ging man bei der Regierung der Oberpfalz eher lässig mit öffentlichen Geldern um. Foto: Archiv/as

Sechs Jahre. So lange scheint es bei der Regierung der Oberpfalz niemanden gestört zu haben, dass die anfallenden Wärmekosten für eine Flüchtlingsunterkunft auffällig hoch waren und auch nicht daran, dass nicht einmal ein geeichter Zähler vorhanden war, um die tatsächliche Wärmelieferung zu überprüfen. Wie hoch der entstandene Schaden ist – bezahlt von öffentlichen Geldern – bleibt unklar. Es dürfte um etwa eine Viertelmillion Euro gehen.

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Dabei bleibt selbst nach einer Überprüfung, die nun größtenteils abgeschlossen ist, offen, ob der Profiteur dieser Nachlässigkeit irgendetwas davon wird zurückzahlen müssen. Es laufen Verhandlungen für eine gütliche Einigung, heißt es von der Pressestelle der Regierung, die sich ansonsten weitgehend bedeckt hält. Es geht um die Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete in Nittenau, 2016 errichtet von der Fechter-Unternehmensgruppe (FeBau & ACM GmbH Hohenwarth), deren Gesellschafter Roland Fechter derzeit das barocke Wasserschloss Pürkelgut in Regensburg saniert

Sechs Jahre lange keine geeichten Zähler

In der Nittenauer Unterkunft leben, je nach Auslastung, zwischen 150 und 200 Menschen. Im Sommer 2021 wurde die als öffentlich gefördertes Energieeffizienzhaus 55 errichtete Immobilie, beheizt mit Biomasse, für 6,5 Millionen Euro an ein Grünwalder Immobilienunternehmen verkauft. Wärmelieferant aber blieb weiter die Fechter-Gruppe, die direkt nebenan eine Holzvergaseranlage mit nachgeschaltetem Blockheizkraftwerk betreibt.

Die dabei erzeugte elektrische Energie wird gegen Vergütung als Ökostrom ins öffentliche Netz eingespeist. Die Regierung der Oberpfalz bezieht als Betreiberin der Sammelunterkunft in Nittenau die dabei anfallende Wärme für Heizung und Warmwassererzeugung – und hier gibt es Ungereimtheiten, mit denen die Regierung erstaunlich lässig umzugehen scheint.

Bereits seit Ende 2022 läuft die Überprüfung der seit 2016 in Rechnung gestellten Kosten (laut Unterlagen jährlich weit über 100.000 Euro), denen eine falsche Messung zugrunde liegen soll. Grundsätzliches Problem bei den Abrechnungen: von Anfang wurde dafür ein falsch positionierter, nicht zugänglicher und nicht geeichter Wärmemengenzähler verwendet, wie die Pressestelle der Regierung einräumt.

Doppelte Wärmemengen verrechnet?

Um verlässliche Daten zu erhalten, mussten also zunächst geeichte Wärmemengenzähler an korrekten Positionen nachgerüstet werden. Eigentlich ist das eine Selbstverständlichkeit und auch gesetzlich vorgeschrieben, doch sechs Jahre lang scheint das niemandem aufgefallen zu sein.

Von März 2023 bis Ende Februar 2024 wurde nun mit geeichten Zählern gemessen und jetzt liegen Daten vor, die so gar nicht zu den Rechnungen der zurückliegenden Jahre passen und auch sonst einige Fragen aufwerfen.

Von März 2023 bis Ende Februar 2024 wurden laut der Regierung der Oberpfalz, gemessen über den geeichten Zähler, 978,7 Megawattstunden Wärmeenergie an die Gemeinschaftsunterkunft geliefert. Im Jahr 2018 wurde aber fast die doppelte Energiemenge – 1.890 Megawattstunden (MWh) – in Rechnung gestellt als während des Überprüfungszeitraums – und auch anstandslos bezahlt. Bemerkenswert: damals lebten weniger Menschen in der Unterkunft als aktuell.

Anlage kann die angebliche gelieferte Energie gar nicht erzeugen

Völlig unklar bleibt, wie die Fechter-Unternehmensgruppe mit ihrer Holzvergaseranlage in Nittenau die angeblich aktuell gelieferten 978 MWh Wärmeenergie überhaupt erzeugen konnte, denn das gibt diese Anlage eigentlich nicht her.

Laut den öffentlich zugänglichen Daten verfügt diese lediglich über eine thermische Nutzleistung von 90 Kilowatt. Das bedeutet: Selbst, wenn diese Anlage 365 Tage im Jahr ohne Unterbrechung laufen würde, könnte sie maximal rund 788 Megawattstunden (MWh) Wärme erzeugen, also weder die aktuell gemessenen 978 MWh und keinesfalls die in der Vergangenheit anstandslos bezahlte, angeblich gelieferte Menge von 1.890 MWh für 2018.

Liefervertrag wurde nun gekündigt

Wir haben mehrfach bei der Regierung der Oberpfalz zu diesen großen, physikalisch und technisch unerklärlichen Diskrepanzen nachgefragt. Eine schlüssige Antwort erhalten wir nicht. Auch die Grünwalder Immobilien AG, welche die Unterkunft 2021 gekauft hat und seitdem im Auftrag der Regierung betreibt, macht dazu keine Angaben – „wegen dem Datenschutz“.

Unmittelbar hinter der Flüchtlingsunterkunft befindet sich in diesem Gebäude das Blockheizkraftwerk der Fechter-Gruppe.

Die „Kosten der Heizungsenergie“ seien „in einem gesonderten Vertrag zwischen Regierung und Betreiber geregelt“, in man „keinen Einblick“ habe, heißt es lediglich. Im Übrigen habe man den Vertrag zur Wärmelieferung mit der Fechter-Gruppe gekündigt – „im gegenseitigen Einvernehmen“.

Experte: Daten sind „fragwürdig und passen nicht zusammen“.

Wir haben die vorliegenden Daten Professor Dr.-Ing. Christian Rechenauer vorgelegt. Er lehrt an der OTH Regensburg Energie- und Versorgungstechnik und ist mit der Versorgung von Wohnanlagen mit regenerativen Energieträgern und mit Blockheizkraftwerken, die von Holzvergasern gespeist werden, vertraut. So war er etwa auch an dem prämierten Regensburger Forschungsprojekt RENARHIS beteiligt, das den Einsatz dieser Technik in einer Regensburger Wohnanlage untersuchte.

Rechenauer beurteilt den Einsatz einer Holzvergaseranlage „für eine derartig gut isolierte Sammelunterkunft“ dieser Größe wie in Nittenau als „sicher ungünstig“. Wir haben die Energiedaten, die uns die Pressestelle der Regierung zur Verfügung gestellt hat an Rechenauer weitergeleitet. Diese seien „tatsächlich fragwürdig und passen nicht zusammen“, schreibt er uns.

Wärmebedarf erscheint „sehr hoch“

Auch die 978,7 Megawattstunden an Wärmeenergie, die im aktuellen Messzeitraum geliefert worden sein sollen, machen Rechenauer stutzig. „Der Wärmebedarf allein für die Beheizung“ (472 Mwh) sei für einen Neubau dieser Größe und mit dieser energiesparenden Bauweise „sehr hoch“, so der Experte. Der Bedarf für die Warmwasserbereitung (502,9 MWh) erscheint ihm ebenfalls „tatsächlich sehr hoch“.

Wir haben die Regierung der Oberpfalz mit dieser – vorsichtig formuliert – ungünstigen Einschätzung von Professor Rechenauer konfrontiert und erneut auf eine Beantwortung unserer Fragen gedrängt. Die Auskunft, die wir daraufhin erhalten, wirft mehr Fragen auf, als sie beantwortet.

Warmwasserverbrauch um das 14-Fache überhöht

Demnach soll die verbrauchte Warmwassermenge zwischen März 2024 und Ende Februar 2024 „laut geeichtem Wasserzähler rund 42.000 Kubikmeter“ betragen haben.

Zur Einordnung: Ein Blick in ein Handbuch für Gebäudetechnik (oder in die eigenen Wasserabrechnungen) ergibt einen durchschnittlichen Warmwasserverbrauch von weniger als 40 Liter pro Tag und Person. Die 200 in Nittenau untergebrachten Personen würden demnach einen Jahresverbrauch von etwa 2.900 Kubikmeter Warmwasser erwarten lassen. Die von der Regierung angegebene Menge von 42.000 Kubikmeter übersteigt diesen Wert aber um mehr als das 14-Fache.

Regierung der Oberpfalz hat keine Ahnung von „technischen Details“

Eine erneute Nachfrage unserer Redaktion angesichts dieser unrealistischen Mengenangabe, quittierte man bei der Pressestelle mit: „technische Details sind der Regierung der Oberpfalz als Mieterin nicht bekannt.“ Ein erstaunliches Desinteresse angesichts der Ankündigung, dass man die Lieferungen und Rechnungen in der Vergangenheit ernsthaft überprüfen wollte.

Das Blockheizkraftwerk zur Wärmelieferung wurde offenbar auch als Tankstelle für Elektroautos genutzt.

Das wäre angesichts solcher Zahlen auch dringend nötig.

Die Energie, die man nämlich benötigen würde, um besagte 42.000 Kubikmeter Warmwasser mit einer Temperatur von 60°C zu erzeugen, läge laut einer einfachen Überschlagsrechnung aus der Heizkostenverordnung wiederum bei 5.200 MWh, während Fechter, ebenfalls laut Angaben der Regierung, lediglich 502,9 MWh für diese Warmwassererzeugung geliefert hat – weniger als zehn Prozent dessen, was nötig wäre.

Bizarre Zahlen, keine Stellungnahme

Geht man gemäß üblicher Verbrauchswerte der Literatur davon aus, dass das Warmwasser etwa ein Viertel des gesamten jährlichen Wasserverbrauchs ausmacht, ergäbe sich daraus eine unglaubliche Gesamtmenge von 168.000 Kubikmetern Wasser, die pro Jahr verbraucht wurden. Eine unserer Redaktion vorliegende ältere Nebenkostenabrechnung der Gemeinschaftsunterkunft hingegen weist (für ca. 140 Personen) einen plausiblen Gesamt-Jahresverbrauch aus: rund 9.000 Kubikmeter Wasser.

Zu all diesen Ungereimtheiten, den Zahlen, die nicht zusammenpassen und auch bei einem Experten wie Professor Rechenauer für Fragezeichen sorgen, nimmt die Regierung der Oberpfalz keine Stellung. Ebenso wenig dazu, ob und in welcher Höhe die Fechter-Gruppe zu viel bezahlte Wärmekosten zurückerstatten muss – wie bereits erwähnt, dürfte es dabei um etwa eine Viertelmillion Euro gehen, bezahlt aus Steuergeldern.

Trotz Vertrag: Profiteur glaubt nicht, dass er etwas zurückzahlen muss

Laut der Pressestelle habe man sich eine solche Rückerstattung zwar vertraglich zusichern lassen. Roland Fechter erklärt gegenüber unserer Redaktion allerdings telefonisch, dass er nicht glaube, dass er etwas zurückzahlen müsse.

Eine detaillierte schriftliche Anfrage unserer Redaktion beantwortet Fechter nicht. Stattdessen empfiehlt er uns, doch mal über etwas „Neues und Nettes“ zu berichten – zum Beispiel über das Wasserschloss Pürkelgut, in dessen Sanierung der schillernde Tierarzt nach eigenen Angaben einen zweistelligen Millionenbetrag investiert, den er, so Fechter gegenüber der Regensburger Zeitung, vorfinanziere.


Kommentar: Es riecht nach Untreue

Von Stefan Aigner

Die Regierung der Oberpfalz mauert oder gibt sich ahnungslos. Trotz offensichtlicher Ungereimtheiten, bizarrer Zahlen und einer sechsstelligen Summe an Steuergeldern, die man möglicherweise sehenden Auges hier verschleudert hat. Es ist ein auffallend nachlässiger, um nicht zu sagen wohlwollender Umgang, den man mit dem Wärmelieferanten Roland Fechter pflegt.

Das fängt bei der Anmietung der Flüchtlingsunterkunft an, deren Vertrag man noch auf zehn Jahre verlängerte, kurz bevor Fechter diese zu einem lukrativen Preis an eine Grünwalder Immobilien AG verkaufte, reicht darüber, dass man jahrelang darauf verzichtete, vorgeschriebene geeichte Wärmezähler einzubauen und hört bei der nun durchgeführten nachlässigen Überprüfung der zurückliegenden Rechnungen noch längst nicht auf, wo man angesichts bizarrer Zahlen auf Betreiber Fechter verweist anstatt das zu tun, wozu die Regierung gesetzlich verpflichtet wäre – einen sorgsamen Umgang mit dem Steuergeld der Bürgerinnen und Bürger.

Spätestens wenn sich herausstellen sollte, dass aus der angeblich vertraglich vereinbarten Rückerstattung überhöhter Rechnungen nichts wird, sollte sich die Staatsanwaltschaft einschalten. 


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Kommentare (2)

  • Mr. B.

    |

    Der Verdacht, daß Steuergelder gerne, auch unnötig ausgegeben werden, liegt nahe.
    Kennt man sich?
    Die Regierung zeigt sich hier ja fast gehemmt handlungsunfähig.
    Schöner Bericht von RD.

  • Stanzel Werner

    |

    Hier wäre ein mehr an Bürokratie die ihren Job macht dringend erforderlich.
    Ist schon erstaunlich wie unfähig, schlimmeres will ich nicht unterstellen unsere Verwaltungen mittlerweile sind.
    #Fachkräftemangel

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