Sterben unter Verschwiegenheitspflicht
Annähernd die Hälfte aller Verstorbenen in der Covid 19-Pandemie stammt – nicht nur in Bayern – aus Alten- und Pflegeheimen. In vielen Orten sind diese Einrichtungen Hotspots. Zehn bayerische Städte und Kreise dominieren die bundesweite Statistik der relativen Todeszahlen. Dabei überragen einige das vielgescholtene Schweden bei diesen Zahlen deutlich. Doch anders als in Schweden findet in Bayern und Deutschland darüber so gut wie keine Debatte statt. Eine Problembeschreibung.
„COVID-19-bedingte Ausbrüche in Alters- und Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern werden weiterhin berichtet. In einigen dieser Ausbrüche ist die Zahl der Verstorbenen vergleichsweise hoch.“ Mit dieser immer gleichlautenden Formel konstatieren die Lageberichte des Robert-Koch-Instituts (RKI) seit Anfang April 2020 das Sterben in Heimen. Dieses Sterben dauert vielerorts bis heute an, trotz eines strikten Besucherverbots, das zum Schutz der Alten und Pflegebedürftigen verhängt wurde. Dass die Schutzkonzepte in der Altenpflege gelinde gesagt nicht wie gewünscht wirkten, das sprechen die RKI-Lageberichte nicht aus, sie deuten es nur an. Eine Analyse steht aus.
Da auch in den Altenheimen anderer Länder die Zahl der Verstorbenen vergleichsweise hoch und regional wiederum sehr unterschiedlich ist, stellt sich die Frage, woran dies liegt, wie die COVID-19 bedingten Sterbefallzahlen in Altenheimen verglichen werden können, wo die Cluster und Hotspots zu finden sind. Eine momentane Problemskizze.
Schutzausrüstung: “Kein Mensch hat an die Altenpflege gedacht.”
„In der Altenpflege haben die Schutzkonzepte komplett versagt. Sowohl beim Personal als auch bei den Besuchern“. Diese niederschmetternde Bilanz zog kein geringerer als der Präsident des Weltärztebundes Frank Ulrich Montgomery (67). In einem Zeitungsinterview Ende Mai beklagte Montgomery, dass die Politik lange Zeit nur daran gedacht habe, „dass wir Masken und Kittel für die Krankenhäuser brauchen“. Kein Mensch habe an die Altenpflege gedacht. Darüber hinaus forderte Montgomery flächendeckende Corona-Tests nicht nur für Senioreneinrichtungen, sondern auch für Flüchtlingsunterkünfte.
Montgomery, selber Mediziner und viele Jahre lang auch Präsident der Bundesärztekammer, propagiert zudem eine Zwangsimpfung gegen den Corona-Virus, wenn irgendwann ein verlässlicher und geprüfter Impfstoff vorhanden sei. Auf diesem Wege könnte man dann, so Montgomery, indirekt auch Alte und Vorerkrankte vor Ansteckungen und COVID-19 Erkrankungen schützen.
Realistische Einschätzungen von unabhängigen Experten gehen indes davon aus, dass ein sicher wirksamer und verträglicher Impfstoff, wenn überhaupt, frühestens Ende 2021 für die breite Masse zur Verfügung stehen könnte. Ob Alte und Vorerkrankte bis zu diesem Zeitpunkt weiter isoliert bleiben sollen, nie mehr draußen spazierengehen dürfen, sprich weiter wesentlicher Freiheitsrechte beraubt werden, darüber äußerte sich der ehemalige Vorsitzende des Marburger Ärztebunds Montgomery nicht. Er setzt auf einen wirksamen Impfstoff, der vielleicht irgendwann kommt.
In Deutschland findet keine Debatte statt
Bezeichnenderweise löste Montgomerys scharfes Urteil bezüglich der Altenpflege weder in der von ihm kritisierten Politik noch bei Epidemiologen oder etwa bei Gesundheitsämtern eine nennenswerte Reaktion aus. Weder bekam der Weltärztechef Zustimmung, noch wurden die gemeinhin als wirkungsvoll geltenden deutschen Anti-Corona-Konzepte verteidigt. Dies liegt offenkundig daran, dass es in Deutschland, anders als etwa in Schweden, keine Debatte gibt um die vielen Alten und Pflegebedürftigen, die an und mit einer COVID-19-Infektion gestorben sind. Stattdessen wird weitestgehend hingenommen oder ignoriert, dass in Heimen wohnende und betreute Menschen auch nach den leichten Lockerungen im Besuchsverbot bis heute in ihren Einrichtungen weitestgehend isoliert verwahrt werden und diese, wie in einem Regensburger Heim, nicht einmal zum Spaziergang nach draußen dürfen.
Der SZ-Kommentar „Sinn und Seuche“ zum Pfingstwochenende, der sich gesellschaftspolitisch kluge Gedanken über die Corona-Pandemie macht, ist für diese Ignoranz symptomatisch: Er kommt ohne jegliche Erwähnung von Alten- und Seniorenheimen aus. Weder spricht der Autor von deren Grundrechtsbeschränkungen noch über deren hohen Anteil an den COVID-19-Toten.
Zentrale Bedeutung der Toten in Heimen
An den Todesfällen in italienischen und schwedischen Altenheimen sind die großen deutschen Tageszeitungen und staatlichen Sender schon eher interessiert. Doch wie ist die Situation in anderen Ländern (hier geht es zur generellen Liste Cases and mortality by country der Johns Hopkins University), wie kann man aussagekräftige Vergleiche anstellen? Internationale Vergleiche sind derzeit nur schwer und unter Vorbehalt anzustellen. Vor allem weil die Todesfälle, die in Verbindung mit einer COVID-19-Infektion aufgetreten sind, unterschiedlich und teilweise gar nicht registriert werden.
Nach einer fortlaufenden Studie eines englischen Forscherteams (hier zu den Zwischenergebnissen) zeichnet sich aber ab, dass der Anteil der Toten aus Alten- und Pflegeheime in vielen europäischen Ländern zwischen 40 und 60 Prozent liegt. So beträgt ihr Anteil in Österreich etwa 41 Prozent, 49 Prozent in Schweden, 51 Prozent in Frankreich und Belgien und 62 Prozent in Irland (Stand Ende Mai 2020). Schon dieser kurze internationale Überblick zeigt eindrücklich, dass den Verstorbenen aus Alten- und Pflegeheimen bei der Analyse der COVID-19-Todesfälle eine zentrale Bedeutung zukommt.
Fast 30 Prozent der Meldungen sind unvollständig
Will man für Deutschland genaue Zahlen für an/mit COVID-19-Infektion Verstorbene aus Alten- und Pflegeheimen angeben, muss man auf die immer noch unvollständigen Angaben des Robert-Koch-Instituts zurückgreifen. Denn, obwohl nach dem gültigen Infektionsschutzgesetz (IfSG) bei jedem zu meldenden COVID-19-Fall zusätzlich mitgeteilt werden muss, ob die infizierte oder verstorbene Person beispielsweise in einem Pflegeheim, einem Gefängnis oder einer Asylunterkunft (sog. „Massenunterkünfte“ nach § 36 IfSG) untergebracht oder tätig war, fehlt bei fast 30 Prozent der amtlich registrierten COVID-19-Fälle eben diese Zusatzinformation. Von daher spricht das RKI in diesem Zusammenhang von „Mindestangaben“.
Die seit Ende April vom RKI regelmäßig veröffentlichten Zahlen für COVID-19-Tote aus Altenheimen liegen also weit unter den tatsächlichen Verhältnissen. Altenheime haben laut RKI, wie Flüchtlings- und andere Massenunterkünfte, eine „besondere Relevanz für die Transmission von Infektionskrankheiten“. Sprich, das Risiko sich dort anzustecken und das sich daraufhin möglicherweise ausbreitende Infektionsgeschehen sind überaus groß.
Etwa die Hälfte der Toten stammt aus Heimen
Ältere und vorerkrankte Menschen stellen einen Großteil der COVID-19-Toten, laut RKI sind rund 86 Prozent der an/mit einer Infektionen Verstorbenen 70 Jahre und älter. Laut RKI-Lagebericht von Ende Mai 2020 stammen über 38 Prozent der 8.489 COVID-19-Toten aus deutschen Alten- und Pflegeheimen. Ob sich die Verstorbenen dort auch infiziert haben, darüber geben die RKI-Zahlen keine Auskunft. Lässt man die relativ wenigen Toten aus Asylunterkünften und Justizanstalten, die auch unter §36 IfSG registriert werden, hier unberücksichtigt (hierzu folgt ein eigener Artikel), und rechnet die unvollständigen §36-Meldungen (wie erwähnt knapp 30 Prozent) überschlägig hinzu, waren etwa die Hälfte der deutschen COVID-19-Toten zuvor in Alten- und Pflegeheimen untergebracht.
Für die bayerischen Corona-Daten ist das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zuständig. Nach Auskunft des LGL gibt es in ganz Bayern mindestens 4.431 mit Sars-Cov2 Infizierte, die in Altenheimen, Flüchtlingsunterkünften und anderen Massenunterkünften untergebracht waren und von den örtlichen Gesundheitsämtern gemäß § 36 Infektionsschutzgesetz erfasst wurden. Wie kann man solche Zahlen anschaulicher machen? Auf alle bayerischen Heimbewohner (ca. 110.000 allein in Altenheimen) bezogen bedeuten die 4.431 Infizierten, dass etwa einer von fünfundzwanzig Heimbewohnern positiv getestet wurde (Stand 1. Juni).
Unter den in Bayern registrierten Sars-Cov2 Infizierten befindet auch eine beträchtliche Anzahl von Asylsuchenden und Geflüchteten. Recherchen von regensburg-digital bei den zuständigen Behörden der Regierungsbezirke haben ergeben, dass es in Bayern rund 1.500 Asylsuchende gibt, die positiv auf Sars-Cov2 getestet wurden. Ob diese positiv Getesteten zusammen mit den Altenheimbewohnern gemäß § 36 IfSG erfasst wurden oder werden ist derzeit unklar. Ein ausführlicher Artikel wird eigens dazu folgen.
Wenige Reihentestungen – hohe Dunkelziffer
Um das Infektionsgeschehen in den bayerischen Heimen besser erfassen zu können, muss auch das mit Sars-Cov2 infizierte Heimpersonal in den Blick genommen werden. Laut Auskunft des LGL wurden 2.026 Personen aus der Gruppe des Personals von Altenheimen (das in Flüchtlingsunterkünften kann wiederum vernachlässigt werden) positiv auf den Sars-Cov2-Virus getestet. Wieder bezogen auf den ganzen bayerischen Heimpersonalbestand (ca. 98.000) bedeutet dies, dass circa einer von fünfzig Mitarbeitern positiv getestet wurde.
Diese über 2.000 infizierten bayerischen Heimangestellten bestätigen offenbar zweierlei. Zum einen, dass auch das pflegende Personal in den Heimen, ähnlich wie die Bewohner selber, stark ansteckungsgefährdet ist. Zum anderen, dass das Corona-Virus nach dem Besuchsverbot wohl hauptsächlich über das Personal in die Altenheime gekommen ist und dort verbreitet wird.
Die Dunkelziffer an Infizierten dürfte sowohl beim Personal als auch bei den Bewohnern beträchtlich sein, da viele von ihnen symptomlos oder unerkannt bleiben. Aufklärende Corona-Reihentests für alle Altenheime werden zwar auch in Bayern diskutiert und gefordert, sie werden bislang in der Regel aber erst dann durchgeführt, wenn bereits COVID-19-Erkrankungen oder Tote aufgetreten sind.
Es gibt aber im Bereich Corona in der Altenpflege noch ein weiteres Dunkelfeld: die ambulante Pflege zu Hause. Wenn es stimmt, dass an die Altenpflege niemand gedacht hat (Montgomery), dürfte an die ambulante Altenpflege überhaupt niemand gedacht haben. Allein in Bayern gibt es knapp 2000 ambulante Pflegedienste die fast 100.000 Menschen pflegen. COVID-19-Tote aus diesem Kreis werden aber nicht nach § 36IfSG erfasst, so das LGL auf Anfrage. Die weit verbreiteten Mängel an Schutzausrüstung, die sowohl private Betreiber als auch Wohlfahrtsverbände im stationären Altenheimbetrieb haben, dürften ebenso in der mobilen Pflege vorhanden sein. Der Spendenaufruf der AWO Tirschenreuth von Ende März („Unser AWO-Team könnte eine Portion Schutzmasken gebrauchen, falls jemand etwas übrig hat, würden wir uns mega darüber freuen.“) zeigt diese Parallele unverkennbar.
Bayern: Mehr als die Hälfte der Toten aus “Massenunterkünften”
Der alleinige Blick auf die stets steigenden Infektionszahlen, der seit Monaten tagtäglich und oft ohne Relationen oder Einordnung überall angeboten wird, kann die gesundheitlichen und tödlichen Auswirkungen einer Corona-Infektion nicht erfassen. Zumal laut einer Auskunft der Regierung der Oberpfalz „ca. 80 Prozent der Infektionen symptomfrei“ verlaufen. Der detaillierte Blick auf die amtlich erfassten COVID-19-Todesfälle hingegen bringt etwas mehr Licht ins Katastrophenfall-Dunkel.
Die Zahl der vormals in bayerischen Altenheimen und Flüchtlingsunterkünften untergebrachten und an/mit einer COVID-19-Infektion Verstorbenen beträgt laut bayerischem Landesamt LGL 998 Menschen (Stand 1. Juni). Wenn man nun auch für Bayern die unvollständigen Meldungen an das RKI gemäß §36 IfSG überschlägig hinzurechnet, stammen mehr als die Hälfte der bayernweit gemeldeten COVID-19-Toten aus Massen- und Sammelunterkünften.
Anders als bei den Infektionen mit Corona können die wenige COVID-19-Toten aus der Gruppe der Asylsuchenden an dieser Stelle vernachlässigt werden. Nach Anfragen und Recherchen von regensburg-digital bei allen bayerischen Regierungsbezirken gibt es in Oberbayern zwei und in Unterfranken einen COVID-19 Toten aus dem Bereich der Asylsuchenden (Hierzu folgt ein eigener Artikel.) Laut Auskunft des bayerischen Justizministeriums hat es im bayerischen Justizvollzug bislang keinen Todesfall aufgrund von Corona gegeben (siehe auch Nachtrag vom 9. Juni am Ende des Textes).
Analyse nur mit dem Sterben in den Heimen möglich
Der hier präsentierte hohe Anteil der bayerische Alten- und Pflegeheime an den COVID-19 bedingten Todesfallzahlen wird durch Zahlen aus Hessen bestätigt. Laut Recherchen des Hessischen Rundfunks lebten durchschnittlich 43 Prozent aller hessischen COVID-19-Toten in Altenheimen. Wie die Hessenschau Ende Mai berichtete, sei dies „das Ergebnis der Anfragen bei den 26 hessischen Landkreisen und Städten“, die von 20 beantwortet wurde. Die Recherchen der Hessenschau lassen sich auch durch amtliche Zahlen bestätigen. Dies ist möglich mit den Daten zu den in Hessen nach §36 IfSG erfassten COVID-19-Toten, die regensburg-digital nach einer Anfrage vom Hessischen Ministerium für Soziales und Integration erhalten hat.
Ein Zwischenfazit: Obwohl in ganz Hessen relativ gesehen nicht einmal halb so viele Menschen an/mit COVID-19 verstorben sind wie in Bayern, ist auch dort der Anteil der Alten– und Pflegeheime auffällig hoch und von daher beachtenswert.
Egal wie man den Sachverhalt dreht und wendet, das Sterben im Zuge der Corona-Pandemie muss mit dem Sterben in Alten- und Pflegeheimen analysiert und begriffen werden.
Wieso gehören zehn bayerische Kreise zum führenden Dutzend?
Wirft man einen detaillierten und vergleichenden Blick auf die relativen Todeszahlen der bayerischen Regierungsbezirke zeigen sich weitere gravierende Unterschiede. Während der bayerische Mittelwert bei fast 19 Toten je 100.000 Einwohner liegt, starben in Bezirk Schwaben „nur“ elf Personen an/mit COVID-19-Infektion, in der Oberpfalz aber über 30 je 100.000 Einwohner.
Noch engmaschiger und deshalb aussagekräftiger sind Vergleiche der relativen Todeszahlen für die Kreise und kreisfreien Städte. Auffällig ist dabei zunächst: Unter den zwölf deutschen Kreisen mit den höchsten relativen COVID-19-Todeszahlen tummeln sich seit Wochen zehn bayerische Kreise/Städte.
Wieso diese zehn bayerischen Kreise bzw. kreisfreien Städte zum bundesweit führenden Dutzend des Sterbens gehören, das wäre eine immens wichtige und unentbehrliche Frage, die sich jeder verantwortungsvolle Politiker und Epidemologe stellen sollte, ja müsste. Stattdessen reklamiert etwa der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder bei jeder Gelegenheit (s)einen angeblichen Erfolg der bayerischen Pandemie-Maßnahmen oder skizziert eine wüste Bedrohung, die außerhalb von Bayern wabert und droht, auf den Freistaat überzugreifen. Richtung Thüringen rief Söder neulich: „Ich möchte nicht, dass Bayern noch mal infiziert wird …“.
Todesindex durchweg höher als in Schweden
Wenn man die zwölf deutschen Kreise bzw. kreisfreien Städte mit den höchsten relativen COVID-19-Todeszahlen mit denen Schwedens vergleichen will, zeigt sich, dass alle aus dem oben erwähnten Dutzend einen höheren Index aufweisen als das viel gescholtene Schweden mit knapp 44 COVID-19-Toten je 100.000 Einwohner (Stand jeweils Ende Mai 2020).
Knapp über den schwedischen Landesdurchschnitt liegt etwa der Landkreis Amberg-Sulzbach mit 46 Toten je 100.000, weit darüber liegt beispielsweise der Landkreis Neustadt an der Waldnaab mit dem Index 73. Die kreisfreie Stadt Straubing beispielsweise musste mit ihren bislang 48 Toten (= 100 Tote pro 100.000 Einwohner) relativ gesehen mehr als doppelt so viele Tote verzeichnen wie der schwedische Durchschnitt. Ganz oben rangiert letztendlich der Landkreis Tirschenreuth, wo in allen 26 Gemeindeteilen Sars-Cov2-Infektionen festgestellt wurden. Mit seinen 134 COVID-19-Todesfällen erzeugt der Tirschenreuther Landkreis einen Index von 185 Toten je 100.000 Einwohner, der den schwedischen um den Faktor Vier überragt.
“Besondere Relevanz für die Transmission von Infektionskrankheiten“
Den Landkreisen und kreisfreien Städten kommt mit dem im Mai 2020 beschlossenen Notfallmechanismus (zu Recht) eine besondere Bedeutung zu. Der per Telefonkonferenz von Bundeskanzlerin und Ministerpräsidenten beschlossene Mechanismus sieht vor, dass bei mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner (im Sieben-Tage-Mittel) wieder strenge Beschränkungen im öffentlichen Leben angeordnet werden (können). In Bayern gilt der Grenzwert von 35 Neuinfektionen je 100.000 Einwohner. Als die Stadt Regensburg diesen Grenzwert neulich tagelang wegen zu vielen bekannt gewordenen Sars-Cov2-Neuinfektionen in Gemeinschaftsunterkünften für Geflüchtete und dem Ankerzentrum überschritt, wurden für die dort untergebrachten u.a. Quarantänemaßnahmen angeordnet.
Bewohner Regensburgs mit freier Wohnungswahl allerdings waren von diesen Maßnahmen gegen das in Clustern am Rande der Stadt auftretende Infektionsgeschehen bislang nicht betroffen. Sie haben auch ein kleineres Infektionsrisiko als Geflüchtete in ihren Sammelunterkünften, die das Robert-Koch-Institut (wie die Alten- und Pflegeheime und Gefängnisse) zu den Massenunterkünften nach §36 IfSG zählt: Zu den „Einrichtungen mit besonderer Relevanz für die Transmission von Infektionskrankheiten“. Die deshalb wieder aufgekommene alte Forderung nach Auflösung aller Zwangs- und Sammelunterkünfte ist vor diesem Hintergrund verständlich.
Cluster mit vielen Todesopfern
Untersucht man bayerische Landkreise mit hohen relativen Todeszahlen genauer, zeigen sich wiederum Cluster, in denen sich der Sars-Cov2-Virus massenhaft verbreiten konnte und in der Folge auch viele Todesopfer zu beklagen waren. So stammen von den 47 COVID-19-Toten, die etwa der gesamte Landkreis Amberg-Sulzbach zu beklagen hat, laut Auskunft des Landratsamts sage und schreibe 31 Tote (bzw. 66 Prozent) aus Altersheimen. An Leib und Leben betroffen waren und sind bislang aber nur die Bewohner (und Mitarbeiter) von drei Heimen. Eines davon, ein Altenheim des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in Hirschau, sticht mit seinen 23 COVID-19-Toten besonders ins Auge. (Hier zum Bericht des Onetz von heute.)
Die Verhältnisse in Straubing erscheinen noch drastischer. In der niederbayerischen kreisfreien Stadt stammen 69 Prozent der COVID-19-Toten (33 von 48 insgesamt, so die Auskunft der städtischen Pressesetelle) aus Altersheimen, die an einer Hand abzuzählen sind. Wer die hohen relativen Todeszahlen der Stadt Straubing analysieren will, muss also vor allem die Verhältnisse in den fünf Altenheimen untersuchen, in denen laut offizieller Statistik circa 600 Personen untergebracht sind.
Im nordoberpfälzischen Landkreis Tirschenreuth untersucht zurzeit eine Arbeitsgruppe des RKI die dort zu beklagenden 134 Toten, die an/mit COVID-19 verstorben sind. Wie viele davon aus Alten- und Pflegeheimen stammen, diese und weitere detaillierte Fragen werden vom dortigen Landratsamt nicht beantwortet. Eine der wenigen konkreten Auskünfte, die das Landratsamt nach der dritten oder vierten Presseanfrage unserer Redaktion erteilte, bezog sich auf die Frage, in wie vielen Alten- und Pflegeeinrichtung COVID-19-Infektionen festgestellt und amtlich gemäß § 36 IfSG gemeldet wurden. Die Antwort:
„In 14 Einrichtungen im Landkreis TIR wurden COVID-19-Infektionen (bei Bewohnern und Mitarbeiter oder nur bei Bewohnern) festgestellt. In 2 weiteren Einrichtungen waren nur Mitarbeiter (darunter auch Verwaltungspersonal) betroffen.“
Differenzierte Zahlen werden verweigert
Laut amtlicher Statistik gibt es im Landkreis Tirschenreuth 13 Alten- und Pflegeheime, in denen etwa 1.100 Personen untergebracht und betreut werden. Da offenbar in all diesen Einrichtungen COVID-19-Infektionen aufgetreten sind, ist anzunehmen, dass ein sehr hoher Anteil der an/mit COVID-19 Verstorbenen aus Tirschenreuther Altenheimen stammt. Dass es dabei auch gravierende Missstände gegeben haben könnte, legt ein Spendenaufruf des Tirschenreuther Landrats vom 25. März nahe. Aufgrund der Knappheit von Schutzausrüstung, insbesondere von Schutzmasken appellierte er darin an alle Unternehmen oder auch Privathaushalte zu spenden, „damit sich z. B. das Personal in den Kliniken, Heimen, Pflegedienste und die Einsatzkräfte ausreichend schützen können.“
Unsere Presseanfrage, wie viele der amtlich nach §36 ISG festgestellten COVID-19-Toten aus Einrichtungen der Altenpflege stammen, wollte der Pressesprecher des Landratsamts partout nicht beantworten. Als Begründung dafür gibt er an, der Landkreis Tirschenreuth habe entschieden, „keine differenzierte Zahlen für unsere Einrichtungen (sowohl insgesamt als auch einrichtungsbezogen) zu veröffentlichen. Etwaige Veröffentlichungen würden ggf. das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Einzelnen berühren und somit besteht eine Verschwiegenheitspflicht.“
Die zuständige Staatsanwaltschaft in Weiden teilte auf Anfrage mündlich mit, dass es bislang für Vorermittlungen von Amtswegen keinen Anfangsverdacht gegeben habe und diesbezüglich auch keine Hinweise auf ein womöglich strafrechtlich relevantes Fehlverhalten eingegangen seien. Unklar ist dabei allerdings, welche Informationen der Staatsanwaltschaft überhaupt vorliegen und ob dieser differenzierte Zahlen nach Einrichtungen mitgeteilt wurden.
Auch das BRK gibt keine detaillierten Zahlen heraus
Das bereits erwähnte Bayerische Rote Kreuz (BRK) betreibt im Landkreis Tirschenreuth vier der dreizehn Altenheime. Dort setzt das BRK generell auf rigide Besuchsbeschränkungen. Fragt man beim Geschäftsführer des zuständigen BRK-Kreisverbands wegen der amtlich festgestellten Anzahl der Toten aus seinen BRK-Heimen an, bekommt man wiederum eine grundsätzliche Abfuhr: „In Abstimmung mit dem Landkreis Tirschenreuth geben wir keine einrichtungsspezifischen Fallzahlen weiter.“
Eine detaillierte Anfrage (u.a. zu den BRK-Heimen in Hirschau und dem Landkreis Tirschenreuth) bei der Landesgeschäftsführung des Bayerischen Roten Kreuzes, übrigens eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, wurde leider nur ausweichend beantwortet: Von den 130 BRK-Einrichtungen seien „sechs Einrichtungen stärker durch Infektionen betroffen“ gewesen. Inmitten der aktuellen Pandemie könne das BRK „keine Aussagen zu ‚Gesamtzahlen‘ tätigen“. Eine „beträchtliche Anzahl“ Betroffener und „erschreckend viele Todesfälle“ könne man aber, so der Pressesprecher des BRK, nicht bestätigen, „im Gegenteil – die Zahlen sind in Bezug auf Einrichtungen des BRK unterdurchschnittlich, wohlgleich jeder einzelne Fall zu bedauern“ sei. Welchen Durchschnitt der BRK-Pressesprechen hier meinen könnte, aber nicht nennt, ist unklar.
Quasi-Nachrichtensperre in Tirschenreuth
Der bundesweit mit den höchsten relativen COVID-19-Todesfallzahlen berühmt-berüchtigt gewordene Landkreis Tirschenreuth nutzt offenbar die Gunst des Corona-Katastrophenfalls und ermächtigt sich selber zur Verhängung einer Quasi-Nachrichtensperre. Zur Abwehr von Presseanfragen über amtlich erhobene Daten bemüht man eine „Verschwiegenheitspflicht“, die man wie einen dichten Schleier über den ganzen Landkreis gelegt hat.
Eine schonungslose Analyse und eine offene Debatte über den bedrückend hohen Anteil der Alten und Pflegebedürftigen an den COVID-19-Sterbefällen sind längst überfällig. Nicht nur für Tirschenreuth und Bayern, sondern für das ganze Bundesgebiet und ähnlich betroffene Staaten. Nur so könnte aus gemachten Fehlern gelernt und eine Wiederholung vermieden werden.
Der Skandal des Totschweigens
Dass den in Altenheimen untergebrachten Menschen – alleine in Bayern über 100.000 an der Zahl – immer noch Grundrechte und Freiheiten genommen werden, um sie angeblich vor einer Infektion zu schützen, obwohl dieser Schutz offenbar gescheitert ist, ist ein Skandal im Skandal. In jenem Skandal, der im Zuge des Corona-Katastrophenfalls als neue gesellschaftliche Normalität hingenommen und in Tirschenreuth mit einer selbstgeschaffenen „Verschwiegenheitspflicht“ verteidigt und aktiv beschwiegen wird.
Nachtrag vom 9. Juni 2020 zu Infektionen mit Sars-Cov2-Virus in bayerischen Justizanstalten, die auch nach §36 Infektionsschutzgesetz erfasst werden müssen.
Auf Anfrage teile die Pressestelle des Bayerischen Justizministeriums mit, dass derzeit knapp 10.000 Gefangene in den 36 bayerischen Justizvollzugsanstalten einsitzen und in diesen rund 5.900 Bedienstete tätig sind.
Zu den Infizierten (Stand 8. Juni): Bislang wurden 15 Gefangene und insgesamt 30 Bedienstete des bayerischen Justizvollzugs positiv auf das Corona-Virus getestet. Einen Todesfall aufgrund von Corona habe es bislang nicht gegeben.
Zu Corona-Tests: „Den Bediensteten von Justizvollzugsanstalten in Kreisen mit zuletzt besonders hoher 7-Tages-Inzidenzrate wird künftig eine quartalsweise verdachtsunabhängige Corona-Testung ermöglicht.“
Edeltraud
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Die beschriebenen Zustände sind wirklich ein Skandal. Wo bleibt der Aufschrei, wo die Demonstranten, wo der Staat?
Julian86
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Ins Schwarze trifft diese Aussage der Autors. Anlass genug, dass die MSM jetzt nachhaken und die Staatskanzlei mit tiefgründigen Anfragen konfrontieren. Damit sich die Verhältnisse bessern. Rasch. Jetzt.
>> Wieso diese zehn bayerischen Kreise bzw. kreisfreien Städte zum bundesweit führenden Dutzend des Sterbens gehören, das wäre eine immens wichtige und unentbehrliche Frage, die sich jeder verantwortungsvolle Politiker und Epidemologe stellen sollte, ja müsste. Stattdessen reklamiert etwa der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder bei jeder Gelegenheit (s)einen angeblichen Erfolg der bayerischen Pandemie-Maßnahmen oder skizziert eine wüste Bedrohung, die außerhalb von Bayern wabert und droht, auf den Freistaat überzugreifen. Richtung Thüringen rief Söder neulich: „Ich möchte nicht, dass Bayern noch mal infiziert wird …“. <<
Dass im Rahmen des Konjunkturprogamms zudem die Armen total durchs Raster fielen, was heute auf den Nachdenkseiten dokumentiert ist,, lässt den Eindruck aufscheinen:
Merkel, Söder und Scholz, ihnen ist das Schicksal der Betagten und Armen trotz aller Sonntagssprüche keine Rede, kein Prüfung, keine Transparenz und keine Verbesserung der Verhältnisse wert.
Die WÜRDE aller Menschen
"Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt." Söder als Jurist mit (nur) erstem Staatsexamen sollte diese seine Verpflichtung kennen und mit Leben und tatkräftiger Abhilfe seine Kanzler-Tauglichkeit jetzt unter Beweis stellen.
Mr. T.
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Ein Vergleich der Sterblichkeit von Senioren in häuslicher Pflege und im Heim wäre interessant.
Von einem Heim habe ich gerüchteweise gehört, dass das Virus von Bewohnern, die zur Dialyse oder Chemotherapie in Krankenhäusern waren, ins Heim gelangt sein soll. Das waren aber nur Aussagen von Personen, die sich das wohl so aus dem, was sie wussten, zusammengereimt haben. Wäre aber auch ein Übertragunsgweg, der zu berücksichtigen ist.
Joachim Datko
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Bei einer Epidemie bin ich gerne bereit, Einschränkungen hinzunehmen, wenn sie von Virologen vorgeschlagen werden.
Zitat: “Analyse nur mit dem Sterben in den Heimen möglich […]
Der Skandal des Totschweigens
Dass den in Altenheimen untergebrachten Menschen – alleine in Bayern über 100.000 an der Zahl – immer noch Grundrechte und Freiheiten genommen werden, um sie angeblich vor einer Infektion zu schützen, obwohl dieser Schutz offenbar gescheitert ist, ist ein Skandal im Skandal.”
Es mag stimmen, dass der Anteil an Infektionen mit tödlichem Ausgang in bayerischen Altersheimen relativ hoch ist. Die Konsequenz daraus sollte aber nicht sein, die Einschränkungen zu lockern, da damit ein weiterer Anstieg an Infektionen zu erwarten wäre. Es sei denn, die Ärzte sprechen sich für eine Lockerung aus.
Mr. B.
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Liebes R-D-Team, nachdem ich das letzte Mal bei einem Beitrag meine Kritik ausgesprochen habe, bin ich bei diesem Beitrag wieder voll des Lobes!
Edeltraut hat zu diesem Beitrag mit ihren zwei Sätzen bereits alles geschrieben!
Die alten Menschen und auch ihre Pfleger/Pflegerinnen hatten noch nie eine große Lobby. Nicht in Gesellschaft und auch nicht in der Politik!
R.G.
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Zum Satz:
“Liebes R-D-Team, nachdem ich das letzte Mal bei einem Beitrag meine Kritik ausgesprochen habe, bin ich bei diesem Beitrag wieder voll des Lobes! ”
@Mr. B.
Halten Sie denn den Blog für einen durchgehend und ständig zu Enthüllungen verpflichteten und alles was das Höchstmaß nicht erfülle sei eine Mindestleistung?
Jakobine Mohr
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Seit Beginn der Pandemie ist klar, die Hauptrisikogruppe sind multimorbid Erkrankte und Hochaltrige. Diese sind zum erheblichen Teil Pflegefälle (ambulant und stationär). In ein deutsches Altenheim geht, wer bereits in seinem letzten bzw. allerletzten Lebens-abschnitt ist. Man geht dorthin um zu sterben. Jeder Infekt ist dort eine Gefahr! . Jedes Jahr sterben dort Menschen wegen Grippeausbrüchen. Der Skandal ist nicht, dass dort “jetzt viele sterben”, sondern wie sie (jetzt!) sterben, unter massivster Einschränkung der Lebensqualität, z.T. allein, ohne Begleitung durch Angehörige. Skandal ist auch, dass nicht vorrangig, seit Beginn, Gelder zu den Risikogruppen geflossen sind, um diese und die sie Pflegenden, zu schützen und Lebensqualität (das sind im Heim z.B. soziale Kontakte, innerhalb und nach draußen) zu erhalten. Gestorben wird, wenn man alt und pflegebedürftig ist, selbstverständlich mit höherer Wahrscheinlichkeit , als mit 20.
( ca 10.000 Menschen über 80 Jahre sterben in D. in einer Woche, ganz normal!) Normalerweise wird dann allerdings nicht nachträglich nach dem Vorhandensein eines bestimmten Virus gesucht ! Der Skandal ist also, dass pauschale, flächendeckende Maßnahmen getroffen wurden, statt vor allem Maßnahmen für die hauptsächlich Betroffenen. An die wurde und wird tatsächlich am wenigsten gedacht und es wurde am wenigsten für diese getan. Sie wurden auch an keiner Stelle gefragt, was sie wollen, sondern einfach “eingesperrt”. Die Pflegenden, auch vor allem im ambulanten Bereich, hatten z.T. nicht die nötigsten Schutzausrüstungen. Es wäre vor allem mehr Geld und Personal nötig gewesen, um die Lage optimal regeln zu können. Dies fehlt bis heute !
Jakobine Mohr
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Nachtrag Heim: Ein Heimleiter, der das Beste für seine Bewohner will, steht vermutlich vor einem ethischen Dilemma: Optimale Infektionsschutz bedeutet am Lebensende im Heim für die Bewohner : Unendliche Einsamkeit, Qual, Desorientierung, Angst – vor allem bei Demenz. Z.T. vermutllich auch , bei Dementen mit Bewegungsdrang: “freiheitsentziehende Maßnahmen” oder Sedierung. Dies dürfte z.T. die Zurückhaltung der Institutionen erklären. Vieles, was von “der Öffentlichkeit” gefordert wurde (100%iger Schutz), wäre für viele Bewohner einfach nur furchtbar!
Was auch zu kurz kam, war die (finanzielle) Förderung der Palliativen Versorgung von Heimbewohnern, die nicht mehr ins Krankenhaus wollen. (auch KH wäre für viele die reinste Qual!) Auch Covid-19 kann sehr gut palliativ versorgt werden, so dass Menschen gut betreut, ihr Lebensende erleben können, ohne Schmerzen oder Luftnot.
Untertan Giesinger
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Ich ziehe ganz tief meinen Hut vor Ihnen, Frau Jakobine Mohr!
Gerda Huber
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Danke für diesen wirklich fundierten, ausgewogenen und gut recherchierten Artikel. Auch Frau Mohr hat das Dilemma in der Altenpflege gut auf den Punkt gebracht.
Wenn Senioren nicht aus dem Haus dürfen (ich habe das bei einer Verwandten hautnah mit bekommen!), dann dürfte das illegal und somit Freiheitsberaubung sein. Das ist etwas anderes als Besuch im Heim, der natürlich – via Hausrecht – verboten werden kann.
Und was natürlich – bei all der Coronahysterie – fehlt, ist ein Vergleich mit den alljährlichen Effekten in Seniorenheimen; dort wurde schon immer an Influenza-Viren etc. gestorben. Ist das auf grösseres Interesse gestossen? Ich vermute mal schwer, dass es bei einer Influenza-Welle dort auch nicht anders ausgesehen hat.
Zu J. Datko: “Die Ärzte” bzw. “die Wissenschaftler” sind sich niemals einig (siehe Drosten-Kekulé-Streeck-Streit etc.), von daher sollte man die Verantwortung dorthin legen, wo sie hingehört: In die Politik.
Mr. T.
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Frau Mohr, das, was Sie meinen, wo man zum Sterben hingeht, ist ein Hospiz. In ein Altersheim geht man, um dort zu Leben.
Gehen Sie doch mal in das nächste Altersheim und erzählen Sie den Bewohnern, dass sie dort nur auf der Wartebank vom Boandlkramer sitzen. Die werden Ihnen was erzählen ?
Angehöriger
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Werte Frau Mohr,
sie haben schon Recht damit, dass skandalöser Weise viele alleine sterben mussten (mittlerweile nicht mehr wegen Corona), da stimme ich zu.
Ja es gibt sicherlich ein Missverhältnis allgemeine Maßnahmen vs. Hilfe in Heimen.
Aber, es gibt auch Menschen, die gehen aus persönlichen, familiären oder gesundheitlichen Gründen ins Altenheim – wollen aber leben und nicht gleich sterben.
Eine alleinerziehende Freundin von mir hat ihre 70 jährige Mutter mit einer nicht lebensbedrohlichen Krankheit ins Altenheim gegeben. Wie lange darf diese denn ihrer Ansicht noch leben nach?
Wann soll oder darf meine demente 80jährige Mutter im Heim sterben?
Klar gehören zur Hauptrisikogruppe multimorbid Erkrankte und Hochaltrige. Diese werden aber laut RKI in Massenunterkünften untergebracht, die ihrerseits ein erhöhtes Risiko für eine Ansteckung bedeuten. Es gibt ein erhöhtes Risiko also zweifach: einmal sterben alte Menschen (Vorerkrankte) viel eher und schneller an Covid-19. Zum zweiten steckt man sich in Altenheimen eher an als zuhause – sowohl Alt als auch Jung.
Die offene Frage, die der Artikel aufwirft, ist aber doch, warum in mehreren Orten gerade Altenheime als hotspots für Covid-19-Tote in Erscheinung treten und die Todesstatistik von ganzen Landkreisen dominieren können? Was ist da schief gelaufen, oder war´es nur Pech?
Zu den Heimleitern: Ich habe einen gesprochen, der will nur seinen Betrieb mit möglichst weniger Aufwand aufrechterhalten und hofft, dass es keinen weiteren Coronatoten im Haus gibt – Sozialkontakt sind dem nicht so wichtig, außer in Schreiben an Angehörigen . Eine andere Heimleiterin hat eine Höllenangst davor, dass das Virus überhaupt ins Haus kommt und tut von daher alles, um Angehörigen-Besuch möglichst abschreckend zu gestalten. Das Problem besteht m.E. darin, dass die Heimleitungen durch die vagen politischen Entscheidungen alleine nach Lösungen suchen müssen, auch die Verantwortung tragen, und so mancher viel Aufwand betreiben muss, um die eigenen Missstände zu verbergen.
Altenpflege ist ein lukratives Geschäft, viele Angehörige haben den Vater, die Mutter, die Tante ins Altenheim abgeschoben, um sich (fast) gar nicht mehr kümmern zu müssen. Ich glaub nur 15% bekommen regelmäßig Besuch im Altenheim.
UMR
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Besten Dank für diesen instruktiven Artikel. Ich lebe in Köln und auch hier lassen sich die im Artikel geschilderten Beobachtungen bestätigen. In Köln gibt es zurzeit (Anfang Juni 2020) 100 Menschen, die an/mit dem Virus gestorben sind. Nach Auskunft der Stadt stammt ein Großteil der Sterbefälle aus Alten- und Pflegeheimen, allein 24 aus einem einzigen Heim im Kölner Stadtteil Rodenkirchen. In Folge dessen wurden und werden in Köln meines Wissens mittlerweile alle Einrichtungen inkl. Personal und Bewohner regelmäßig getestet.
Mr. T.
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Interessant wird eine retrospektive Betrachtung der Sterbezahlen in solchen Einrichtungen werden. Sinkt diese nach der Erhöhung unter den Durchschnitt ab bevor sie sich wieder auf diesen einpendelt, sind durch das Virus wirklich (nur) ohnehin dem Tid geweihte Menschen etwas früher verstorben. Ist dies nicht der Fall, sind Menschen unnötig viel zu früh verstorben, die noch einige Zeit auf Erden gehabt hätten. Ich bin mir sicher, Robert Werner wird auch diese Zahlen entsprechend aufbereiten.
Julian86
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Zur Frau Mohr, die schreibt: “… palliativ versorgt werden, so dass Menschen gut betreut, ihr Lebensende erleben können, ohne Schmerzen oder Luftnot.”
Dazu ein Bericht von SRF Schweizer Radio und Fernsehen, Sendung vom 8.6., auf den ich durch die Nachdenkseiten (NDS) aufmerksam wurde. Auf den NDS ist auch ein Teil dieses Artikels von Robert Werner abgedruckt. Damit ging dieser bundesweit viral.
” Altersheimbewohner in Madrid – «Wer Morphium bekam, war nach drei Tagen tot»
srf.ch
“Hat Spanien seine kränksten und schwächsten Menschen während der Coronazeit bewusst sterben lassen? Wurden zum Beispiel demente oder krebskranke Covid-19-Patientinnen und -Patienten gar nicht erst in ein Spital eingewiesen? Diese Fragen stellen sich jetzt, da ein Dokument der Regionalregierung von Madrid öffentlich geworden ist. Hans-Günter Kellner, Journalist in Madrid, hat es gelesen.”
R.G.
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@Mr. T.
Gestern las ich erste Zahlen ev. aus Österreich (ich werde die Quelle nachreichen, suche schon danach), wonach die Grippewelle dieses Winters erst mal kleiner als in den starken Vorjahren war, die Übersterblichkeit somit geringer als in den Vergleichsmonaten der Vorjahre.
Im Frühjahr plötzlich, eigentlich gleichlaufend mit dem Einlangen COVID-19, stieg diese Übersterblichkeit an, in dem geringen Zeitraum wurde insgesamt etwas mehr (über-)gestorben als sonst in der ganzen Saison (mit Grippewelle).
Robert Werner
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Folgende Ergebnisse der Bremer Studie “Pflege in Zeiten von Corona” wurden heute veröffentlicht:
Im Vergleich zur Normalbevölkerung ist der Anteil der mit dem Coronavirus Infizierten unter Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in Pflegeheimen sechs Mal größer. Bei ambulanten Pflegediensten gebe es doppelt so viele Fälle. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass gerade in Pflegeeinrichtungen ein hohes Infektionsrisiko besteht. Deshalb fordern sie für diese Einrichtungen auch mehr Tests und schnellere Testergebnisse…
Die Bremer Wissenschaftler haben eigenen Angaben zufolge vom 28. April bis zum 12. Mai Daten von 701 Pflegediensten, 96 teilstationären und 824 stationären Einrichtungen in ganz Deutschland eingeholt. “Aufgrund der Vielzahl potentiell Betroffener” sollte ein besonderes Augenmerk auf den Bereichen der ambulanten und stationären Langzeitpflege liegen – “auch mit Blick auf eine mögliche zweite Pandemie-Welle”, heißt es in der Studie.
Den Forschern zufolge seien Pflegeheime der wichtigste Ort in Bezug auf Corona-Infektionen mit Todesfolge. Bei mehr als 60 Prozent der bundesweiten Todesfälle handelte es sich demnach um Bewohnerinnen und Bewohner aus Pflegeheimen beziehungsweise um Kunden von Pflegediensten. Dabei hätten knapp 80 Prozent der Heime gar keine Infektionen gehabt. “Die direkte Betroffenheit konzentriert sich also auf wenige Einrichtungen, die dann aber in der Regel stark betroffen sind”, heißt es.
https://www.butenunbinnen.de/nachrichten/gesellschaft/corona-pflege-studie-uni-bremen-102.html
R.G.
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Dann füge ich das Nachbarland an, mit
“Ein Drittel der Corona-Toten kommt aus Alters- und Pflegeheimen”
aus den OÖN (Oberösterreichische Nachrichten)
https://www.nachrichten.at/politik/innenpolitik/livestream-anschober-praesentiert-studie-zu-covid-19-in-altenheimen;art385,3264979
Ich vermute aber Zusammenhänge zur “Haltung” der Bewohner.Ob sie Sonne, frische Luft und gute, frisch gekochte Ernährung erhalten.
Habe mir daher nach Zufallsrinzip Infos über die Gebäude rausgesucht für die betroffenen Heime.
Wurden die Freiflächen genutzt? Durften die zu Schutz eingeschlossenen Menschen noch ans Tageslicht? Wer schob sie auf den Balkon oder war kein personal dafür da?
https://seniorenzentren.linz.at/7393.php
Der Gesundheitsminister kommt aus der Landesgruppe.
Die Tiroler Tageszeitung berichtet daher kritischer, interessant die Parallelen zu den Regensburger Fragestellungen.
https://www.tt.com/artikel/30736163/anschober-verkuendete-lockerungen-fuer-heimbewohner-und-angehoerige
R.G.
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Noch Zahlen aus Wien.
Zuerst über die Altenheime mit einem Teil Pflegebetten = “Kuratorium Wr. Pensionisten-Wohnhäuser”:
“Insgesamt sind in den 30 Häusern 8.600 Pensionistinnen und Pensionisten untergebracht. „Der aktuelle Stand ist, wir haben 17 verdächtige Bewohnerinnen und Bewohner und 17 positiv getestete“, sagt Gabriele Graumann, die Geschäftsführerin des Kuratorium Wr. Pensionisten-Wohnhäuser, gegenüber „Wien heute“.
Von den rund 4.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der städtischen Pensionistenhäuser seien bisher 340 getestet worden. „Um die 30 sind positiv getestet“, sagte Graumann.
„18.000 Masken reichen für eine knappe Woche“
Die Frage hier, gibt es Essen vom Buffet oder wird es an den Tisch im Speisesaal serviert? Wie oft werden Bewohner an die sonnigen Freiflächen geleitet?
Anders in den reinen Pflegeheimen:
“Noch kein Fall in KAV-Pflegewohnhäusern
In den zehn Pflegewohnhäusern des Krankenanstaltenverbundes (KAV) ist aktuell keiner der 3.000 hochbetagten Bewohner positiv getestet worden.”
Quelle: Österreichischer Rundfunk, Webseite,
https://wien.orf.at/stories/3042089/
Gerda Huber
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In diesem Zusammenhang wichtig:
1994er-Daten
Da heißt es:
Die durchschnittliche Verweildauer in pflegeorientierten Einrichtungen (75 % und mehr Pflegeplätze) beträgt 36 Monate (jeder 5. verstirbt innerhalb von sechs Monaten nach dem Heimeintritt, fast jeder 5 lebt 5 Jahre oder länger in diesem Einrichtungstyp); in Mischeinrichtungen (Pflege- und Wohnplätze) ist die durchschnittliche Verweildauer 73 Monate (22 % verweilen über zehn Jahre in der Einrichtung.
Habe mal gehört, dass die Senioren im Durschnitt nur 1 bis 1,5 Jahre im Altenheim (nach dem Einzug dort) leben. Dann…
T1972
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Ich habe schon zu Beginn der “Pandemie” beim RKI und beim Land NRW mehrfach angefragt, ob die Berufsgruppen/Schüler/Studenten/Rentner etc. mit erfasst werden. Leider ohne Erfolg, das Land NRW antwortet später, es gebe dazu keine Kapazitäten. Hätte man einen Überblick über die Berufsgruppen gehabt, wäre schnell klar gewesen, dass es im Einzelhandel kaum Infektionen gibt, aber man wäre schnell darauf gekommen, das sich Infektionen im Pflegebereich ausbreiten. Leider ist das RKI dazu nicht in der Lage, bis heute, diese Gruppen zu erfassen, was ein sehr wichtiges Bild über das Geschehen geben würde. Für mich stellt sich leider nach diese Kriese die Frage, wofür wir ein soch unfähiges Institut brauchen. Insbesondere nach der starken Grippewelle 2017/2018 hätte man entsprechende Pläne erarbeiten können, aber da wurde ja gar nichts unternommen, nicht mal zur Distanz aufgerufen.
Gerda Huber
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Blicken wir doch mal in die Vor-Corona-Zeit zurück. Und was da das RKI (Quelle Focus) schreibt: “Zahlen des RKI zeigen: Vorletzte Grippewelle war tödlichste in 30 Jahren
Donnerstag, 14. November, 11.29 Uhr: …
Rund 25.100 Menschen in Deutschland kostete die außergewöhnlich starke Grippewelle 2017/18 das Leben, wie das Robert Koch-Instituts (RKI) am Montag berichtete. Das sei die höchste Zahl an Todesfällen in den vergangenen 30 Jahren, erklärte RKI-Präsident Lothar Wieler.”
Frage: Wie wurde diese dramatische Situation (ca. dreimal mehr Todeszahlen wie jetzt in der Corona-Zeit) in den Seniorenheimen gehandhabt? Offenbar ist das nicht weiter aufgefallen, da in Seniorenheimen leider immer viel gestorben wird und damals nicht getestet wurde. Demzufolge gab es auch keine Ausgangsbeschränkungen, keine Besuchsverbote, keine Quarantäne auf dem Zimmer.
Wie stark sich diese Gegenmaßnahmen und Restriktionen auf die Todesrate auswirken wird weder diskutiert noch untersucht. Ist auch schwierig(er) zu erfassen und eine überaus lästige und hochproblematische Frage. Trotzdem ist sonnenklar, dass soziale Isolation, wenig(er) Bewegung, wenig(er) Sonnenlicht wohl kaum immunstimulierend wirken. Und auch zum Tod führen können.
Um mal querzudenken:
Wenn Covid-19 ca. 150 italienischen Ärzten in Norditalien das Leben gekostet hat, dann gibt es keine hinreichenden und schon keine 100%igen Schutzmassnahmen gegen Viren. Punkt. Demzufolge macht es auch keinen Sinn, Senioren einzusperren, Ansteckungen werden trotzdem immer wieder stattfinden. Von daher wichtig – nicht übertreiben und ein lebenswertes Leben auch noch in Seniorenheimen zulassen. Altenheime sind keine Hochsicherheitstrakts und keine Intensivsationen bzw. Isolierstationen. Unsere Alten brauchen Nähe und Kontakt zu ihren Verwandten, Bewegung und Sonnenlicht. Und das Leben ist nun mal lebensgefährlich, da beisst die Maus keinen Faden ab.
Und das Folge-Dilemma ist fatal: Der nächste Winter kommt bestimmt und mit ihm das nächste Virus, mit welchem Namen auch immer. Dann wieder alles von vorne – Lockdown, Senioren einsperren, Ausgangsbeschränkungen etc.? Die Zeit der Unschuld ist vorbei, JETZT müsste man das eigentlich jedes Jahr so machen. Sonst ist man ja verantwortungslos…düstere Aussichten.
RX
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Die relativen Todeszahlen sagen eher wenig aus. Wichtiger sind die Todeszahlen in Verhältnis zu den Infektionszahlen (gelbe Spalte), wenn man denn vergleichen will. und da steht z.B. Tir nicht so schlecht da.
Noch besser wäre auch noch die Anzahl der Tests mit einfließen zu lassen.
Krankenpflegerin
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Absolut richtig Frau Mohr, diese Aussage ist in der Kommentarspalte mit das Beste, was ich bislang zu diesem Thema hier lesen konnte!
Mr. B.
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Hallo Frau Mohr
,
Danke für Ihre zutreffenden und aufklärenden Beiträge!
Ich hoffe, dass sich vielleicht doch mal was ändert!!